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Grisebach, August [Editor]
Römische Porträtbüsten der Gegenreformation — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 13: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.48326#0031
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Göttlichen im Wunder des Altarsakraments, im 16. Jahrhundert eine neue Bedeu-
tung gewinnt1).
Die Gebetshaltung an sich ist nichts neues. Sie war für die mittelalterlichen Grab-
malfiguren im Norden wie im Süden die natürliche Geste frommen Lebens und
Sterbens. Aber damals ist sie Ausdruck einer Devotion ohne sichtlichen Bezug auf ein
Draußen, ohne Bezug auf ein bestimmtes Objekt der Anbetung.
Als Vorfahren der Adoranten des 16. und 17. Jahrhunderts darf man eher jene
Knieenden betrachten, die in Wandnischen vor dem Kruzifix oder - wie Nicolaus
von Cues in S. Pietro in Vincoli - vor ihrem Heiligen in Andacht sich neigen. Sie
beten zu einem nahen, in die Bildszenerie einbezogenen Gegenstand, als befänden
sie sich ihm gegenüber in ihrer Hauskapelle.
Von dieser bildmäßigen Darstellung, die seit dem Quattrocento ein langes und
reichhaltiges Leben führt, vor allem im deutschen Norden, hat sich bereits früh-
zeitig eine bedeutsame Sonderart abgezweigt: In der spanischen Klosterkirche
Guadalupe wenden sich die knieenden Gestalten des Don Alfonso de Velasco und
seiner Frau - Werke des flandrischen Bildhauers Egas um 1480 - aus ihrer Grab-
malnische heraus dem Gotteshaus zu in Richtung auf den Altar. An Stelle des per-
sönlichen Gebets im Gehäuse der eigenen Kapelle tritt das liturgische Gebet, die
Verehrung der eucharistischen Wandlung im Angesicht des Altars.
Ob Egas die Idee zu dem Grabmal in Guadalupe aus den Niederlanden mit-
brachte oder ob spanische Religiosität sie geweckt hat, wissen wir nicht. Jedenfalls
ist es Spanien, das diese Einbeziehung der Verstorbenen in das kultische Geschehen
im Kirchenraum seitdem in zahlreichen Denkmälern verwirklicht hat. Leonis Grab-
mäler für Karl V. und Philipp II. im Escorial sind das berühmteste Beispiel.
Auf französischem Boden folgen die Kardinale von Amboise in Rouen (1520)
mit ihrer Wendung zum Altar den spanischen Denkmälern. In den Königsgräbern
von St. Denis aber schuf sich Frankreich einen eigenen fortzeugenden Typus. Denn
der Gedanke, den Herrscher auf seinem Grabe knieend, frei im Kirchenraum, dar-
zustellen, zielt auf jene räumliche Bezogenheit, die von den Grabmälern des Barock
leidenschaftlich aufgenommen wird.
Im Gegensatz zu Spanien und Frankreich tritt in Italien der Verstorbene als Teil-
nehmer am Altardienst zunächst nur vereinzelt auf.
Das in der Turiner Kathedrale nach 1500 errichtete Wandgrab der Giovanna
d’Orle, die aus halbrunder Nische dem Altar entgegenkniet, läßt auf französische
Abstammung schließen. Spanische oder französische Grabmalideen mögen auch bei
dem Denkmal für den Kardinal Caraffa (vor 1508) im Dom zu Neapel mitgewirkt
haben: Der Comaske Tommaso Malvito hat den Kardinal verewigt, wie er an
E. Gothein, Staat und Gesellschaft im Zeitalter der Gegenreformation. S. izzf.

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