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Liebermann, Max; Galerie M. Goldschmidt & Co. (Frankfurt am Main; Berlin)
Max Liebermann: Werke aus Frankfurter Privatbesitz : Sonderausstellung, Dezember 1927 — Frankfurt a.M.: Galerie M. Goldschmidt & Co., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.70683#0008
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inneren Nötigung. Anders bei Liebermann, dem seine Ent-
wicklung zu einer persönlichen Tugend wird, da sie Ergebnis
strengster Selbstzucht ist, Resultat einer gewaltigen Anstrengung
von Entschluss und Disziplin, um von der Erkenntnis aus
die Fähigkeit der modernen Wahrnehmungsweise zu erringen.
Max Liebermanns erstes Auftreten als Künstler fällt in
die Jahre kurz nach dem deutsch-französischen Kriege. Gegen
seinen Willen verwickelt in das Für und Wider künstle-
rischer Parteikämpfe, gehörte er damals zu den umstrittensten
Persönlichkeiten der deutschen Malerei, wobei seine Gegen-
spieler nicht etwa Leibi, Böcklin, Thoma, Feuerbach oder
Marees waren, denn von diesen wollte man ja gleichfalls nichts
wissen. Es war die Zeit, in der die deutsche Malerei sich
bemühte, durch allegorische Idealisierung einer geschichtlichen
Vergangenheit das Bewusstsein der jüngst verwirklichten
deutschen Einigung zu verherrlichen. Die Historienmalerei
galt als der Gipfel der Kunst. Sie hatte man auf den Thron
der durch die aufgeklärte Zeit in Ungnade gefallenen reli-
giösen Malerei erhoben. Die ewigen Gesetze der Schönheit
hielt man für wiedergefunden und lebte im Glauben an eine
neue grosse deutsche Renaissance. (Anton v. Werner wurde
zum Direktor der Berliner Akademie ernannt).
Diese engen Schranken eines romantischen, sieggeborenen
künstlerischen Nationalismus zu sprengen, waren nur wenige
Geister fähig. Es waren die kosmopolitischer Gesonnenen,
die frei genug waren, deutsche Kunst im Zusammenhänge
der übrigen europäischen Kunst zu werten. Liebermann hat
zu Beginn seiner Laufbahn viele Anregungen aus der grossen
europäischen Malerei in sich aufgenommen. Er hat von
Munkaczy, Millet und Courbet, von Israels und Menzel, vor
allem aber von Franz Hals und den anderen, ihm geistes-
verwandten Niederländern gelernt. Dass er dabei ein Eigener
geblieben ist, liegt wohl daran, dass er sich nie auf die
Leistungen der Anderen berufen hat, nie vorhandene
Form unverändert zu ergreifen sich begnügte, vielmehr mit
den Erkenntnissen der Anderen stets von vorne angefangen
hat. In gleicher Weise blieb er in seinen eigenen Leistungen
nicht bei dem Erreichten stehen, immer wieder hat er das
eben Gewonnene nur als zu überwindende Stufe des Kom-
menden angesehen, sich immer neuen Problemen zugewandt.
So auch sind seine häufigen Wiederholungen des gleichen
Themas nicht verschiedene Fassungen eines und desselben,
 
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