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Gothein, Marie Luise
William Wordsworth: sein Leben, seine Werke, seine Zeitgenossen (Band 1) — Halle a.S., 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.16635#0267
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— 249 —

die Nichtigkeit der Fabel gezeigt. Sobald der Kritiker
aber sein Urteil durch Citate belegen will, spielt ihm sein
eigener guter Geschmack einen Streich. Es geht ihm wie
Bileam, dem verwirrten Propheten: er geht aus zu fluchen
und mufs segnen. Bei jedem weiteren Citate gerät er
mehr in Bewunderung, bis er sich zum Schlufs wider
Willen die Anerkennung abgerungen sieht: „Niemand kann
geneigter sein als ich, den grofsenFähigkeiten von Mr. Words-
worth Gerechtigkeit angedeihen zu lassen", der er freilich
sofort die läppische Bemerkung hinzufügt, .... „doch was
anders als die elendeste, herausforderndste Verkehrtheit
des Geschmackes konnte ihn dazu bewegen, zum Advokaten
seiner Weisheit einen Hausierer zu wählen."

Mit ernsterem Tone, doch auch witzloser schlössen
sich diesem Heerbanne einige kleinere Zeitschriften an. Die
Monthly Review tadelt besonders die Ernsthaftigkeit, mit
der Wordsworth ohne Metapher oder Fabel von einer
Beseelung der Natur rede: Er könne doch nicht annehmen,
dafs der nicht inspirierte Leser einer solchen Manie folgen
werde. Kaum je ein Einwurf zeigt klarer, wie sehr Words-
worth sich sein Publikum erst erziehen mufste, aber auch,
wie er es erzogen hat. Aus anderem Lager kamen auch
andere Vorwürfe. Die frommen Kreise, die sich an dem
hohen moralischen Tone des Werkes wohl erbauten, stiefsen
sich doch daran, dafs die religiösen Beden zu wenig
christlich gefärbt waren, hatte docli schon Lamb dem
Dichter scherzend zugerufen: „A propos, sind Sie ein
Christ? oder ist es der Hausierer, oder der Einsiedler?"
Ganz besonderen Anstofs erregte die Einleitung. Der
Dichter hatte in ihr die Muse angerufen, ihm bei seinem
Werke beizustehen, und jedenfalls im Gegensatz zu Milton
hatte er sein Ziel dahin entwickelt:
 
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