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Grimm, Herman
Fragmente (Band 2): Zweiter und letzter Theil — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.47243#0151
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nung ein langsam breit dahinrinnendes, fast stockendes Ge-
wässer, daneben eine im Vorgefühle des nahenden Gewitters
sich beeilende, gedrängte Schafheerde, mit dem vorangehen-
den Schäfer, und am Himmel die ungeheuren Gewölle,
welche aber nur erst die fernen Vorboten des Unwetters
sind. Alles wie ein Gedicht zusammenklingend. Wie Homer
die stille Nacht malt, wo des Hirten Auge die Linie der
Bergs sich vom klaren Himmel abheben sieht, oder wie er
die nächtlich einsame weite Ebene beschreibt, über die Priamos
fährt, um die Zelte Achill's zu erreichen, von dem er die
Leiche seines Sohnes erbitten will. Momente wie diese so
darzustellen, daß sie zugleich als Gedicht und als Natur-
empfunden werden, bemühen sich heute die Maler, aber
sie wollen sicher sein, mit Aufmerksamkeit betrachtet zu werden.
Sie bilden eine Secession nicht bloß für ihre fertigen Werke,
sie sondern sich ab für die Beobachtung der scheinbar toten
Fläche, deren Lebenszeichen in den Jahres- und Tageszeiten
sie beobachten.
Der Künstler ist in Franken zu Hause. Er wohnt aus
dem Lande und kennt das Gut, das seine Vorfahren schon
bewohnten, genau. Seit vielen Jahren gibt er Ansichten
einzelner Terrainstücke, gleichgültig erscheinende Teiche,
Felder, Wiesen, Wald und Himmel und Gewölk darüber,
mit solcher Liebe aber beobachtet und dargestellt, daß seine
Blätter dem, der nie dort war, etwas wie ein Heimaths-
gefühl einflößen. Arbeitende Menschen, mitarbeitendes oder-
weidendes Vieh verbinden sich mit den Bäumen, den Wasser-
läufen, sogar mit dem Gewölk und dessen ziehenden Schatten
zu einem Ganzen. So haben selbst Ruisdael und Rembrandt
 
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