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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0019
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Jülich nach Duisburg, wo er sich bis zu seinem im Jahr 1594 erfolgten
Tode seinem kartographischen Werke widmete. Gleichzeitig wie der
jüngere Ortelius in Antwerpen arbeitete Mcrcator in Duisburg an
der Überwindung der Ptolemäischen Geographie. Nicht mehr die
über das Mittelalter aus dem Altertum übernommenen Karten soll-
ten den Bestand des geographischen Wissens bilden, sondern aus-
schließlich neue Karten. Fünfzehn Jahre nach dem Theatrum des
Ortelius, 1585, erschien der erste Teil von Mercators monumenta-
lem Weltatlas, enthaltend 51 Karten in Kupferstich von West- und
Mitteleuropa. 1589 folgte der zweite Teil mit 23 Karten. Der dritte
Teil erschien erst 1595 nach Mercators Tod. Die Söhne führten das
Unternehmen fort. 1602 erfolgte eine zweite Gesamtausgabe. Dann
gingen alle Druckplatten durch Kauf in den Besitz von Josse Hondt
über, der sich latinisiert Jodocus Hondius nannte und von 1563
bis 1611 lebte. Ebenfalls Flüchtling aus den spanischen Niederlanden,
siedelte er sich nach einem Londoner Exilaufenthalt in Amsterdam
an und begründete die große Tradition der Amsterdamer Karten-
verlagc des 17. Jahrhunderts. 1606 erschien sein um 50 Karten - dar-
unter die Genferseekarte von Jacques Goulart - gemehrter Merca-
tor-Atlas. Nach seinem Tode führten die Söhne, Jodocus derjüngere
(1" I(535) und Henricus (1587-1644), das Unternehmen fort. Zu Hen-
ricus gesellte sich sein Schwiegersohn Johann Jansson, oder latini-
siert Janssonius. Dieser gab von 163 8 an mit eigenen, neu erstellten
Druckplatten einen neuen Atlas heraus. Die Mercator-Hondius- und
Jansson-Atlanten erschienen bis 1666 in mannigfaltigen größern und
kleinem Ausgaben, lateinisch, niederländisch, deutsch, französisch
und spanisch, in bis zu elf Bänden.

Inzwischen trat auch die Konkurrenz auf den Plan in der Person
von Willem Janszoon, der zur Unterscheidung von Johann Jans-
son den Beinamen Blaeu führte. Später nannte er sich nur noch
Willem oder Guilielmus Blaeu. 1571 geboren, war er Schüler des
berühmten dänischen Astronomen Tycho Brahe. Von 1599 an stellte
er Karten und Globen her und erwarb 1624 die Platten und Repro-
duktionsrechte des Theatrum von Ortelius, 1629 auch 37 Druck-
platten von Jodocus Hondius dem Jüngeren. 1630 erschien der erste,
noch bescheidene Atlas von Blaeu mit 60 Karten. 1637 bezog Willem
Blaeu mit seinen Söhnen Joan und Cornelius Blaeu ein neues
großes Geschäftshaus am Blumengracht in Amsterdam; er starb
1638. 1644 erwarben die Söhne Blaeus die Druckplatten der Mer-
cator-Atlanten, weniger um von ihnen zu drucken, als um die Kon-
kurrenz auszuschalten. Die Atlanten des Blaeu-Verlages wuchsen
unter dem Titel Atlas major sive Cosmographia Blaviana bis zur letzten
Ausgabe von 1665 auf elf Bände mit rund 600 Karten an. Auch hier
gab es lateinische, niederländische, deutsche, französische und auch
mehrsprachige Ausgaben verschiedenen Umfangs. Die Blaeu-Atlan-
ten, von auserlesen feinem Kupferstich, sorgfältig gedruckt, oft hand-
koloriert und prachtvoll eingebunden, bisweilen mit Goldschnitt,
gehören zu den großartigsten und monumentalsten Erzeugnissen der
Kartcnindustric des 17. Jahrhunderts und der Kartengeschichte über-
haupt. 1672 wurden Verlagshaus und Druckerei durch Feuersbrunst
zerstört. Im Jahre darauf starb Joan Blaeu. Die Erben veräußerten
den Nachlaß.

Die Schweiz ist in den Mercator-, Hondius-, Jansson- und Blacu-
Atlanten je durch eine Gesamtkarte und drei Gaukarten vertreten.Die
Gaukarten tragen - in seltsamer Mischung antiker und mittelalter-
licher Vorstellungen - die Bezeichnungen:

Wiflispurgergov, nach dem deutschen Namen des mittelalterlichen
Avcnches, dessen Qualität als Gauhauptstadt offenbar vom
römischen Aventicum hergeleitet wird.

Zurichgow et Basiliensis Provincia, in Anlehnung an den mittel-
alterlichen Zürichgau.

Argow, ebenfalls in Anlehnung an eine mittelalterliche Bezeich-
nung. Bei Blaeu heißt der Titel: Argow cum parte meridionali
Zürichgow.

Zu diesem Bestand tritt bei Mercators Söhnen 1589 eine Karte Lom-
baräiae alpestris pars occidentalis cum Valesia neu hinzu, bei Hondius

1606 die Genferseekarte von Jacques Goulart, bei Jansson und Blaeu ein
Nachstich der Karte der Drei Bünde von Sprecher-Clüver und schließ-
lich 1659 eine neue Karte Territorium Basileense cum adiacentibus.

Der Vergleich der Gaukarten aus den Atlanten von Mercator,
Hondius, Jansson und Blaeu ergibt, daß diejenigen von Mercator und
Hondius identisch sind, indem Hondius von den Platten Mercators
druckte und ja auch seinen Atlas weiterhin als Mercator-Atlas be-
zeichnete. Die Karten von Jansson und Blaeu sind dagegen im Maß-
stab und Format etwas vergrößerte, aber sehr exakte, in Gewässer-
netz, Auswahl und Lage der Ortschaften sowie in der Nomenklatur
bis auf ganz wenige Vcrschreibungen genau übereinstimmende Nach-
stiche der Mercator-Blätter. Anders behandelt wurden die Gebirge,
die aus kleineren, feiner gestochenen und dadurch willkürlich ver-
mehrten Einzelhöckcrn bestehen, die kraftloser wirken als diejenigen
Mercators. Außerdem sind an die Stelle der größeren, naturalisti-
schen Bäumchen Mercators kleinere, mehr signaturenhafte Baum-
darstellungen getreten, wobei auch noch geringfügige Unterschiede
zwischen dem Stil von Blaeu und Jansson festzustellen sind. Eine
genaue Untersuchung der Nomenklatur in einem Teil des Kantons
Bern ergab, daß von 175 Namen, die bei Mercator gegeben sind,
Blaeu in der Schreibweise 14 Abweichungen zeigt. Jansson hat alle
14 Abweichungen von Blaeu, dazu aber noch vier weitere. Es ergibt
sich daraus, daß Jansson, der doch über die Druckplatten Mercators
verfügte, seine Nachstiche nicht nach den Mercator-Originalcn,
sondern nach Blaeus Karten erstellte. Wir legen in unsere Mappe
faksimilierter Schweizer Karten die drei Blätter der Mercator- und
Mercator-Folgekarten in je einer andern Variante: von Mercator den 10
Wiflisburgergau, von Blaeu den Aargau und von Jansson den Zürich- 11 12
gau. Im Gegensatz zu Jansson gibt Blaeu auf dem Blatt die ursprüng-
liche Autorschaft Mercators an.

Als Gesamtkarte der Schweiz faksimilieren wir die Version aus
den Atlanten von Hondius. Das Kartenbild zeigt dieselben Abmes- 13
sungen, 33 x 45cm, wie die Karte von Mercator und ist auch mit
dieser sehr ähnlich bis auf kleine Einzelheiten, die zeigen, daß es sich
um einen Nachstich und nicht um einen Druck von denselben Platten
handelt. Daraufweist auch der abweichende Titel Nova Helvetiae
tabula im Gegensatz zum Titel der Original-Mcrcator-Kartc: Hel-
vetia cumfinitimis regionibus confoederatis. Der mittlere Maßstab beträgt
ungefähr 1:700000. Als Herausgeber unserer Karte zeichnet aus-
drücklich Jodocus Hondius derJüngere - ex officina Iudoci HondiiF(ilii)-,
was es als fragwürdig erscheinen läßt, daß die Karte schon den ersten
Hondius-Ausgabcn von 1606 zugehörte. Denn zu Lebzeiten des
Vaters ("j"i6n) konnte sich der Sohn kaum als Inhaber der Offizin
bezeichnen. Die Karte ist einer Reihe anderer Karten angeglichen
worden, die alle als Bereicherung und Schmuck am obern und untern
Rand Städtebilder in Medaillons und zu beiden Seiten Kostümbilder
zeigen. In Lit.26, S. 95-99, haben wir vier verwandte Kontinent-
karten reproduziert, die allerdings alle nicht datiert sind. Zwei davon
nennen als Autor Jodocus Hondius (ohne spezielle Bezeichnung als
Vater oder Sohn), eine als Autor Hondius und als Drucker Janssonius
und eine nur als Drucker Janssonius. Die zugehörige prachtvolle
Erdkarte, die statt Städtcbilder Planetengötter und "Weltwunder und
statt Kostümbildcr die vier Elemente und Jahreszeiten zeigt, nennt
als Autor Peter Kaerius (Picter von der Keere), den Schwager des
ältern Hondius, und als Drucker Johannes Janssonius mit der Jahr-
zahl 1621. Die Städteansichten der Schweizer Karte sind - wie die
meisten Städtebilder der andern Karten dieser Serie - dem damals
berühmten Städtewerk von Georg Braun (Bruyn) und Frans Hogen-
berg (Lit. 19) verkleinert und vereinfacht nachgebildet worden und
gehen durch diese mittelbar vorwiegend auf die Cosmographie von
Sebastian Münster und die Chronik von Johannes Stumpf zurück. Für
Bern lag der bei Münster erschienene Holzschnitt von Hans Rudolf
Manuel vor, für Zürich der große Stadtplan Jos Murers von 1576,
für Basel die Darstellung bei Münster, für St. Gallen der mit H.V.
signierte sehr schöne Holzschnitt vom Jahre 1545, wahrscheinlich
über die verkleinerte Version bei Stumpf (Lit. 38, S. 204).

Über den Ursprung der Schweizer Karten in den Mercator-
Atlanten hat leider LeoWeisz(Lit.4i, i.Aufl. S.9i-96,2.Aufl. S.93 bis

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