Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grimm, Herman
Leben Michelangelo's (Band 1): bis zum Tode Rafaels — Hannover, 1860

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.2892#0230
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
222 Leben Michelangeio's. Viertes Capitel.

mal noch vorhanden ist. Eigentlich war er Miniaturmaler, man
sieht das auch seinen großen Frescobildern an. Sein Leben
nach Vasari's Beschreibung klingt wie eine Legende aus ur-
alten frommen Zeiten. Er sollte Prior des Klosters werden,
lehnte jedoch die Würde demüthig ab, und all seine Schick-
sale und Werke spiegeln das Gesühl, das ihn so bescheiden
zurücktreten ließ. Und dennoch war die Wirkung, die von
ihm ausging, groß und dauert jetzt noch.

Vergleichen wir den Geist jener Gemälde mit dem der
Predigten Savonarola's, die dieser inmitten der Klosterhallen
hielt, von deren Wänden die Werke Fiesole's niederschauten,
so empfinden wir am schärssten, was Fiesole besaß, und was
Savonarola fehlte, was ihn bei seinen Gegnern so furchtbar
verhaßt machte. Ein heiliger Eifer für das Gute, Wahre,
Sittliche, Große entslammte sein Herz, aber daß ohne die
Schvnheit das Gute nicht gut, das Wahre nicht wahr, das
Heilige selbst nicht heilig sei, das entging ihm. So wurde er,
das weichste Gemüth, unversöhnlich und zwang seine Gegner,
es auch zu sein, und so vernichtete er sich. Er vergaß, daß
das, was die Menschen am meisten zwingt und bildet, nicht
der bewußte Gehorsam, der heftig unterdrückte Hang zum
Bösen, das gewaltsam sich selbst leitende Beharren auf einer
schars gezogenen Linie ist, die zu Gott leiten soll, sondern
daß das unbewußte Aufnehmen eines fteundlichen Beispiels,
das leise Nachgeben, wenn das Gute und Schöne mit locken-
der'Stimme redet, und das schmetterlingsartige Fortslat-
tem, dem Göttlichen dennoch immer zugewandt, die Mächte
eigentlich sind, die die Menschheit geheimnißvoll aber sicher
weiterführen. Und so haben Fiesole's sanfte stumme Bilder
 
Annotationen