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Hager, Hellmut
Die Anfänge des italienischen Altarbildes: Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte des toskanischen Hochaltarretabels — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 17: München: Schroll, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48329#0021
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Figuren ausgeschaltet sind, das in der Kirche am Forum gegebene Vorbild variieren, dessen Nach-
wirkung außerhalb Roms noch die Assuntadarstellung von S. Pietro in Tuscania offenbar werden läßt
(drittes Viertel 11. Jh.)38. In der Aufreihung von Heiligen neben der Standfigur Christi und der Über-
nahme des Streifens mit den Lämmern verbindet sich dieser Tradition das Fresko in S. Maria in PaUara
(S. Sebastiano al Palatino), das unterhalb der Apsiswölbung Maria als Orante zwischen weiblichen
Heiligen wiedergibt (973-977)39. Auf dem Apsisfresko von Castel S. Elia bei Nepi (Ende 11. Jh.)40 wird
der Heiland vom Apostelpaar begleitet, dem Moses und Elias folgen, die Bäumchen in den Händen
halten. Wie in SS. Cosma e Damiano und S. Prassede erscheint an der Stirnwand die apokalyptische
Szene mit den 24 Ältesten, die jedoch Kelche statt Kronen darbringen. In inhaltlichem Anschluß
hieran sind an der rechten Wand des Querhauses in drei Etagen eschatologische Szenen dargestellt.
Unterhalb einer die symbolischen Lämmer enthaltenden Zwischenzone thront die Himmelskönigin
zwischen den Erzengeln und weiblichen Heiligen.
Schon am Anfang des 11. Jhs. ist die Apsismalerei von S. Vincenzo a Galliano bei Cantü entstanden41,
die Christus mit ausgebreiteten Armen in einer Mandorla stehend darstellt. Vor ihm werfen sich
Jeremias und Ezechiel nieder. Seitlich sind Michael und Gabriel (zerstört) angeordnet. Schriftbänder
mit den WTorten peticio und postulatio in den Händen haltend, erscheinen sie als Ankläger beim
Endgericht. Unterhalb der weit herabgezogenen Hauptdarstellung mit der durch die maßstäbliche
Vergrößerung ikonenhaft hinter dem Altar des Hochchores aufragenden Gestalt Christi wird des
Kirchenpatrons in vier Szenen aus seiner Vita gedacht, die sich in einem predellenartig niedrigen Streifen
befinden.
Der thronende Heiland zwischen den Erzengeln und Apostelfürsten begegnet um 1011 an der
Altarwand der in einem Tempel oder Sepulchralbau des 2. Jhs. n. Chr. eingerichteten Kirche
S. Urbano alla Caffarella bei Rom42. Auch in der folgenden Zeit ändert sich nichts an der christo-
zentrischen Ausrichtung des Dekorationssystems. Demus43 beobachtet eine ,,homogene Tradi-
tion“, für die er die nachstehende chronologische Folge auf stellt: S. Angelo in Formis (Ende 11. bis
Anfang 12. Jh., Abb. 1), S. Maria di Ronzano (ca. 1180), S. Paolo bei Spoleto (um 1200), Fossa
S. Maria ad Cryptas (Mitte 13. Jh.), S. Maria a Bominaco (um 1260), Anagni, Thomaskapelle (zweite
Hälfte 13. Jh.).
Als gemeinsame Züge dieser in querschifflosen Kirchen auftretenden Dekorationssysteme nennt er
die thronende Figur Christi in der Apsis, die Anordnung von Propheten und Zyklen des Alten und des
Neuen Testaments im Langhaus sowie die Verteilung der Legendenszenen in den Seitenschiffen oder
an den Wänden der Eingangshallen. Demus faßt diese Übereinstimmungen als Hinweise auf, daß es
sich bei den von ihm angeführten Beispielen um „provincial echoes“ eines gemeinsamen, heute verlorenen
Vorbildes handelt, für das die frühchristliche Ausstattung von Alt-St. Peter und S. Paolo fuori le mura
in Frage kommt. Da die Kirchen, in denen das System übernommen wurde, entweder selbst benedikti-
nisch sind oder doch in Regionen liegen, die unter einem starken Einfluß des Ordens gestanden haben,
sieht er im Benediktinertum den tragenden Faktor für die Wiederbelebung dieser Tradition und glaubt,
daß die von Desiderius wiederhergestellte Mosaikausstattung der 1071 geweihten Hauptkirche in
Monte Cassino den Ausgangspunkt bildete44, die in der Apsis den thronenden Christus mit den beiden
Johannes und anderen Heiligen zeigte. In den Nebenkonchen befanden sich die Figuren der Mutter-
gottes und des hl. Gregor. Die Quer- und Langhauszyklen sind uns nicht bekannt, in der Vorhalle
waren Szenen des Alten und Neuen Testaments dargestellt. Obwohl die Dekoration der mittleren
Tribüne und des Atriums von einer früheren Ausschmückung in Monte Cassino her angeregt
sein kann, hält Demus doch wegen der Nachahmung der konstantinischen Inschrift durch Desi-
derius am Triumphbogen der Abteikirche den Fall einer bewußten Wiederbelebung für gegeben und
betrachtet deshalb die Mosaiken als Bindeglied zwischen dem frühchristlichen Rom und dem späteren
Mittelalter45.
Was die Themenwahl für das Hauptbild angeht, so wird im Hinblick auf unsere späteren Untersuchungen
die Feststellung von Bedeutung sein, daß der Benediktinerorden sich mit Nachdruck für die Bei-
behaltung der christologischen Majestasmotive einsetzt.
In diesen Zusammenhang gehören ferner die schon erwähnte Erneuerung des Mosaiks von S. Paolo
fuori le mura in Rom und die um 1200 in S. Ambrogio zu Mailand durchgeführte Restauration, welche
nach Francovich46 den kompositorischen Bestand des aus der Zeit um 835 stammenden Vorgängers

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