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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0251
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Bernardino Luini.
Als Lionardo da Vinci in hohem Alter nach Frankreich zog, um nie wiederzukehren, entstand
in Mailand eine gewaltige Lücke. Die begabtesten seiner Schüler hatten ihn begleitet oder waren
anderswohin berufen, nur die geringeren Geister unter ihnen, die ihn in keiner Weise ersetzen
konnten, waren in Mailand geblieben, und dort blieb seine Kunslweise herrschend; über seinen un-
mittelbaren Schulkreis hinaus äußerte sein Einfluß eine unwiderstehliche Macht. Sein treuester
Nachfolger, sein begabtester Nachahmer, der mit rührender Pietät jedes Blättchen von ihm sammelte,
nach seinen Skizzen malte und seine unfertigen Arbeiten vollendete, der sich so in ihn hineinlebte,
daß er bis in unsere Tage hinein mit seinem großen Vorbilde verwechselt wird, kann kaum sein
wirklicher Schüler genannt werden: Bernardino Lnini.
Freilich sind wir über feine Persönlichkeit noch vielfach im Dunkeln, nicht einmal sein Name
ist ganz klar. Statt Luini oder Lnino heißt er vielleicht richtiger Lovino. Doch soll auch dies
uur ein Beiname, von seinem Geburtsort nach der Landessitte entnommen, sein; seinen Vater
nennt man Giovanni Laterio. Nach jener Annahme wäre er von Luino, einem Dorf am
Ostrande des Lago maggiore, gebürtig; Andere verlegen seine Wiege nach Ponte am Luganersee.
Wann er geboren, weiß man eben so wenig mit Sicherheit anzugeben. Er hat sich zuerst in
Vercelli, der Heimat des Sodoma, aufgehalten, und als sein Lehrer wird Stefano Scotto
genannt. Nach Mailand kam er gegen 1500, ein ausgebildeter Maler von bereits begründetem
Ruf. Dieser Umstand und sein Selbstportrait auf einem Gemälde von 1525, auf dem er mit
weißem Haar und Bart, reichlich ein Sechziger, erscheint, lassen seine Geburt mit einiger Wahr-
scheinlichkeit um 1460 ansetzen. Vereinzelte Berührungspunkte mit der Raphael'schen Schule haben
an eine Reise nach Rom denken lassen; diese Annahme ist sehr gewagt, und die Anklänge sind durch
die leicht zu vermittelnde Kenntniß der Stiche Marc Anton's ausreichend zu erklären. Er hat, so
scheint es, sein Leben in der reizenden Natur seiner Heimat hingebracht, teren sanfte Schönheit
reinen Charakter bestimmt, und ihn zu dem „80av6 ^ittore", dem lieblichen Maler, gemacht hat.
Als 1524 Mailand von einer furchtbaren Pest verheert wurde, entwich Luini ans das be-
nachbarte Schloß der Herren Della Pelucca, wo er eine Kapelle ausmalte. Nach der Stadt
zurückgekehrt arbeitete er in der Kirche S. Giorgio in Palazzo. Ein unglücklicher Zufall — der
Geistliche der Kirche, der ihn auf dem Gerüste besuchte, stürzte durch eigne oder Luini's Unvor-
sichtigkeit hinab und gab den Geist auf — zwang Luini, sich der unberechenbaren Gerechtigkeits-
pflege der Spanier zu entziehen, und er wurde bei den Herren Della Pelucca schützend ausgenommen.
Er malte in ihren Kirchen und in einem benachbarten Kloster biblische und mythologische Scenen, bis
er — wenn die Sage recht hat — von Liebe zu einer Tochter des vornehmen Hauses ergriffen
wurde. Letztere erwiederte seine Gefühle, widersetzte sich einer Conventionsheirath und wurde zu
Lugano in ein Kloster gesperrt. Luini hatte seines Bleibens natürlich auch nicht länger, und floh
in's Veltlin, wo er über dem Portal der Kirche zu Ponte eine Madonna und einen heiligen Moriz
malte. Von dort begab er sich nach Lugano weiter, und die Sage führt aus, die Geliebte sei
vor Gram gestorben, ohne daß er sie habe Wiedersehen können. Die Geschichte dagegen weiß nur, daß
er an genanntem Ort in der Kirche Santa Maria degli Angeli außer anderen sein größtes und spätestes

Deutschlands Kunstschatze.tl.

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