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SECHSTES KAPITEL, m m m m
DIE AESTHETISCHE GESTAL-
TUNG DES BUCHINNERN UND
DAS ORNAMENTALE IN DER
BUCHAUSSTATTUNG, m m m

enn wir einmal ernst und gewissenhaft über Zweck und Bedeutung' der


V V Bücher nachdenken, so werden wir in erster Linie uns sagen müssen,
dass der g-eistig-e Inhalt eines Buches die Hauptsache am Buche ist, ja recht
eig-entlich des Buches Wesenheit ausmacht, und dass das Aeussere am Buche
nur die Schale ist, in dem uns der Geist dargereicht wird. Es ist jedoch
mindestens ebenso unwürdig, geistige Kostbarkeiten in rohem und hässlichem
Gewände zu überreichen, wie herrliche Speisen in irdenen Töpfen zu ser-
vieren; ja wer eine wahrhaft tiefe und heilige Achtung vor Kunstwerken
empfindet, wird um so nachdrücklicher ihre Darbietung in gediegener und
feierlicher Weise fordern.
Aber die Art der Darbietung darf auch wiederum nicht pathos-
geschwollen, überschwänglich und aufdringlich sein. Weise Diskretion und
zurückhaltende Bescheidenheit müssen sie kennzeichnen; die Bedeutung des
Manuellen am Buche ist der Rolle des menschlichen Körpers wesensverwandt,
es ist das tragende Gefäss des schaffenden Geistes und hat keinen Selbstzweck.
Das Buch ist nicht für die Schaufensterreklame geschaffen, es ist nicht
dazu da, um aufzufallen und um zu blenden durch farbensatte Titel-
bilder, es ist dazu da, uns geistige Kostbarkeiten zu vermitteln.
Bei uns zu Hause steht das Buch in Reih und Glied mit vielen anderen,
nur den Rücken nach aussen gekehrt und die Vorder- und Rückseite unsichtbar;
auf der Strasse tragen wir das Buch in der Hand und müssen schonungslos
über die illustrierten Titelblätter mit unseren Händen greifen; dasselbe ist
beim Lesen oft unvermeidlich. Ferner aber stossen sich die Ecken und
Kanten der dünnen Heftumschläge leicht ab[, ja sie reissen bald ein: die
Zeichnung wird verwischt, unkenntlich und verfällt der Vernichtung.
Aber wir haben hier gar nicht über die Existenzberechtigung des illu-
strierten Buchumschlags [zu streiten, denn er ist nun einmal vorhanden, und
wir haben mit ihm zu rechnen; dass er im eigentlichen Sinne unzweckmässig
ist und lediglich ein Reklamemittel, das kommt hier nicht in Betracht.
Wir können nur, nachdem er so weite Verbreitung und Anwendung ge-
funden hat, ihn einzuschränken suchen und in stilgemässe Bahnen zu lenken
trachten, indem wir die dieser Buchdekorierungsart innewohnenden Gesetze
herausschälen, nach ihnen die bisherigen Erscheinungen auf diesem Gebiet
beurteilen und ferner auf diese Gesetze als elementare Grundsätze für alle
sich hier Bethätigende ausdrücklich hinweisen.
Ausserdem haben wir ja im vorigen Kapitel gesehen, dass auf diesem
Felde viele erfreuliche, ja sogar manche sehr bedeutende und hochzuschätzende
Blätter geschaffen worden sind, die ihren Wert niemals einbüssen werden.
 
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