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Haupt, Albrecht <Prof. Dr.>
Geschichte der Renaissance in Spanien und Portugal — Stuttgart, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.29902#0018
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Spanien

vernichtete bei Lepanto noch 1571 die ttirkische Seemacht, der vorletzte König
von Portugal, Sebastian, unternahm 1578 den phantastischen Kriegszug nach
Marokko, der freilich in der Vernichtung des portugiesischen Heeres bei Alcasser
el Quivir ein jähes Ende fand; clie Inquisition beherrschte längst beide Länder,
die Gründung des Jesuitenordens durch Ignaz von Loyola gegen Mitte des
Jahrhunderts schuf dem spanischen Religionseifer neue Waffen, die zuletzt im
Dreißigjährigen Kriege auch die deutsche Reformation zu vernichten drohten,

— alles dies der Ausdruck des spanischen, alles andere zurückdrängenden un-
geheuren Triebes, die katholische Religion politisch zur absoluten Herrscherin
aller Völker, nicht nur Europas zu machen. Und es blieb dies für die Iberische
Halbinsel selbst für die ganze Renaissancezeit bis in ihre letzten Ausläufer das
Bestimmende, nicht nur politisch, sondern auch für alle Kultur- und Kunst-
äußerungen. Nur unter diesem Gesichtswinkel ist die iberische Renaissance
ganz zu verstehen, auch darin, daß in der bildenden Kunst neben dem Bildnis
eigentlich nur religiöse Gegenstände zur Darstellung kamen.

Zu dieser Grundlage des spanischen Wesens tritt nun noch die eigenartige
Völkermischung. Den Nachkommen der alten Iberer und der griechischen
und römischen Kolonisatoren hatten sich seit der Völkerwanderung mächtige
Germanenmassen gesellt, Vandalen, Sueven und Westgoten. Über dies Gemisch
ergoß sich seit 711 die ungeheure Araberflut, denen Mauren und Berber nachfolgten.
So kreuzten sich hier die Rassen des Nordens, Westens und Südens mit denen
des reinen Orients, das Bild der Kultur wechselte vielfältig, und jede Erscheinung
ließ ihre Spuren zurück in dem völkischen Schlußergebnis, das sich seit dem
Abschluß der Wiedereroberung ais ein neu sich aufbauendes ergab, in jenem
spanischen Nationalcharakter, wie er sich heute nocli als etwas ganz eigen-
tümliches der Welt darstellt.

Mehr nun noch, als in irgend einem anderen Lande, war das Herrscher-
haus für die Kulturbewegung der Halbinsel bestimmend; selbst rnehr als in
Frankreich, wo man doch jeden neuen Kulturabschnitt mit dem Narnen des
jeweiligen Königs oder Regenten zu bezeichnen liebt. Insofern, als seit etwa
1480 hier Politik und Richtung von Volk und Herrsckerhaus bis auf kurze innere
Bewegungen (communeros, Adelsaufstände, Maurenerhebung) von erstaunlicher
Einheit blieben. — Der Beginn der neuen Zeit fällt mit der Vereinigung der
noch getrennten Länder durcli die Verheiratung der kastilischen Erbin Isabella
mit dem Infanten Ferdinand von Aragon zusammen (1469). Die starke Politik der
katholischenKönige, wie dasberühmteEhepaargenanntwird, nachinnenundaußen
übte freilich einen ungeheuren Druck in religiöser Hinsicht auf das spanische Volk
(Inquisition) aus und bereitete die planmäßige Austreibung der Mauren vor, die
im Anfang des 17. Jahrhunderts zum Schaden des Landes vollendet war, unter-
drückte anderseits die letzten aufrührerischen Bewegungen des spanischen Adels,

— schuf aber so fiir Spanien langsam die Grundlage der iiberragenden Stellung,
die es bis ins 17. Jahrhundert in Europa einnahm. Große Staatsmänner, zuerst der
„große Kardinal“ Pedro Gonzales de Mendoza (-j-1493), dann sein gewaltiger Nach-
folger Jimenez de Cisneros (-f 1517), standen denkatholischen Königen zur Seite, spä-
ter ihrem Enkel Karl V, bis dieser die Zügel der Regierung selbst in die Hand nahm.

Die allgemeine Kultur der Renaissancezeit stand denn völlig unter diesern
Banne, wie die bildende Kunst als ihr getreuester Spiegel auf das klarste
erweist. Die Baukunst ist da besonders bezeichnend durch die Art der Bauwerke,
in der sich jene Auffassung des Daseins deutlich zu erkennen gibt. Man kann
sagen, daß, abgesehen von den zahllosen Kastellen des Landes, die seine kriege-
rische Vergangenheit erfordert hatte, in der Architektur sich ganz überwiegend
die Religion als den führenden Gedanken erwies. Die Gebäude für den Kultus
 
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