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Gothein, Marie Luise
William Wordsworth: sein Leben, seine Werke, seine Zeitgenossen (Band 1) — Halle a.S., 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.16635#0053
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liehe Eindrücke, wie der Körper eines Gehenkten und
die öde Natur, schrecken ihn. Er trifft jene vagabundie-
rende Frau, die in der Heimat Vertreibung und Armut,
bei der Überfahrt nach Amerika entsetzliches Elend und
Krankheit und in der neuen Welt alle Schrecken des
Hungers und der Todesangst erlitten hat — ein merk-
würdiges Gegenstück zu den Ideen, die damals Cole-
ridge hegte, der drüben das Traumland des Menschen-
glückes zu finden hoffte. Voll Mitleid vergifst der edle
Mörder für kurze Zeit das eigene Elend, um gleich dar-
auf durch die Brutalität eines Vaters, der seinen Knaben
fast zu Tode prügelt, an die eigene rohe That erinnert
zu werden. Als er zum Schlüsse auch noch sein ster-
bendes Weib trifft, das ihm mit einem letzten Blick der
Liebe vergiebt, ist das Mafs seiner Schuld aber auch seines
Leidens voll. Er geht gleich Karl Moor nach Amalias
Tode hin, um seinen Richterspruch und seine Strafe zu
empfangen.

Ein Bild des menschlichen Elends reiht sich hier an
das andere; und überall tritt die eigene Schuld des Ein-
zelnen zurück vor dem Unrecht, das fremde Gewalt an
ihm verübt. Es geht durch dieses Gedicht die Klage und
die Entrüstung darüber, „wozu der Mensch den Menschen
gemacht hat", wie Wordsworth in gereifterer Zeit es
einmal ausspricht. Es atmet aus jeder Zeile der finstere
und entschlossene Pessimismus, der sich ihm an den Ufern
der Loire, in den Strafsen von Paris und London wie
auf seinen einsamen Wanderungen in dürftigen Gebirgs-
gegenden bei der Beobachtung des verwahrlosten niederen

wufste Anlehnung schliefsen dürfte. Jedenfalls ist der Eiuflufs
der Eäuber stärker gewesen.

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