Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vermeer van Delft, Jan; Goldscheider, Ludwig [Hrsg.]
Johannes Vermeer: Gemälde; Gesamtausgabe mit Einleitung, Katalog, Signaturen-Tafel, 83 einfarbigen und 34 farbigen Wiedergaben — Köln, 1958

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51036#0012
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sichtig und so überzeugend, daß man sich wundern durfte, warum man bisher
diesen magischen Maler mit solch nüchtern-tüchtigen Kleinmeistern wie Mieris
und Metsu in eine Reihe gestellt hatte. Trotzdem vergingen noch Jahrzehnte,
bevor Vermeer allgemein als „der Paradiesvogel im Hühnerhof der hollän-
dischen Malerei“ erkannt wurde.
Als Jacob Burckhardt im Jahre 1874 seine drei Vorträge „Über die nieder-
ländische Genremalerei“ hielt, da bemerkte er, Houbraken habe in seiner
„Schouburgh“ Hobbema und Hooch mit Stillschweigen übergangen; Vermeer
aber fehlte Burckhardt nicht. Er tadelte sogar „die überschätzten Einzelfiguren
des Deutschen Meer: Briefleserin, Briefschreiberin und ähnliches“; dagegen lobte
er als Vermeers bestes Werk das „Familienbild“ in der Wiener Akademie
(welches in Wirklichkeit von Pieter de Hooch ist) und sprach gerade hier von
der „Magie, durch welche Van der Meer uns zum Mitleben zwingt“.6 Fromentin,
in seinen „Maitres d’autrefois“ von 1876, hat von Vermeer nicht viel zu sagen;
außer, daß dieser Maler sogar seinen Landsleuten als ein Sonderling erscheine
(“il a des cötes d’observateur assez etranges”) und daß er in Frankreich so gut wie
unbekannt sei (zehn Jahre nach Bürger-Thores Aufsätzen, die Fromentin offen-
bar nicht gelesen hatte). Doch erwähnt er ein paar Seiten weiter einen jungen,
von Vermeer inspirierten Maler ohne ihn mit Namen zu nennen (wahrschein-
lich meinte er Pissarro). Fromentin sagt, daß die Zeichnungen, Radierungen
und Gemälde dieses von ihm ungenannten begabten Künstlers eher den Einfluß
von Vermeer zeigten als den von Ruisdael. Die französischen Maler begannen
Vermeer zu entdecken.
Zwei Jahre später schrieb Vermeers Landsmann Van Gogh an seinen Freund
Bernard über Vermeers Briefleserin in Blau im Amsterdamer Museum: „Kennst 44
du einen Maler namens Vermeer? Er hat die würdevolle und schöne Figur einer
schwangeren Holländerin gemalt. Die Farbenskala besteht aus Blau, Zitronengelb,
Perlgrau und Weiß. Es ist wahr, in den wenigen Bildern, die wir von ihm haben,
kann man alle Farben der Palette finden; aber es ist eben doch charakteristisch für
ihn, daß er Zitronengelb, ein stumpfes Blau und ein helles Grau kombiniertt so wie
Velazquez Schwarz, Weiß, Grau und Rosa zu einer Harmonie bindet. . . . Die

(Paris, 5. Dezember 1892) befanden sich noch drei Ge-
mälde von Vermeer (Tafeln 39, 78 und 79). Das soge-
nannte „Selbstbildnis Vermeers“, das Bürger-Thore
besessen hatte, kam vor 1900 in die Sammlung Porgis
in Paris und wurde dort als ein Werk von Cornelis de
Man erkannt.

6 In denselben Vorträgen konnte man hören,
Adriaen van Ostade sei „im Licht viel schöner als
Rembrandt, der Abgott der genialen und nichtgenialen
Schmierer und Skizzisten“; und schließlich wurden von
Burckhardt „zwei ganz große Meister“ genannt: Ter-
borch und Metsu.

(9)
 
Annotationen