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Grimm, Herman
Leben Michelangelo's (Band 1): bis zum Tode Rafaels — Hannover, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.2892#0175
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Nom.

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endlich, da hätte an dem Flecke der Erde, wo Rom steht, eine
Stadt aus dem Boden wachsen müssen, aufsprossend ohne
menschliches Zuthun. Bei anderen Städten könnte man den-
ken, hier war einst eine wüste, öde Fläche, ein Wald, ein
Sumpf, eine stille, weitgedehnte Wiese; dann kamen Menschen
und errichteten Hütten, aus denen Häuser wurden, eins klebte
sich an's andere, nnd es ward endlich eine ungeheure Menge
mit Kirchen und Palästen dazwischen, aber Alles zerstörbar
wieder, und nach Jahrhunderten könnten da frische Bäume
stehen, zwischen denen nur scheues Wild hurchschlüpste; bei
Rom aber sind solche Gedanken sast eine Unmöglichkeit. Man
glaubt nicht, es sei hier jemals sumpfiger Grund gewesen, in
dessen seichtem Gewässer Romulus und Remus als Kinder
ausgesetzt wurden, oder es könne der rohesten Gewalt ge-
lingen, die sieben Hügel von Gebäuden zu besteien. Bei
Berlin, Wien, Paris könnte ich mir einen Sturm denken, der
wie ein Rasirmesser Alles vom Boden abmähte und todt zur
Seite würfe; Ln Rom aber scheint es, als müßten die Steine
sich selbst wieder zu Palästen zusammenfügen, wenn sie eine
Erschütterung auseinander risse, als sei es gegen die Gesetze
des Daseins, daß die Höhe des Capitols ohne Paläste, Tem-
pel und Thürme sei.

Es ist ein Uebelstand, daß man sich, um dergleichen Ge-
danken auszudrücken, fester Bilder mit begrenztem Jnhalte
bedienen muß. Praktisch genommen sind es werthlose Ge-
danken, die hier eben vorgebracht wurden, denn Rom kann
einmal so gut wie Babylon und Persepolis mit Stumpf und
Sttel ausgerottet werden. Und dennoch liegt in diesen Phan-
tasien ein Jnhalt höherer Art, und die Nothwendigkeit ist
 
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