315
etwas schwebende Sprache, in der ich sie wiedergebe, mehr
der Stimmung zu entsprechen, die den Dichter hier beherrscht,
als hätten die wellenlosen, gleitenden Gewässer der Unterwelt
den Accent gegeben.
Dies Gedicht enthält alle übrigen. Leopardi kennt nur
diese eine Tonart. Am berühmtesten ist seine Ode au Italien,
früh schon bekannt, während die übrigen Verse mehr ver-
stohlen gelegentlich durchdrangen. Er war zwanzig Jahre alt,
als er dichtete:
O du mein Vaterland! Da stehn sie vor mir
Die Mauern noch, die unsre Väter bauten,
Die Säulen, Tempel und die stolzen Bogen,
Durch die siegreiche Heere einst gezogen,
Und wohin schwand ihr Ruhm?
Wehrlos, die nackte Stirne ohne Lorbeer
Und waffenlos die Brust ....
Das Haar im Sturme fliegend, sitzt sie da.
Das Antlitz beugt sie nieder'zu den Knien,
Verbirgt es drin und weint. O, meine Mutter,
Wer hat mit Ketten deine bleichen Arme
So schwer belastet? O du, mein Italien,
Wohl hast du Grund, zu weinen!^)
Jtalieu hatte damals noch etwas Griechisches. Lord
Byron nannte Rom die Niobe der Völker damals. Den
classischen Studien war noch etwas Beherrschendes, Fürst-
liches eigen. Rom selbst erscheint uns in Niebuhr's „Römischer
Geschichte" mehr als eine griechische Stadt, in den Anfängen
schon getränkt von ihrer zukünftigen Größe und von Schön-
heit. Leopardi machte als blutjunger Mensch aus Niebuhr
eine biographische Besprechung der Schicksale des Dichters vorausgeschickt
hat. Meine Uebertragung der Ricordance stammt aus früher Zeit, wo
Heyse's Buch noch nicht erschienen war.
2) Auch dies mehr Auszug als Uebertragung. Vgl. Fünfzehn Essays.
Dritte Folge. S. 59.
etwas schwebende Sprache, in der ich sie wiedergebe, mehr
der Stimmung zu entsprechen, die den Dichter hier beherrscht,
als hätten die wellenlosen, gleitenden Gewässer der Unterwelt
den Accent gegeben.
Dies Gedicht enthält alle übrigen. Leopardi kennt nur
diese eine Tonart. Am berühmtesten ist seine Ode au Italien,
früh schon bekannt, während die übrigen Verse mehr ver-
stohlen gelegentlich durchdrangen. Er war zwanzig Jahre alt,
als er dichtete:
O du mein Vaterland! Da stehn sie vor mir
Die Mauern noch, die unsre Väter bauten,
Die Säulen, Tempel und die stolzen Bogen,
Durch die siegreiche Heere einst gezogen,
Und wohin schwand ihr Ruhm?
Wehrlos, die nackte Stirne ohne Lorbeer
Und waffenlos die Brust ....
Das Haar im Sturme fliegend, sitzt sie da.
Das Antlitz beugt sie nieder'zu den Knien,
Verbirgt es drin und weint. O, meine Mutter,
Wer hat mit Ketten deine bleichen Arme
So schwer belastet? O du, mein Italien,
Wohl hast du Grund, zu weinen!^)
Jtalieu hatte damals noch etwas Griechisches. Lord
Byron nannte Rom die Niobe der Völker damals. Den
classischen Studien war noch etwas Beherrschendes, Fürst-
liches eigen. Rom selbst erscheint uns in Niebuhr's „Römischer
Geschichte" mehr als eine griechische Stadt, in den Anfängen
schon getränkt von ihrer zukünftigen Größe und von Schön-
heit. Leopardi machte als blutjunger Mensch aus Niebuhr
eine biographische Besprechung der Schicksale des Dichters vorausgeschickt
hat. Meine Uebertragung der Ricordance stammt aus früher Zeit, wo
Heyse's Buch noch nicht erschienen war.
2) Auch dies mehr Auszug als Uebertragung. Vgl. Fünfzehn Essays.
Dritte Folge. S. 59.