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Grisebach, August
Deutsche Baukunst im XVII. Jahrhundert — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 15: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.55554#0008
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Rothenburger Rathauses (1572) hatte man noch an
einer vielgliedrigen Gruppe Gefallen gefunden. Beim
Rathausbau in Nürnberg bewahrt man zwar auch den
gotischen Saalbau, versteckt ihn aber an der Schau-
seite hinter dem neuen gleichmäßig behandelten Trakt.
Zählt man seine Fensterachsen durch, so ergibt sich
eine Ungleichheit der beiden Hälften; auch der Ab-
stand der Portale voneinander ist nicht reißbrettmäßig
genau. An der ansteigenden Straße kommt das kaum
zur Geltung. Aber es ist charakteristisch für die frei-
heitliche Auffassung der neuen Gesetze. Einem Schema
gehorcht man nicht. So macht sich z. B. auch am
Schloß in Weikersheim der durch zwei Stockwerke
führende Saal trotz seiner seitlichen Lage deutlich an
der Gartenfront bemerkbar. Entscheidend jedoch für
den Gesamteindruck ist das Gleichgewicht der krönen-
den Giebel wie in Nürnberg das der drei Zwerchhäuser.
Die damalige Auffassung über das Verhältnis der Raum-
teilungzum Außenbau formuliert derUlmer Josef Furtten-
bach, ein bauender Dilettant in des Wortes bester Be-
deutung, also: „Ich habe an manchem vornehmen
Palast gesehen, daß, damit die faziata recht ordent-
lich der Fenster halber ausgeteilt werde, der Bau-
meister die Zimmer deswegen verkrippelt und aus
deren rechten Proportion gewichen ist — so aber nicht
rühmlich. Sondern es ist vielmehr und zuvorderst da-
hin zu sehen, daß die innere Gebäu der Zimmer recht
wohl und bequemlich ausgeteilt, hernach aber so kann
der Fassade auch Rat geschaffen werden.“ Das ent-
spricht dem anti-rationalen deutschen Empfinden, dem

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