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kriegeriſchen Vergangenheit regt ſich der betriebſame Geiſt der Nenzeit, in
den großartigen Fabrikanlagen von Kroͤnholm, die an den Waſſerfaͤllen
der Narowa gelegen ſind und mehr als 10000 Arbeiter beſchaͤftigen.
In den Staͤdten Kurlands iſt der Gang der Geſchichte ein
anderer geweſen als in den Schweſterprovinzen. Reiche, ſtolze Patrizier—
geſchlechter, wie in Riga und Reval, hat es hier nicht gegeben, ſodaß
aus alter Zeit nur wenig uͤbrig geblieben iſt, und die aͤlteſten Gebaͤude
in den kuriſchen Staͤdten kaum uͤber das Ende des 17. Jahrhunderts
hinausreichen. Die groͤßte Stadt Kurlands, das in den letzten Jahr—
zehnten zu großer Bluͤte gelangte Libau, koͤnnen wir hier uͤbergehen,
denn dieſe heute recht nuͤchtern-moderne Seeſtadt bietet landſchaftlich
nichts Bemerkenswertes. — Im Mittelalter war Goldingen die
Hauptſtadt Kurlands, erſt ſeit 1561 nahm Mitau dieſe Stellung ein
und wurde die Reſidenz der kuriſchen Herzoͤge. Als 1795 die alte
Herzogsſtadt ruſſiſch wurde, iſt ſie durch die maͤchtige Nachbarſtadt an
der Duͤna ſeitdem immer mehr in den Schatten geſtellt worden, doch
bildet ſie mit ihren 10 Kirchen und 38 Schulen bis heute den Mittel—
punkt des politiſchen und geiſtigen Lebens der Provinz. Die meiſt
kleinen, ein- bis zweiſtoͤckigen Haͤuſer und wenig belebten Straßen geben
dieſer ehemaligen herzoglichen Reſidenz das Gepraͤge einer ſchlichten und
anſpruchsloſen deutſchen Landſtadt. Eine Ausnahme bildet nur das
an der Stelle des 1265 von Konrad von Mandern errichteten Ordens—
ſchloſſes von Raſtrelli erbaute, bis 1762 beendete herzogliche Schloß.
Dieſer ſchoͤne Bau mit ſeinen 300 fuͤrſtlichen Gemaͤchern bildet mit
dem herrlichen Schloßpark den ſchoͤnſten Schmuck Mitaus und zeugt
allein noch von der verſchwenderiſchen Pracht der alten herzoglichen Zeit.
Von ſtattlicheren Gebaͤuden ſind ſonſt nur noch das ſchoͤne Gymnaſium,
das Ritterhaus an der Drixe und das 1770 von Kathaͤrina von
Bismarck gegruͤndete adelige Fraͤuleinſtift zu nennen. Die landſchaft—
lichen Reize der Umgebung ſind, abgeſehen von den beliebten Ausflugs—
orten Sorgenfrei, Roͤhting und dem ſehr anmutigen Bergleddingen,
recht beſcheidene.
Die kleinen Landſtaͤdte und Flecken im Baltenlande unterſcheiden
ſich im allgemeinen kaum von den entſprechenden Staͤdtchen in Nord—
deutſchland. Den eigenartigen, idylliſchen Zauber der deutſchen Klein—
ſtadt, der auf den erholungsbeduͤrftigen Großſtaͤdter und auf den Stift
oder Pinſel des Landſchafters ſo anziehend wirkt, den finden wir auch
hier in dieſen ſtillen Gaſſen und ſchlichten Kirchen, auf den ſonnigen,
kriegeriſchen Vergangenheit regt ſich der betriebſame Geiſt der Nenzeit, in
den großartigen Fabrikanlagen von Kroͤnholm, die an den Waſſerfaͤllen
der Narowa gelegen ſind und mehr als 10000 Arbeiter beſchaͤftigen.
In den Staͤdten Kurlands iſt der Gang der Geſchichte ein
anderer geweſen als in den Schweſterprovinzen. Reiche, ſtolze Patrizier—
geſchlechter, wie in Riga und Reval, hat es hier nicht gegeben, ſodaß
aus alter Zeit nur wenig uͤbrig geblieben iſt, und die aͤlteſten Gebaͤude
in den kuriſchen Staͤdten kaum uͤber das Ende des 17. Jahrhunderts
hinausreichen. Die groͤßte Stadt Kurlands, das in den letzten Jahr—
zehnten zu großer Bluͤte gelangte Libau, koͤnnen wir hier uͤbergehen,
denn dieſe heute recht nuͤchtern-moderne Seeſtadt bietet landſchaftlich
nichts Bemerkenswertes. — Im Mittelalter war Goldingen die
Hauptſtadt Kurlands, erſt ſeit 1561 nahm Mitau dieſe Stellung ein
und wurde die Reſidenz der kuriſchen Herzoͤge. Als 1795 die alte
Herzogsſtadt ruſſiſch wurde, iſt ſie durch die maͤchtige Nachbarſtadt an
der Duͤna ſeitdem immer mehr in den Schatten geſtellt worden, doch
bildet ſie mit ihren 10 Kirchen und 38 Schulen bis heute den Mittel—
punkt des politiſchen und geiſtigen Lebens der Provinz. Die meiſt
kleinen, ein- bis zweiſtoͤckigen Haͤuſer und wenig belebten Straßen geben
dieſer ehemaligen herzoglichen Reſidenz das Gepraͤge einer ſchlichten und
anſpruchsloſen deutſchen Landſtadt. Eine Ausnahme bildet nur das
an der Stelle des 1265 von Konrad von Mandern errichteten Ordens—
ſchloſſes von Raſtrelli erbaute, bis 1762 beendete herzogliche Schloß.
Dieſer ſchoͤne Bau mit ſeinen 300 fuͤrſtlichen Gemaͤchern bildet mit
dem herrlichen Schloßpark den ſchoͤnſten Schmuck Mitaus und zeugt
allein noch von der verſchwenderiſchen Pracht der alten herzoglichen Zeit.
Von ſtattlicheren Gebaͤuden ſind ſonſt nur noch das ſchoͤne Gymnaſium,
das Ritterhaus an der Drixe und das 1770 von Kathaͤrina von
Bismarck gegruͤndete adelige Fraͤuleinſtift zu nennen. Die landſchaft—
lichen Reize der Umgebung ſind, abgeſehen von den beliebten Ausflugs—
orten Sorgenfrei, Roͤhting und dem ſehr anmutigen Bergleddingen,
recht beſcheidene.
Die kleinen Landſtaͤdte und Flecken im Baltenlande unterſcheiden
ſich im allgemeinen kaum von den entſprechenden Staͤdtchen in Nord—
deutſchland. Den eigenartigen, idylliſchen Zauber der deutſchen Klein—
ſtadt, der auf den erholungsbeduͤrftigen Großſtaͤdter und auf den Stift
oder Pinſel des Landſchafters ſo anziehend wirkt, den finden wir auch
hier in dieſen ſtillen Gaſſen und ſchlichten Kirchen, auf den ſonnigen,