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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Editor]; Weitzmann, Kurt [Editor]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 2): Reliefs — Berlin: Bruno Cassirer, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.53147#0025
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BYZANTINISCHE ELFENBEINSKÜLPTUREN


Triptychon-Gruppe vorhanden gewesen sein. Wann sie zuerst auf-
kommt, ist nicht zu bestimmen, da die Staurothek des Nike-
phoros nicht die erste Arbeit gewesen zu sein braucht, denn die
besten Stücke (Nr. 78) gehen den guten der Romanos-Gruppe
um 930 qualitativ parallel, und eine Reihe von Beziehungen zur
malerischen Gruppe, die der Romanos-Gruppe fehlen, könnten auf
noch frühere Entstehung hinweisen. Auch die Reliefs Nr. 89 und
90 enthalten manche Eigentümlichkeiten, die auf frühere Zeit zu-
rückdeuten, ebenso wie auch eine Goldmünze des Konstantin Por-
phyrogennetos (Abb. 7) schon den Nikephoros-Stil zeigt.
Mit der Romanos-Gruppe verbindet sie der Reliefstil, der genau
derselben Tendenz folgt, sich dem antiken Relief anzuschließen
und mit scharfer Begrenzung des Umrisses und der Einzelmotive
eine mittelhohe, sorgfältig modellierte Plastik zu verbinden. Darin
steht auch diese Gruppe der malerischen diametral gegenüber,
dagegen übernimmt sie von ihr allerlei figürliche und ornamen-
tale Motive im Gegensatz zur Romanos-Gruppe, so die Baldachine
(Nr. 78, 82, 83, 101 usw.), die Akanthus-Akroterien und Palmetten
(Nr. 77, 78, 82, 83), die bald zu einer schilfartigen Form degene-
rieren (Nr. 84, 85, 91, 101, 102, 104,
106, 107), manche mehr antikische
und kontrapostische Stellungen und
Bewegungen, besonders in den Kreu-
zigungsdarstellungen mit der ausge-
bogenen Ghristusgestalt (Nr. 83, 101,
io3, io4) und der Gewandgeste der
Maria, ähnlich wie Nr. 6, vor allem
aber in den volleren weicheren rund-
backigen Kopftypen mit großen Augen
und vollen Lippen und der Behand-
lung der Haare in gleichmäßiger
Schraffierung der rundlich abge-
schlossenen Haarlocken, während bei
der Romanos-Gruppe eine ungleich-
mäßigere, mehr flammenartige Gestaltung an antike Vorbilder er-
innert. Auch ist die Zweckverwendung eine reichere, denn neben
den Triptychen kommen eine größere Zahl von einfachen Ikonen
und auch mehrere Buchdeckel vor, vereinzelt auch ein Diptychon
und eine Staurothek. Dementsprechend sind auch die Themata
vielseitiger vorhanden. Außer den rein hieratischen Andachts-
bildern wie dort ist auch die Geburt Christi, die Mission Christi
an die xApostel, die Himmelfahrt, das Jüngste Gericht und ein
ganzer Festzyklus vertreten.
Am deutlichsten zeigt sich die Verschiedenheit von der Romanos-
und der Triptychon-Gruppe in den Kopftypen. Sie sind runder
und voller mit breiter, oft plumper Nase, volleren Lippen, großen
abstehenden Ohren. Haar und Bart sind schärfer von der Ge-
sichtsfläche abgegrenzt, bei Christus sind sie kappenartiggeschlossen
um den Kopf, die Ohren überdeckend, und mit Parallellinien schraf-
fiert, bei jugendlichen Köpfen und Engeln meist durch eine vom
Scheitel ausgehende, sich quer schlängelnde Locke über der Stirn
abgeschlossen. Der Nimbus Christi bildet durchweg wie bei den
beiden andern Gruppen eine Art Fabrikmarke, die Scheibe ist glatt,
nur mit einer feinen Doppellinie umzogen, und die Kreuzarme
darin haben nur in der Mitte eine Perlenschnur. Man vergleiche
die Halbfigur des Pantokrators auf Nr. 91, 92, 93, 100 etc. mit dem
der Romanos- und der Triptychon-Gruppe Nr. 33, 34, 53, 55,
14G—148, 153 etc., und man wird sofort den großen Unterschied
zwischen dem weicheren, freundlicheren, geschlossenen Kopf und
dem schärfer gezeichneten, strengeren und etwas mißvergnügten
mit bewegterer Silhouette der Romanos- und der Triptychon-
Gruppe bemerken. Nur das große Balkenkreuz haben sie beide als
Nimbus, aber auch hier mit dem Unterschied, daß ein einfacher
und ein doppelter Streifen der sonstigen einfachen oder doppelten
Perlenreihe entsprechen. Nur Nr. 94 bildet darin eine Ausnahme,
wie es auch in den Akroterien eine Entlehnung von der Tripty-
chon-Gruppe zeigt. Dasselbe Resultat ergibt eine Gegenüberstellung


Abb. 7. Goldmünze des Konstantin
Porphyrogennetos. London, Brit. Mus.

der Hodegetria (Nr. 78, 82, 87, 87 a) mit derjenigen auf Nr. 46—5o,
76, 129, 131 —133, 142. Hier bemüht sich zwar auch die Triptychon-
Gruppe im Gegensatz zur Romanos-Gruppe, der Mutter Gottes ein
milderes volkstümlicheres Aussehen zu geben, aber die Formen
der Nikephoros-Gruppe sind noch breiter, die Lippen voll statt der
feineren Mundlinie der Triptychon-Gruppe, und die breitere Nase
ebenso wie bei Christus ohne die stark emporgezogenen Nasen-
flügel, welche die beiden anderen Gruppen stets zeigen. Von der
Hodegetria als Standbild gilt dasselbe. Auch unterscheidet sie sich
dadurch, daß sie ihr rechtes Bein als Spielbein leicht gebeugt hat,
während bei denen der Romanos- und der Triptychon-Gruppe es
stets das linke ist, also auf der Seite, auf der sie das Kind hält,
was gegen die Gewohnheit der Antike verstößt, wo die Last über
dem Standbein ruht. Im allgemeinen wird in der Nikephoros-
Gruppe die stärkere Frontstellung des Kopfes gegenüber den an-
deren Gruppen bevorzugt, sowohl bei der Halbfigur dei' Hodegetria
wie bei den Heiligen der Flügel im Gegensatz zur Halbprofilstellung
bei der Triptychon-Gruppe. Dies Frontprinzip herrscht auch bei
der thronenden Mutter Gottes mit dem Kind auf dem Schoß Nr. 79
und dem schwächeren Exemplar Nr. 82, welches deshalb von be-
sonderer Wichtigkeit ist, als es eine Kreuzigungsdarstellung zum
Gegenstück hat (Nr. 83) und dementsprechend als Buchdeckel-
schmuck gelten kann.
Es herrscht in der Nikephoros-Gruppe, wie es scheint, nicht der
gleiche hieratische Zwang wie bei der Romanos- und der Tripty-
chon-Gruppe ; so bringt sie die Kreuzigung in verschiedenen Ver-
sionen (vgl. hierfür Taf. XXXVIII, XXXIX und XL). Zu unter-
scheiden von der Romanos- und den besseren Stücken der Tri-
ptychon-Gruppe ist auch die Behandlung der Augen, die weniger
durchgebildet sind als dort, wo die Pupille groß und tief ausgesto-
chen und die Iris auch von dem übrigen Augapfel abgegrenzt ist. In
der Nikephoros-Gruppe ist der Augapfel als Ganzes geformt und
nur die Pupille deutlich vertieft. Aber auch dies nur bei den besten
Stücken wie Nr. 77, 78, 79, 84, 91, 92, bei den übrigen dagegen
fällt sie ganz fort oder ist kleiner, oft nur als Punkt angedeutet.
So hat auch das Otto-Relief Nr. 85 keine Andeutung der Iris oder
Pupille. Es ist dies also nicht als ein zeitliches Kriterium zu be-
nutzen, sondern nur zur Verteilung auf verschiedene Hände, ebenso
wie die Gewandbehandlung, die zuweilen gleichmäßig dichte
plastische Faltenzüge, zuweilen größere Trennung derselben von
glatten Flächen zeigt, zuweilen aber auch auf eingeschnittene Linien
reduziert wird. Auch dies kann nicht unbedingt verschiedenen
Zeitstufen, sondern eher einer Qualität des Schnitzers zugeschrie-
ben werden.
Kleinere besondere Merkmale dieser Gruppe sind ferner, daß der
Golgathahügel, der in der Romanos-Gruppe eine zackig zerklüftete
Bodenmasse zeigt und in der Triptychon-Gruppe zu einermuschel-
artigen Form zusammengeschrumpft ist, hier einem faltigen Tuch
gleicht, das einen Schädel umschließt. Die Engelsflügel zeigen Federn,
die gelappten Blättern gleichen, während sie bei der Romanos-Gruppe
Palmzweigen ähnlich gefiedert und in der Triptychon-Gruppe
spitzig, oft rautenförmig ausgeführt sind. Die Rückseite der Flügel
schmückt das Kreuz ohne Sockel, mit vorgelegten Disken oder
Rosetten vor allen Kreuzarmen (Nr. 78b, Taf. LXIII, Nr. 53, 111).
Diese Rosetten weichen in ihren rundlichen Blättern ab von denen
der Rosettenkästen, und auch der Figurenstil zeigt, daß keiner der
Kastentypen in den Werkstätten der Gruppe entstanden ist.
Wie die Nikephoros-Gruppe retrospektiv noch manche Beziehun-
gen zur malerischen Gruppe zeigt, so führt sie in ihren Ausläufern
zur Rahmengruppe hinüber und mündet damit wieder in eine
mehr malerische Art und Weise. Man vergleiche z. B. Nr. 118, die
Geburt Christi mit derjenigen der Rahmengruppe Nr. 198. Wie
hier die starken Bodenlinien, so treten bei der Koimesis (Nr. 116)
mißverstandene Architekturlinien im Hintergrund auf, die schon
solche in der Rahmengruppe (Nr. 206) zur Voraussetzung haben,
so daß die beiden Gruppen im 11. Jahrhundert sich zeitlich schon
überschneiden und ineinanderfließen. Das in der Rahmengruppe
 
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