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Grisebach, August [Hrsg.]
Römische Porträtbüsten der Gegenreformation — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 13: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.48326#0033
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Über den Wandel zu gelösterer Bewegtheit belehrt die nächstfolgende Adorantin
Lucre^ia Tomacelli, deren Grabmal im Lateran erst rund vierzig Jahre später, 1625,
errichtet wurde (70). Verglichen mit der spontanen Hingabe, von der das weibliche
Bildnis aus der Berniniwerkstatt in San Lorenzo in Lucina erfüllt ist, bewahrt aller-
dings auch die Bronzebüste Lucrezia Tomacellis noch die reservierte Haltung der
älteren Generation. Ähnliches gilt auch von Faustina Ginnasi in San Lucia dei Gin-
nasi (f 1646), deren Halbfigur in Marmor, als ein wenig bekanntes Jugendwerk
des Giacomo Antonio oder Cosimo Fancelli hier zitiert werden mag (71). Entspan-
nung, weiche Geschmeidigkeit, sinnliche Wärme ist an Stelle der Unbewegtheit
und erschreckenden Härte getreten, mit der die Gräfin Orsini den unduldsamen
Geist ihrer Tage verkörpert.
Ist es ein Zufall, daß Frauen unter den adorierenden Halbfiguren in Rom voran-
gehen? Der erste männliche Beter ist der 1591 gestorbene Kardinal Albani (72) in
S. Maria del Popolo, ein Werk desselben Paracca da Valsoldo, der kurz zuvor den
knienden Sixtus V. in S. Maria Maggiore geschaffen hat. Stärker noch als bei dem
Standbild des Papstes spricht bei Albani die sorgfältige Durchbildung der Einzel-
züge, eine Freude an kleingliedriger Charakterisierung. Darin erinnert Valsoldo an
die Fiaminghi. Auch in der fixierten Gespanntheit augenblicklichen Aufmerkens
unterscheidet sich Albani von dem Zuständlichen gleichzeitiger, klassisch gerich-
teter Bildnisse. Der Kardinal macht, darf man vielleicht hinzufügen, den Eindruck,
als bete er mehr aus Pflicht, nicht wie Elena Savelli aus innerem Bedürfnis. Bei der
Sache ist freilich auch er, ja mit einer gewissen Ängstlichkeit. Er hat noch nicht
das gesellschaftlich Ungezwungene, wagt noch nicht die Wendung in die Öffent-
lichkeit, die den Herren der Logengräber des 17. Jahrhunderts eigentümlich zu
sein pflegt.
Aber die Adoranten der vorberninischen Zeit weisen doch schon den Weg zu
jener Relation von Grabmal und Altar, zu jenem thematischen Zusammenhang
örtlich voneinander entfernter Dinge, der für die räumliche Aktivierung des Barock
so bedeutungsvoll wird. Der Gedanke, das Bild des Verstorbenen über den Raum
hinweg zu seinem Gegenstände der Devotion in Beziehung zu setzen, wird schon
in der Medicikapelle spürbar, sobald man die von Michelangelo vorgesehene Kapel-
lenwand mit der Madonna als Blickfeld der Herzöge ergänzt. Freilich erscheinen
sie noch in statuenhafter Bindung, verglichen mit der raumdurchstrahlenden Dring-
lichkeit, mit der dann Berninis Menschen von den Grabmälern aus ihre Andacht
bezeugen. -

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