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Grautoff, Otto; Rodin, Auguste [Ill.]
Rodin — Künstler-Monographien, Band 93: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.55313#0121
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Freskomaler seine Gedanken- und Formenwelt auszugeben. Man geht wohl kaum
fehl in der Vermutung, daß er in diesem Freskenzyklus ein großes Symbol des
Lebens schaffen wird, wie er es in seinem Skulpturenwerk schon geschaffen hat.
Rodins Zeichenkunst hat die jüngeren Künstler Frankreichs begreiflicherweise
mit starker Begeisterung erfüllt. Aber diese Begeisterung hat leider doch manche
auf schlimme Pfade geführt: Sie abstrahieren aus Rodins Kunst, die der Ausdruck
eines inneren Kampfes ist, die Theorie der Bravour und gebrauchen seine Mittel,
ohne die Amplitüde seiner Empfindungswelt, ohne seine Seelengröße. Einige
Maler vergrößern und vergröbern seine Handzeichnungen ums Zehnfache, und
geben sie als Bilder aus. Ein Grausen erfaßt den Kunstfreund; doch man kann
das Genie nicht verantwortlich machen dafür, daß kleinere Geister sich an seine
Fersen heften, ihn mißverstehen und karikieren. Es sei hier ausdrücklich noch


Abb. 120. Rodin auf einer Bank sitzend zeichnet in Marseille Kambodschaner Kinder. (Zu Seite 118.)

einmal betont, Rodins Handzeichnungen (Abb. 117 u. 118) sind Aphorismen,
Notizen, Bewegungs-, Gestikulations-, Form- und Farbenstudien, schnell hin-
geworfene Beobachtungen, Gedanken und Gesichte. Wenn wir sie bewundern, be-
wundern wir sie als solche; aber nicht in dem heimlichen Wunsche, sie als Bilder
vergrößert und vergröbert zu sehen.
Der Bildhauer Rodin hat würdigere Nachfolger gefunden. Von seinen Nach-
ahmern, deren Zahl nicht gering ist, verlohnt es nicht der Mühe zu sprechen.
Seine Fortsetzer haben den Impressionismus in der Plastik weiter ausgebaut.
Der Finnländer Vallgren, der russische Fürst Troubetzkoi stehen hier in erster
Reihe; auch sie haben die glatten Flächen zerrissen, differenzieren das Niveau,
arbeiten mit Buckeln und Höhlungen, lassen über die Buckel das Licht tanzen
und vergraben die Höhlungen ins Dunkle. In ihren Bronzearbeiten haben sie
diesem Prinzip manche neue Lösungen abgerungen. Die Franzosen Bourdelle,
Fix Masseau und Voulot bewegen sich in derselben Richtung. Der Italiener
Medardo Rosso verfeinert das gleiche Prinzip; geschmeidig, weich und zart sind
Grautoff, Rodin. 8
 
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