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Grueber, Bernhard
Vergleichende Sammlungen für christliche Baukunst (Band 1) — Augsburg, 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3142#0010
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ERKLÄRUNG DER TAFELN.

Das Motiv des Titelblattes ist einem der zierlichen Gebäude von Pisa entnommen, welche, die
Schule des Meister j\iliOla verkündend, eine, wenn auch nicht strenge, doch anmuthige Ver-
bindung der frühern und spätem Kunstepochen bilden.

Die am Fusse der Säulen angebrachten Figuren des Löwen und Drachen befinden sich immer
am Eingänge der Kirchen älterer Art und sind nach Munter den ältesten christlichen Symbolen
beizuzählen. Sie erscheinen hier als, Träger der Hauptformen christlicher Baukunst, indem der
Löwe das griechische Kreuz, der Drache die Basilikaform aufzeigt.

Die rings herum laufenden Verzierungen sind teutschen Gebäuden entnommen, und werden
in diesen Sammlungen noch genauer ausgeführt erscheinen.

Periode von SOO bis 1SOO.

H

VERZIERUNGEN DER KIRCHE S. MICHELE IN PAVIA.

Tafel I. (In der Hälfte der natürlichen Grösse.)

Dieses Gebäude wird von allen Forschern als eines der ältesten christlichen Denkmale ange-
geben, und ist das erste, welches nach der Grundform des lateinischen Kreuzes erbaut wurde.
Zeigt auch Italien mehrere früher aufgeführte Kirchen, z.B. Santa Maria Reparata in Pisa, oder
das Baptisterium in Florenz, sind diese nur aus Werkstücken römischer Bauten construirt, ohne
Eigenthümlichkeit und Verzierungen.

An der S. Michaelskirche ist jene originelle Ornamentik ausgesprochen, die sich bald durch
Europa verbreitete. Verschlungene Bänder, geschlossen durch ein drei - oder fünfzackiges Blatt
sind die Elemente dieser Verzierungskunst; die Ausführung ist roh, am richtigsten mit einem
gepflügten Felde zu vergleichen. Das würfelförmige Kapital, dem die vorliegenden Ornamente
entnommen sind, erscheint hier völlig ausgebildet,

Die Facade ist höchst einfach, Thüren und Fenster sind halbrund geschlossen, und den
Giebel ziert eine aufsteigende Bogenstellung.

An der Facade sind sehr viele Sculpturen angebracht, mehr Beziehungen aus dem Leben
denn aus der Bibel darstellend, ausgeführt genau wie die übrigen Verzierungen und eingesetzt
ohne Symetrie. Diese Bas-reliefs haben auffallende Aehnlichkeit, sowohl in Zeichnung als in
Zusammenstellung mit einigen im Taunus und in Westfalen aufgefundenen germanischen Denk-
steinen, was zu manchen Aufschlüssen Anlass geben dürfte.

KAPITALE AUS DER VORHALLE VON S. AMBROGIO IN MAILAND.

Tafel II. (Ein Drittheil der natürlichen Grösse.)

Diese Kirche und ihre Alterthümer wurden verschont bei der grossen Zerstörung durch Kai-
ser Friedrich Barbarossa. Die im neunten Jahrhundert erbaute Vorhalle umschliesst einen vier-
eckigen Hof mit Säulenlauben, und bildet den Eingang zur Kirche. Diese Einrichtung findet sich
auch in Deutschland, unter andern an der Kirche zu Laach, unweit Andernach.

Die Pfeiler, welche das Gewölbe dieser Vorhalle tragen, sind aus drei Halbsäulen und einem
Pilaster gebildet, welcher gegen die Hofseite gekehrt ist. Die Ausführung dieser Ornamente ist
dieselbe, wie in der vorigen Kirche; die Zeichnung aber ist geistreicher.
 
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