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Grisebach, August
Deutsche Baukunst im XVII. Jahrhundert — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 15: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.55554#0012
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eine in der Mauerfläche sich zurückhaltende Dekoration
charakteristisch. Man durchzieht die rote, weißgefugte
Backsteinwand mit hellen Sandsteinbändern. Einzelne
Schmuckstücke werden bemalt und vergoldet. In ihrer
farbigen Flächenmusterung und dem Verzicht auf leb-
hafte plastische Glieder sind diese Fassaden den mittel-
alterlichen Backsteinbauten der gleichen Zone stamm-
verwandt. Der ortsübliche Baustoff ist es nicht allein,
der die besondere Physiognomie der deutschen Küsten-
städte bedingt. Auch in Schwaben und Bayern wird
mit Backstein gebaut. Aber hier überzieht man ihn
mit einer Putzschicht, aus der die Bekrönungen der
Türen, Fenster und Giebel kräftig schattend in Flau-
stem vorspringen. Oder man überläßt den Malern die
Putzflächen zu räumlich wirkenden Effekten. Ist schon
an diesen Fassaden das Verlangen nach Tiefenbewegung
spürbar, so kann der plastische Ausdruck der steiner-
nen Gebäude anderer Gegenden Süddeutschlands nicht
überraschen. Der Friedrichsbau in Heidelberg und das
Peilerhaus in Nürnberg zeigen gegenüber dem zarten
norddeutschen Relief ein stämmiges Gerüst starkknochi-
ger Glieder. — Trotz aller Besonderheiten aber ist das
Gemeinsame nicht zu übersehen. Die oft überschweng-
liche Schmuckfreude wird stärker als vorher gebändigt
durch ein klares Empfinden für architektonische Werte:
Im Norden wie im Süden Deutschlands begriff man
von neuem, daß die Bedeutung eines Gebäudes nicht
auf dem Schmuck beruht, sondern auf dem Verhältnis
von Öffnung zu Wand, auf der Wirkung des Körpers
als Masse, seinem Umriß usw.

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