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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0252
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)22 Aünstlkr-Piographitn.
nachweisbares Bild malte (1529), und — daß 1530 sein Sohn Aurelio, ein talentvoller Maler
und ausgezeichneter Anatom, ein Manierist im Fahrwasser der römischen Schule, der 1593 starb,
'geboren wurde. Da noch ein zweiter Sohu Evangelista, ein berühmter Ornameutist, der 1584
noch lebte, ja vielleicht ein dritter, Pietro, ein Gehülfe Bernardino's, bekannt ist, so ist es der
Phantasie überlassen, sich den Lebensabend des Meisters in der pikantesten Weise auszumalen. Ge-
schichtlich verliert sich nach dem letztgenannten Bilde jede Spur von ihm.
Die Zeitgenossen schildern ihn als einen liebenswürdigen Mann, und dem entsprechen feine
Bildnisse Er war ungemein eifrig bei der Arbeit, wie denn seine Fruchtbarkeit in's Unglaubliche geht.
Seiu Ruf als Dichter kam zu seiner Zeit dem als Maler gleich. Auch beschäftigte er sich nach dem
Muster seiues großen Vorbildes mit der Theorie der Kunst. Ein „Drnttnto äelln pitturn" blieb
jedoch gleich seinen übrigen literarischen Arbeiten ungedruckt uud ist verschollen.
Sein Compositionstalent ist mäßig; es mangelt ihm an feinem Raumgefühl. Dagegen
hat seine Empfindung eine unglaubliche Tiefe; seiu Schönheitsgefühl hat ihn namentlich in seinen
weiblichen Figuren dem Lionardo angenähert. Es ist etwas bezaubernd Anmuthiges in seinen Köpfen.
Unter seinen Frauengestalten lassen sich zwei Typen unterscheiden: eine zartere, fast ätherische,
aristokratische Schönheit und eine völligere, kerngesunde, mehr ländliche. Sein Gedankenkreis war
nicht so groß, um ihn mit einem mäßigen Apparat von Charaktertypen in Verlegenheit zu setzen.
Ein paar meist weibliche Heilige, namentlich die heilige Katharina von Alexandrien, lieferten fast
den ganzen Stoffvorrath, dessen er außer einer beschränkten Auslese neutestamentlicher Vorwürfe —
-selten anderen als: der Tochter der Herodias mit dem Haupte Johannis des Täufers, der Ruhe auf
der Flucht nach Aegypten und der Madonna mit dem Kinde — bedurfte. Seine Ausführung ist sehr
ungleich; die zarteste, verschmolzenste Darstellung findet sich oft neben der flottesten Behandlung.
Luini ist in seinen Frescomalereien ungleich bedeutender und selbständig eigenthümlicher als
in seinen Tafelgemälden. Zu Mailand finden sich große Mengen der ersteren, darunter interessante
-Producte seiuer Frühzeit, vor. Unter den zahlreichen in das Museum der Brera versetzten
gilt Letzteres namentlich von den mythologischen und genreartigen Sujets. Seine reichste Kunstent-
saltung zeigen daselbst: die Scenen aus dem Lebeu der Maria; ferner das bedeutende Bild der hei-
ligen Katharina, die von Engeln zu Grabe getragen wird; endlich vor Allen, den Gipfelpunkt seines
Schaffens bezeichnend, das wundervolle Bild der heiligen Jungfrau mit dem Kinde zwischen dem Hei-
ligen Antonius, als Abt und der heiligen Barbara, nebst einem kleinen Engel, der die Laute stimmt.
„In solchen ruhigen Andachtsbildern," sagt Burckhardt, „wo ihn der Gegenstand vor der Regel-
! losigkeit schützte, ist seine Liebenswürdigkeit übermäßig."
Im October des Jahres 1521, von dem dieses Werk datirt ist, begann er das große Fresco
der Dornenkrönung bei der Brüderschaft der Santa Corona (jetzt die Ambrosianische Bibliothek) zu
Mailand, interessant wegen des Neichthums an Porträts. Er erhielt dafür die lächerliche Summe
von wenig über 115 lire äi mouetu. — Mannichfaltiger noch ist die Frescoausmalung der Kirche
S. Maurizio (oder Monasterio maggiore) zu Mailand, auf beiden Seiten der den Raum theilenden
Wand, besonders in der Katharinenkapelle, mit heiligen (namentlich weiblichen) Gestalten decorative
Malereien, Donatorengruppen rc. angemessen verbindend. In seiner Lieblingsheiligen unter dem
Schwert des Henkers soll er einer berühmten und berüchtigten Schönheit seiner Zeit, der Bianca
Maria Visconti, ein Denkmal errichtet haben. — Die bis vor wenigen Jahren außerdem noch
 
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