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Sturm, Leonhard Christoph
Leonhard Christoph Sturms Vollständige Anweisung, Alle Arten von regularen Pracht-Gebäuden nach gewissen Reguln zu erfinden, auszutheilen und auszuzieren: Benebst Einer gedoppelten Vorstellung der Sechs Ordnungen der Bau-Kunst ...; Daß demnach Dieses Werck des berühmten Nicolai Goldmanns gantzes zweyte Buch, und noch über dieses eine grosse Anzahl nutzlicher Verbesserungen und Vermehrungen mit darleget — Augspurg: Wolff, 1716 [VD18 12337129-001]

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https://doi.org/10.11588/diglit.63193#0016
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weiter Hergefloffen/ daß ich die Ordnungen Paarweiſe in die drey Saͤulen⸗Hoͤhen von 16.18. und 202
Modul habe austheilen / und alſo auch in dieſem Stuͤcke recht ordentlich einrichten koͤnnen.
Die Saͤulen⸗Stuͤhle machet Goldmann gantz anders / als die uͤbrigen Baumeiſter / welche dieſel-
ben bey denen zarten Ordnungen ſehr hoch und ſchlanck zu machen pflegen. Er machet den Wuͤrffel
allezeit cubiſch / das iſt / ſo hoch als breit / und den gantzen Saͤulen⸗Stuhl in allen Ordnungen nicht hoͤ⸗
her als 3. Mod. uͤber demſelben aber ſetzet er noch einen Unterſatz unter die Saule / ſo dick als der Wuͤrf-
fel iſt und ı. M. hoch Die Urſache dieſes Unterſatzes iſt / daß dadurch der Saͤulen⸗Fuß erhoben wird /
damit kein Glied deſſelben hinter denen weit herausſtehenden Gliedern des Deckels verſtecket werde.
Es werden aber viele der Meynung ſeyn / daß dieſe Saͤulen⸗Stuͤhle gar zu niedrig / und die groſſen Un-
terſaͤtze darauf gar zu ungeſchickt heraus kommen. Ich glaube aber / daß dieſes nur die Gewohn-
heit der hohen Saͤulen⸗Stuͤhl verurſachet. Ein Saulen⸗Stuhl ſoll allezeit / als ein Grund Bau ſolide
heraus kommen. Dieſes hilfft mit / einer Saͤulen ein ſchlanckes Anſehen zu machen. Da hingegen ein
hoher Saͤulen⸗Stuhl die Saͤule darauf mehr veraͤchtlich als zart machet. Weil man auch die Saͤu⸗
len⸗Stuͤhle an dem gantzen Gebaͤude herum meiſtens zuſammen zu hengen pfleget / daß ſie gleichſam ei-
nen continuirlichen Grund, Bau formiren/ ſo thut es in dem Fall noch einen beſſern Etkect in dem Au-
ge / wann die Saͤulen⸗Stuͤhle niedrig ſind. Die Unterſaͤtze aber / die man nicht zuſammen zu haͤngen
pfleget / erheben alsdann die Saͤulen ſehr Majeſtaͤtiſch. Wolte aber einer gantz und gar vor die hohen
Saͤulen⸗Stuͤhle ſtreiten / welches ihme doch ohnfehlbar vergehen wird / wann er beyderley Arten an el
nerley Gebaͤude appliciret und gegeneinander haͤlt / ſo kan er dem Unterſatz etwas abnehmen und dem
Wuͤrffel zu geben / den Überreft des Unterſatzes aber mit einer ablauffenden Flaͤche / nach dem Deckel
hinaus ziehen / wie Scamoꝛzi mit der Taffel des Saͤulen Fuſſes / mit viel wenigern Grunde thut / indem
dadurch die Taffel ein Stuͤck des Saͤulen⸗Stuhls zu ſeyn ſcheinet / wodurch der Fuß mangelhaft / und
die Saͤule verkuͤrtzet wird. Man koͤnte den Wuͤrffel 900. Theile breit behalten / 88. Theile hoch ma-
chen / ſo kaͤme die Breite gegen der Hohe wie 5. 6. und der Unterſatz wuͤrde nur 162. part. hoch. Man
probire nur / und mache eine Ehren⸗Pforte / zum Exempel mit vermiſcheten Wand⸗Pfeilern / Wand-
Saͤulen und frey ſtehenden Saͤulen zweymahl / nur daß an der einen hohe Saͤulen⸗Stuͤhle ohne Unter-
ſatz und an der andern Goldmanniſche mit Unterſaͤtzen gemachet werden / ſo wird man erſt den Unter-
ſcheid / und die Schoͤnheit dieſer erkennen. Es ſind ja Goldmannes Saͤulen⸗Stuͤhle / aus lauter guten /
und der Natur derſelben gemaͤſſen Verhaͤltniſſen gerechnet / wie koͤnnen ſie denn uͤbel heraus kommen;
zu geſchweigen / der guten Vortheile die ſie vor andern in der Invention, als zum Exempel bey Arcaden
und dergleichen zuwege bringen.


Goldmann gar noch andere gantz niedrige Saͤulen⸗Stuͤhle gerechnet / welche keine Unterſaͤtze haben /
nur 4. M. hoch / und an dem Wuͤrffel breiter als hoch / im uͤbrigen aber mit wenigen Gliedern gezie-
ret ſind. Es iſt gewiß / daß die groſſen Saͤulen⸗Stuͤhle bißweilen die Saͤulen 1 ſehr erheben / und ſo
viel an dem Gebaͤude einnehmen / daß die Saͤulen dadurch ein zimliches veraͤchtlicher werden. Se-
tzet man aber niedrige Saͤulen⸗Stuͤhle unter / ſo ſcheinen dieſe nur ein Fuß des Gebaͤudes zu ſeyn / ſie
erheben die Saͤulen / machen ſie aber ſo viel anſehnlicher / weil ſie ſelbſt dabey / wegen ihres ſchlechten
Anſehens gleichſam in keine Conſideration kommen. Doch kommt es auch in einigen Faͤllen nicht heß-
lich heraus / wann man ein Gebaͤude / da freyſtehende Saulen gebraucht werden / auf einem Grund⸗Bau
erhoͤhet / der die Proportionen und Glieder des kleinen Saͤulen⸗Stuhls hat / und eben doch darauf noch


le zu tadeln / vielmehr befinde ich ſo viel bequemes und ſchoͤnes / bey der Abwechſelung / der groſſen und
kleinen Saͤulen⸗Stuͤhle unſeres Auctoris, daß ich leicht behaupten wolte / daß eben dadurch die Bau-
Kunſt um ein gutes reicher an Ilnventionen worden. 5

Endlich iſt des vornehmſten Nutzens nicht zu vergeſſen / den dieſes Werck verſpricht / und auch voͤl⸗
lig halten kan; daß nemlich ein Lehrling daraus ſo weit in der Architectur kommen kan / daß er in der
Invention und Anordnung regularer Gebaͤude ſicher mit dem geuͤbteſten Architect, dem von dieſem
Werck nicht bewuſt iſt / certiren und ſich gewiß verlaſſen kan / daß er in Anordnung der Dicke und in
Verduͤnnung der Mauern / in Anordnung der Thuͤren / Fenſter / Camine / und in Austheilung der Zim-
mer keine Fehler begehen koͤnne / wann er ſich nur genau an die Reguln zu inventiren haͤlt / die ihme in


meine Invention ohne zu probiren oder einen Circkul anzuſchlagen / bloß durch rechnen machen / hernach
daß ich dieſe in einer gewiſſen Ordnung / ohne mich im geringſten zu contundiren / ſo offt als moͤglich
iſt variiren / auch beſtimmen kan / wie offt man varüren koͤnne. ; 1


anmaſſe / ſondern als eine freywillige Gabe GOttes erkenne / und meiner eigenen Geſchicklichkeit nicht

das geringſte davon zuſchreibe. Hat demnach jemand Nutzen hiervon / ſo vergeſſe er nicht mit mie

Gott den Geber alles Guten davor zu preiſen / und alles zu ſeinen Ehren / und in 1 5
aufrichtiger Lebe zu des Nachſten Nutzen anzuwenden. .

An-


 
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