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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0308
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Frans van Mieris.
Der weitaus vorzüglichste unter den Schülern und Nachfolgern des Gerard Dov war Frans
van Mieris (der ältere). Er wurde am 16. (oder 10.) April 1635 zu Fehden (oder nach Eini-
gen zu Delft) geboren. Sein Vater, ein vermögender Goldfchmied, gab ihn bei dem Glasmaler
Abraham Torenvliet in die Lehre; bald aber machte er im Atelier Dov's solche Fortschritte,
daß dieser ihn den Fürsten seiner Schüler nannte. — Vielleicht in der Hoffnung, sich dadurch noch
über seinen Meister zu erheben, widmete Mieris sich einige Zeit den Studien bei dem Historien-
maler Adriaen van den Tempel, doch die Neigung und das Talent für die Gegenstände des
kleinen Genres führten ihn zu Dov zurück. Er steht auch in allen wesentlichen Stücken seinem
Meister nur wenig nach; doch sind seine Arbeiten nicht so gleichmäßig wie die des Letzteren. Er
übertrieb die Kleinheit seiner Bilder, war aber so sruchtbar wie sein Lehrer. Man kennt etwa
hundertundvierzig Bilder von ihm, was bei seinem nicht langen Leben — er starb bereits am 12.
März 1681 zu Lehden — viel sagen will.
Er übertras den Meister Dov aber nach einer Richtung wesentlich: in der Beweglichkeit des
Geistes. Schon die Episode bei van den Tempel spricht dafür. Seine Vorliebe für Darstellungen
aus dem Kreise der höheren Stände aber wird auf eine Beeinflussung durch die Kunstübung Metsu's
zurückzuführen sein; und ein gewisser Zug des Humors darf wohl von Ian Steen abgeleitet werden.
Mieris war wo möglich noch gesuchter als Dov und erhielt sehr bedeutende Summen für
seine Gemälde. Der Erzherzog Leopold Wilhelm suchte ihn in seinen Dienst zu bekommen, jedoch
vergeblich. Für das von 1660 datirte Bild eines Herrn, der mit einer jungen Frau um Stosse
handelt, welches er bestellt hatte, und welches sich jetzt — als eins der Hauptwerke des Meisters
anerkannt — im Belvedere zu Wien befindet, zahlte jener kunstfreundliche Fürst 1000 Gulden.
!Das Bild ist für Mieris von ganz ungewöhnlicher Größe (0,55:0,42 M.). Ein zweites eben-
daselbst befindliches Bild, einen Arzt darstellend, der einer jungen im Bette sitzenden Kranken den !
Puls fühlt, zeichnet sich durch besondere Gefühlswärme aus und zeigt, da es 1656, d. H. im ein-
nudzwanzigsten Jahre des Meisters, gemalt ist, wie früh er bereits seine volle Höhe erstiegen Hatte.
Andere besonders interessante Bilder, die sich hauptsächlich noch zu München, Dresden, Flo-
renz und St. Petersburg finden, sind folgende: Die kranke Frau, in München; zwei Darstellungen
des Künstlers selber in seinem Atelier, das eine Mal mit seiner Frau, das andere mit einem Kunst-
liebhaber, der ein angefangenes Bild betrachtet, zu Dresden; ebenda der mit Recht berühmte
Kesselflicker, von überraschend freiem Vortrage und geistvollem Humor; fein Hauptwerk, auch für
ihn groß (0,52:0,60 M.). Aehnlich bedeutend ist ein Marktschreier, in den Uffizien zu Florenz.
Ebenda befindet sich auch sein größtes Porträtbild, ihn mit seiner ganzen Familie darstellend.
Von. seiner Gattin Eurina van der Kok hatte er einen Sohn, der sein Schüler und Nach-
ahmer in der Kunst wurde, Willem van Mieris, zu Lehden 1662 geboren und 1747, also in
hohem Alter, gestorben. Er betrieb die Feinmalerei bis über die Gränze hinaus, jenseits deren sie
nothwendig geistlos und manieristisch werden muß. Auch der Kreis seiner Gegenstände schrumpfte
bedenklich ein. Er heiratete im Winter 1684 Agnes Chapman (gestorben im Winter 1744, nach
sechzigjährigem Ehestande), die ihm unter drei Kindern einen Sohn gebar, Frans van Mieris
i(den jüngeren) (1689—1763), mit dem die Kraft der Schule vollends erstarb. 11. U.
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