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Entwickelung der modernen Buchkunst in Deutschland.

karolingischen Kapital- und Uncialschrift zu erkennen, deren Vorbilder wieder-
um direkt die römischen Denkmalschriften waren. Wenn wir die alte römische
Kapitalschrift, die nur Majuskeln d. h. grosse Buchstaben enthält, mit unserer
heutigen Antiquatype vergleichen, so werden wir erstaunen über die un-
geheuere Gleichheit beider Schriftkörper. Die alten römischen Typen lassen
in ihrem monumentalen Charakter klar erkennen, wie sie mit dem Meissei in
den Stein gehauen sind; aber auch unsere heutige Antiqua zeigt denselben
monumentalen Charakter und erinnert ganz besonders in den Majuskeln in
ihrer steifen, eckig'en und unbiegsamen Art noch sehr an die alte Steinschrift;
die Minuskeln, die der lateinischen Uncialschrift entstammen, sind dagegen
heute abgerundeter und mit mehr Schwung durchgeführt und weitergebildet.
Die Majuskeln der heutigen Antiquaschrift sind durchaus nicht von abgewogener,
flächendekorativer Wirkung; ihre Steifheit einerseits und andrerseits ihr ganz
architektonischer Charakter lassen niemals ein ruhiges und geschlossenes
Satzbild entstehen. Die unten offenen P, F, T und ganz besonders das oben
offene L lassen fortwährend weisse Flächen entstehen, die den Anschein er-
wecken, als wäre der Abstand der einzelnen Buchstaben von einander
ungleich.
Mit dieser Frage hat sich Rudolf von Larisch sehr eingehend beschäftigt.
Larisch beantwortet die Fragte, wann erscheinen in einem Worte die Buch-
staben gleich weit von einander entfernt, folgendermassen :
„Dann, wenn die zwischen den Buchstaben liegenden Flächen — und
nicht etwa die Abstände von einem Buchstabenende zum anderen . einander
gleich sind. Dieser Satz gilt mit einigen, übrigens keinen Ausschlag gebenden
Vorbehalten. Sie betreffen kleine optische Täuschungen, deren Wirkung aus-
zugleichen ist, gegenseitiges Massenab wägen, das die Zwischenräume nicht
durchwegs gleichwertig macht, Rücksicht auf Lautierung- u. s. w. Nach dem
Aufgestellten müssen z. B. in dem Worte


die Flächeninhalte der Hintergrundausscluiitte a b und c einander gleich sein.
— Ich beginne mit der g-etreuen Wiedergabe eines Beispieles für das An-
einanderreihen von Buchstaben aus stark verbreiteten „Schriftvorlagen“:


In diesem Worte zeigten die vom Zeichner selbst beigefügten Hilfslinien das
hierdurch gelehrte Einzeichnungsprincip der Buchstaben in ein vorher rastriertes
Quadratnetz offenkundig. Die Einsicht, dass durch dieses Princip das L vom
M oder die beiden T mehr als zwei Mal soweit von einander entfernt er-
 
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