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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0019
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XI

von ihnen. Es wird ihnen der Anschein in ehmalige Jahre
fallenden Daseins nur aufgedrängt. —
Ich halte die Vermischung von actenmäßig sicher Be-
richtetem, scheinbar Thatsächlichem, mit dem der offenbar frei-
waltenden Phantasiearbeit der Völker Entsprungenen, die ich
mir auch Geschichte zu nennen erlaube, für keine Gedanken-
spielerei. Ich bin überzeugt, es werde diese meine Auf-
fassung historisch-dichterischer Charaktere um sich greifen, und
möchte Rechenschaft ablegen darüber. Vielleicht thue ich damit
etwas, das mir den Dank spätergeborener junger Leute eiubringt.
4.
Denn an jüngere Leute wende ich mich in meinen Schriften
immer. Aeltere haben, Jeder einzeln für sich arbeitend, zu
sehr mit der Bewirthschaftuug ihres eigenen Gedankenfeldes
zu thun. In hohen Jahren erst kehrt manchmal alten Männern
die verlorene Jugendkraft zurück, fremde Gedanken neidlos zu
beurtheilen und anzunehmen, wie auch die, Neues zu schaffen.
So erklärt sich bei Goethe die fast kindliche Erfindungsgabe,
mit der er die letzten Scenen des Faust dichtete, oder die in
die irdischen und überirdischen Regionen niit scharfem Blicke
sich wendende Poesie des ,Kosmos' Alexander von Humboldt's.
Goethe wie Humboldt gossen den Inhalt ihres Lebens hier in
die letzte, bleibende, einfachste, schönste Form. In solcher, un-
verlorener Jugendkraft hat auch der uralte Bismarck feine Lebens-
geschichte geschrieben. Als ewig jung haben diese Männer an die
Jugend sich gewandt, von der sie einstiges Verständniß hofften.
Wer je vor jungen Leuten Vorlesungen gehalten hat, wird
mir beistimmen: daß nichts so stark an die unsere Gedanken
bildende Kraft appellirt, als der Verkehr mit der lernenden
 
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