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Grimm, Herman
Leben Michelangelo's (Band 1): bis zum Tode Rafaels — Hannover, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.2892#0375
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Lage der Dinge I51V.

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müßte, wenn er sich in einem Staate wie Florenz behaupten
wollte, giebt als obersten Grundzug des fürstlichen Charakters
die Fähigkeit an, die Dinge vorauszusehn und ihnen durch
rücksichtsloses Handeln zuvorzukommen. Diese Politik des
Drauflosgehens wurde befolgt bis in die kleinsten Verhält-
nisse herab. Die Degen saßen lose in der Scheide; Niemand
hoffte durch Nachgiebigkeit zu seinem Rechte zu kommen.

Jm Jahre 1508 trat der Papst dem Bündnisse von Cam-
brai bei, dessen Jnhalt die Vereinigung Maximilians und
des Königs von Frankreich zur Vernichtung der venetiani-
schen Macht war. Jm nächsten Jahre stand er, verbündet
mit Venedig und Spanien, Frankreich und Maximilian gegen-
über. Der Herzog von Urbino ging mit den päpstlichen
Truppen in der Romagna gegen Ferrara vor, das unter fran-
zösischer Protection stand. Die venetianische und spanische
Flotte sollten Genua angreifen und revoltiren, endlich die
von Ludwig vernachlässigten Schweizer würden, sechstausend
Mann stark, in die Lombardei einbrechen, hoffte man. Alles
mißglückte. Gegen Ferrara wurde nichts gethan; die Schweizer,
von Ludwig und Maximilian bewogen, machten Kehrt; der
Angriff auf Genua mißlang. Dennoch drang Giulio, der sich
bald auch von Spanien so gut wie verlassen sah, aus Fort-
setzung des Krieges. Jm September 1510 ist er selbst wieder
in Bologna und greist, unterstützt von der venetianischen
Lanch- und Seemacht, Ferrara an; die Franzosen und ihre
Verbündeten werden mit dem Kirchenbanne belegt.

Die sranzösische Geistlichkeit lehnte sich auf dagegen;
unter den Cardinälen trat eine Spaltung ein. Eine Anzahl
von ihnen wußte vom Papste Urlaub aus bestimmte Zeit zu
 
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