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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0319
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I

Gerard Terburg.
Eine der glänzendsten Erscheinungen der holländischen Kunstgeschichte ist der Portrait- und
Genremaler Gerard Terburg oder richtiger eigentlich Terborch. Er wurde 1608 zu Zwoll
geboren und erhielt den ersten Unterricht iu der Kunst von seinem Vater, einem tüchtigen Maler,
der sich mehrere Jahre in Italien aufgehalten hatte und dem Sohn — im Gegensatz zu dem
seßhaften Rembrandt — seinen lebhaften Wandertrieb vererbte.
Um 1630 etwa ging der junge Künstler nach Haerlem, und wohnte dort bei einem Maler, den
der Gewährsmann dieser Nachricht, Houbraken, nicht näher mit Namen kennt. Es konnte kaum ein
anderer sein, als der größte der Haerlemer Maler, der lange Zeit vergessene und erst jetzt wieder zu
Ehren gekommene Frans Hals, der damals auf seiner höchsten Höhe stand. So geht Terburg's!
Kunst auf dieselbe Quelle wie die Rembrandt's zurück. Er entnahm seinem Vorbilde die wesentlich
malerischen Qualitäten, die einfache Natürlichkeit der Auffassung und die seine Färbung; und auch
ein Theil seines Stoffkreises, gerade der, den wir in ihm als fremdartig und abweichend empfinden,!
dessen er sich aber doch gelegentlich bis in spätere Jahre erinnerte, läßt die Einwirkung des FransI
Hals erkennen. Es sind die Vorwürfe, welche dem gewöhnlichen Leben der unteren Stände ent-!
nommen sind. Der Art ist eines seiner frühesten Bilder „Die Trictraespieler" in der Kunsthalle
zu Bremen. In kräftigerer und leuchtenderer Färbung lernen wir ihn auf derselbeu Fährte in
einem Bilde des berliner Museums kennen, der Innenansicht eines verfallenen Hofes mit der
Familie eines Schleifers; der Mann schärft, während der Eigenthümer wartend zusieht, eine Sense,
im Vordergründe reinigt die Frau den Kopf eines kleinen Mädchens von Ungeziefer. Einer ähn-
lichen Beschäftigung liegt — auf einem Bilde der münchener Pinakothek — ein halberwachsener
>Knabe bei seinem Hunde ob. Eine Frau, welche ihr Kind kämmt, — beim Baron van Steengracht
>im Haag — hat stets als eine Perle Terburg'scher Kunst gegolten. Aehnlichen Schlages und durch
seine räumliche Ausdehnung bedeutend ist das Innere einer Bauernstube mit trinkenden und rau-
chenden Männern, in der münchener Pinakothek. — Einen besonders interessanten Beleg für diesen
Zusammenhang mit Hals bietet aber das Bild eines alten Fischverkäufers in Lebensgröße, vom j
Jahre 1669, im Privatbesitz zu Oldenburg, dar. Der große Maßstab (der zwar auch in Bild-!
nifsen des Meisters vereinzelt vorkommt) und das späte Datum machen dies Bild besonders beweis-!
kräftig — Der nur noch im Stich bekannte Messerkampf würde sich dieser Sammlung von vul-
gären Motiven würdig anreihen.
Aber die große Welt, die der Meister noch junA in ungewöhnlich weitem Umkreise zu sehen
! bekam, machte ihn in seiner Richtung zu einem wesentlich Anderen, und zu dem, als der er vor-!
!

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