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Vasari, Giorgio; Grimm, Herman [Transl.]
Das Leben Raphaels von Urbino (Band 1): Bis zur Vollendung der Disputa und Schule von Athen — Berlin, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.2898#0278
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ÜBERSETZUNG UND COMMENTAR VIII, 1—3 1J

trotzdem einen Irrthum bei Vasari vermuthen und die Ma-
donna da Pescia dem Fra Bartolommeo zuschreiben*). —

Raphael's erstes Auftreten in Rom hat wie das in Flo-
renz durch die Tradition der Jahrhunderte seine eigne mythi-
sche Gestalt empfangen. So erzählt Tischbein2): ,Als Bra-
mante seinen Neffen dem Pabste vorstellte, kniete Eaphael
nieder,, die Haare hingen ihm um sein schönes Gesicht bis
auf die Schultern. Der Pabst hob ihn auf, indem er sagte:
,Das ist ein reiner unschuldiger Engel, ich will ihm einen
Lehrer in dem Cardinal Bembo geben und er muss diese
Wände mit Geschichtsbildern malen.' Diese Anschauung,
welche etwa zu Tischbein's Zeiten entstanden sein mag, wo
die wunderliche, auf die neuere Entwicklung von Kunst und
Litteratur so einflussreiche Lehre vom angebornen Genius
aufkam, dessen Begeistrung gleichsam als. reine Mitgift der
Natur gewähre, was andere, niedriger begabte Naturen sich
erst durch mühsame Studien zu erwerben hatten, hat bis auf
unsere Tage gedauert. Raphael ist das Wunderkind. ,Come,
questo ragazzo?' ,Was, dieser Knabe hat das gemacht?'
lässt Rehberg3) Giulio II ausrufen, als er die Camera della
Segnatura vollendet sieht. ,Neben seinem Oheim Bramante,
zu Thränen gerührt, in tiefster Demuth kniend, empfing Ra-
phael den Segen des heiligen Vaters, und wie von einem
höheren Gefühle beseelt stand er auf, vor Freude und Zu-
friedenheit strahlend.' Passavant hat diese Geschichten mit
richtigem Gefühle beseitigt, so lieb sie ihm gewesen seih

') Der Gedanke übrigens, Vasari irre, indem er unsere Madonna für
die bei Rapbael von den Dei bestellte Tafel erklärt, finden wir schon von
Bottari in den Anmerkungen seines Vasari ausgesprochen. Ihm war auf-
gefallen, dass das für die Familie später von Rosso ausgeführte und in
der Oapelle der Dei aufgestellte Altargemälde andere Dimensionen zeige als
Raphael's Madonna da Pescia, während doch von Anfang an für beide Be-
stellungen gleiche Maasse hätten gegeben und innegehalten werden müssen,
wie sie die vorhandene Architectur darbot. ') Aus meinem Leben, I, 186.
3) p. 47.

13»

_ / p. »«.
 
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