Handschriften die evangelischen Bilderreihen, und von alttestamentarischen
Erzählungen ist uns nichts überliefert, denn auch die Makkabäerdarstellungen
in Leyden weisen auf die ältere Kunst zurück. Auf den Deckeln der Hand-
schriften dagegen treten an Stelle der vielerlei Szenen mehr die einfach re-
präsentativen Darstellungen wie der thronende oder der gekreuzigte Christus.
Es ist dies schwerlich ein bloßer Zufall. Vorhanden war die Fassung der
bildlichen Wiedergabe des Neuen Testamentes auch in der Karolingerzeit,
aber man empfand sie vielleicht als eine Störung der Lektüre des heiligen
Textes bei den kirchlichen Handlungen, denen diese Bücher dienten, und
erst die ottonische Zeit kannte solche Bedenken nicht mehr. Der Ernst
des Bildungstriebes und die Strenge in Kritik und Urteil, die uns aus der
Literatur vor allem der Zeit Karls des Großen, entgegentritt, weicht nach
der Mitte des zehnten Jahrhunderts einem mehr äußerlichen Bedürfnis nach
allgemeiner Weltkultur, bei der die ästhetische Verpflichtung eine bedeutende
Rolle spielte. Es geschieht dies nicht ohne Zusammenhang mit der Idee des
römischen Reiches deutscher Nation und mit einer Annäherung an das ost-
römische Reich, an Byzanz.
So ist es auch die Zeit, wo wir zuerst von einer deutschen Buchillustra-
tion sprechen können, zu der nicht fast ausschließlich die Klöster Englands
und der fränkische Hof die Vermittlung der alten Vorbilder übernahmen,
sondern wo ein direktes Heranziehen von altchristlichen oder byzantinischen
Vorbildern und ein selbständiges Anpassen und Umformen für die
eigenen Bedürfnisse und den eigenen Geschmack stattfand, und man
von einer deutschen Kunst, einem deutschen Stil sprechen kann, dem
Frankreich in derselben Zeit nichts Entsprechendes gegenüberzu-
stellen hat.
Für die Geschichte dieser Kunst ist die bedeutsamste Stelle die Schreibstube
des Klosters auf der Reichenau, jener freundlichen Insel im Bodensee, die
für eine Vermittlung des Südens mit dem Norden als Etappe auf den Rom-
reisen der Kaiser nach allen Seiten ihre Beziehungen hatte und schon in karo-
lingischer Zeit unter den alemannischen Missionsstätten neben St. Gallen an
erster Stelle stand. Jetzt wurde sie auch Sitz der kaiserlichen Kanzlei,
und so lag es nahe, daß der Klosterschatz besonders wertvolle Stücke barg,
und daß dort am leichtesten ein kaiserliches Geschenk niedergelegt sein mochte.
Eine Gruppe Reichenauer Erzeugnisse, deren erste umfassende kritische
Beurteilung wir der Arbeit Wilhelm Vöges, und deren Lokalisierung auf
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Erzählungen ist uns nichts überliefert, denn auch die Makkabäerdarstellungen
in Leyden weisen auf die ältere Kunst zurück. Auf den Deckeln der Hand-
schriften dagegen treten an Stelle der vielerlei Szenen mehr die einfach re-
präsentativen Darstellungen wie der thronende oder der gekreuzigte Christus.
Es ist dies schwerlich ein bloßer Zufall. Vorhanden war die Fassung der
bildlichen Wiedergabe des Neuen Testamentes auch in der Karolingerzeit,
aber man empfand sie vielleicht als eine Störung der Lektüre des heiligen
Textes bei den kirchlichen Handlungen, denen diese Bücher dienten, und
erst die ottonische Zeit kannte solche Bedenken nicht mehr. Der Ernst
des Bildungstriebes und die Strenge in Kritik und Urteil, die uns aus der
Literatur vor allem der Zeit Karls des Großen, entgegentritt, weicht nach
der Mitte des zehnten Jahrhunderts einem mehr äußerlichen Bedürfnis nach
allgemeiner Weltkultur, bei der die ästhetische Verpflichtung eine bedeutende
Rolle spielte. Es geschieht dies nicht ohne Zusammenhang mit der Idee des
römischen Reiches deutscher Nation und mit einer Annäherung an das ost-
römische Reich, an Byzanz.
So ist es auch die Zeit, wo wir zuerst von einer deutschen Buchillustra-
tion sprechen können, zu der nicht fast ausschließlich die Klöster Englands
und der fränkische Hof die Vermittlung der alten Vorbilder übernahmen,
sondern wo ein direktes Heranziehen von altchristlichen oder byzantinischen
Vorbildern und ein selbständiges Anpassen und Umformen für die
eigenen Bedürfnisse und den eigenen Geschmack stattfand, und man
von einer deutschen Kunst, einem deutschen Stil sprechen kann, dem
Frankreich in derselben Zeit nichts Entsprechendes gegenüberzu-
stellen hat.
Für die Geschichte dieser Kunst ist die bedeutsamste Stelle die Schreibstube
des Klosters auf der Reichenau, jener freundlichen Insel im Bodensee, die
für eine Vermittlung des Südens mit dem Norden als Etappe auf den Rom-
reisen der Kaiser nach allen Seiten ihre Beziehungen hatte und schon in karo-
lingischer Zeit unter den alemannischen Missionsstätten neben St. Gallen an
erster Stelle stand. Jetzt wurde sie auch Sitz der kaiserlichen Kanzlei,
und so lag es nahe, daß der Klosterschatz besonders wertvolle Stücke barg,
und daß dort am leichtesten ein kaiserliches Geschenk niedergelegt sein mochte.
Eine Gruppe Reichenauer Erzeugnisse, deren erste umfassende kritische
Beurteilung wir der Arbeit Wilhelm Vöges, und deren Lokalisierung auf
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