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Hartlaub, Gustav Friedrich
Ansprache zur Wiedereröffnung der Kunsthalle Bremen am 23. Juni 1961 — Bremen, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.19123#0010
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waren, in dem etwas kühlen und nüchternen Klima der Kaufmannsstadt eine wissen-
schaftlich und künstlerisch interessierte Geselligkeit ins Leben zu rufen. Der von ihr im
Hause Am Altenwall gebildete Mittelpunkt, die damals in den bremischen Kreisen
wegen ihrer „Freiheit" viel beredeten Teenachmittage, von denen uns in ihren Lebens-
erinnerungen Bürgermeister Alfred Pauli (Vater des Kunsthallendirektors) und der
Notar Dr. Carl Theodor Oelrichs erzählen, konnten sich natürlich nicht den geselligen
klassisch-romantischen Zentren vergleichen; doch habe ich mir sagen lassen, daß der
Bremer Kreis gewisse Beziehungen zum nachklassischen Weimar unterhielt. Madame
Hartlaub hat bei ihren Teestunden den Ton angegeben, denn der Herr Gemahl, kauf-
männischer Senator, Mitinhaber der Firma Johann Lange Sohns Witwe, aber auch ein
Sammler alter Gemälde — also wohl nicht völlig amusisch gesinnt — soll sich selten
haben blicken lassen. Dagegen gehörte die bekannte Porträt- und Blumenmalerin Fräu-
lein Luise Kugler (1811—1884) seit ihrer Übersiedlung nach Bremen anno 1849 zu den
ständigen Gästen. Sie war die Schwester des berühmten Kunsthistorikers Franz Kugler,
dessen Geschichte Friedrichs des Großen ein Adolph Menzel illustriert hat. Sie erteilte
den Damen der Bremer Gesellschaft Malunterricht; wahrscheinlich, daß bei ihr auch die
Senatorin in ihren späten Jahren noch Stunden genommen hat. Einige von diesen in
Deckfarben gemalten, noch in der Familie erhaltenen „Pflanzenstücke" mit allegorischem
Einschlag überragen die tüchtigen, aber konventionellen Vorbilder der Lehrerin, von
denen unser Kupferstichkabinett eine ganze Reihe bewahrt, geradezu auffällig; sie wir-
ken „modern" und werden von Beurteilern häufig unserem 20. Jahrhundert zugeschrie-
ben. Für die lokalbremischen Kunsthistoriker ist hier noch eine Entdeckung zu machen.
Der Sohn der begabten Malerin, Dr. med. Gustav Hartlaub (1814—1900) — mein
Großvater also —, war in der Hauptsache Naturforscher, Ornithologe, hochverdient um
die Bremer naturwissenschaftlichen Sammlungen, als Spezialist für die afrikanische
Vogelwelt noch heute jedem Fachmann bekannt. Das kleine Hartlaubarchiv im heutigen
Bremer Übersee-Museum mit seinen Briefen und Reisetagebüchern verrät aber auch
einen nicht nur naturwissenschaftlich gerichteten Geist: den Bildungsreisenden, Kunst-
kenner und Kunstfreund. An seinen sonntäglichen Besuchen in der benachbarten Kunst-
halle — von der Familie begleitet, und mit dem obligaten Zylinderhut auf dem Kopf —
habe ich als Kind gelegentlich teilnehmen dürfen. Ich erinnere mich sehr wohl an das,
was es da zu sehen gab: etwa an die beliebten Schweizer Ansichten von Calame, die
sich ständig vermehrenden Landschaften der Brüder Achenbach, die harmlosen Gemälde
der Düsseldorfer Schule — Genrebilder von Vautier, Meyerheim, Knaus und wie sie
alle hießen, nicht zu vergessen den unvermeidlichen Defregger mit seinen Salontirolern,
dazu den schon interessanteren Münchener Damenmaler Lenbach, wozu noch einige
Einheimische kamen, etwa der wegen des Fleißes seiner „Lupenmalerei" viel bewunderte
Karl Spielter; alles weiter keine beunruhigenden Probleme aufgebende Könner, deren
Werke — zu recht soliden Preisen übrigens! — auch im Büro der Kunsthalle beim Kon-

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