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Wien, 28 März. Wie ich vernehme
iſt über die künftigen Beziehungen des Fi-
nanz- und des Handelominiſteriums und
über die neue Organifirung des letzteren
hohen Orts eine Eniſcheidung erfolgt. Beide
Verwaltungszweige bleiben demnach unter
einheitlicher Leitung eines Miniſters. Un-
ter dieſem keitet die Geſchäfte des Handels-
miniſteriums ein Unterſtaatsſecretär und die
ihin untergebenen Sectionschefs. Die Stel-
lung des erſtern würde in manchen Bezie-
hungen und bis zu einem gewiſſen Grad
felbiiftändig und unabhängig, der Wir-
kungoͤkreis der Sectionen nach den Haupt-
fächern Bau, Communicationen, Handel,
ſchärfer geſchieden und die Geſchäfte neu
vertheilt werden. Die Eorreſpondenz bei-
der Miniſterien würde nicht mehr durch
Noten ſondern durch Referatsbogen ver-
mitteli! Mit der neuen Einrichtung wären
alfo, voraudgefeßt, daß die vorſtehenden
Angaben richtig ſind, im Weſentlichen die
von dem Miniſter Nitter v. Baumgartner
bevorworteten Ideen zur Geltung gekom-
men, und es fänden die in den letzten Wo-
chen in Umlauf geweſenen Gerüchte von
Miniſterveränderungen ihre Exledigung.

Wien, 30. März. Vor einigen Tagen
ſind mehrere abgeurtheilte politiſche Ver-
brecher von Verona unter ſtarker Militär-
escorte hier durchgebracht worden, deren
Beſtimmüngsort zur Abbüßung der Strafe
die Feſtung Joſephſtadt in Böhmen iſt. —
Die politiſche Organiſation der Provinzen
wird gleichzeitig mit der juſtiziellen auf die
angeſtkengtẽſte Weiſe verhandelt, ſo daß die
diesfälligen gemiſchten Commiſſionen nicht
nur täglich Vormittags Sitzungen im Mini-
ſterium des Innern halten, fondern dieſe
auch Nachts häufig bis 1 Uhr wiederholt
werden. Die betreffende Arbeit hat dem
Vernehmen nach, Ausſicht, bis im Junid.
Zvoͤllendet Au Hen

Fraukreich.

x Baris, 30. März. Ohne Geräuſch
und Eclat hat heute die Legistative ihre
Thätigkeit begonnen. Billault hielt eine Art
Eröffnungsrede, die man wohl aus dem
Proloeoll kennen lernen wird. In Weſent-
uͤchen foll er geſagt haben, Frankreich habe
zu ſeinem Erwaͤhlten ein bisher in der Ge-
ſchichte ſeines Gleichen nicht aufzuweiſendes
Mertrauenz die gegenwärtigen Inſtitationen,
auf den Grundfäßen des Jahres 1789 ru-
hend, hätten ihre Weihe durch das Seru-
tinium vom 20. December empfangen; die
Aufgabe des geſetzgebenden Koͤrpers ſei
weder der Größe noch der Initiative ent-
kleidet, wenn man an der Tribüne nicht
mehr die Evolutionen ſehe, welche nur den
Sluͤrz der Miniſterien bezweckten; die Kam-
mer müffe ſich mit ernſten Dingen befaſſen.
Die Koſtümfrage bleibt, inſofern ſie die
Mitglieder des geſetzgebenden Körpers be-
triffi dieſem ſelöſt vorbehalten und wird
derſelbe in geheimer Sitzung darüber bera-
then! Für heute Abend ſind die Abgeord-
nete ins Elyſee eingeladen. Uebrigens ſoll
ſich im geſetzgehenden Koͤrper bereits eine
aus etwa 40 Mitgliedern beſtehende Frac-
tion gebildet haben, die man „die Unab-
hHängigen“ neunt und vorige Woche ſchon
einigemal zu Berathungen verfammelt ge-
wefen ſeien! Sie will politiſche Debatten
nach Möglichkeit vermeiden, um bei der Re-
gierung den Vorwurf nicht zu Veranlaffen,
die Kammer hindere den Prinz⸗Präſidenten
in ſeiner Wirkſamkeit. Dagegen will die
Fraction den finanziellen Inlexeſſen des
dandes ganz beſondere Aufmerkſamkeit zu-
wenden und nach dieſer Seite hin keine
Conceſſion machen da ſtie es für Ehren-
pflicht hält, die Steuerpflichtigen zu ver-

treten. In Folge deſſen würde ſie die Aus-
gabeetats$ fuͤr das Budget von 1853 im
Detail ſich vorlegen laſſen.! V

Italien.

Ront, 23. Marz Seit einigen Tagen
weilt aus Neapel ein außerordentlicher Be-
volmachligter hier, der mit der römiſchen
Regierung über den Abſchluß eines neuen
Handels= und Schifffahrtstractrats verhan-
delt. Der jenſeitige Vorſchlag geht auf
völlige gegenfeitige Gleichſtellung der bei-
den Slaggen in hieſigen und dortigen Hä-
fen, fowie auf Einführung eines möglichſt
ebenmäßigen Zolltarifs für die zu Lande
gehenden Producte, um auch dadurch den
Schmuggel zu beſchränken. — —

Ruſil and.

Aus Nußland, 22. März. Die Vor-
anſtalten zur grotzen Eiſenbahn, die unſere
nordiſche Metropolis mit Warſchau verbin-
den wird, nehmen die Thätigkeit der betref-
fenden Behörden außerordentlich in Anſpruch.
Daß mehr ſtrategiſche als commereiehe oder
ſonſtige Rückſichien den Plan zux Ausfüh-
rung dieſer Bahnlinie hervorgerufen haben,
erfheint ung außer 3weifel Die Bahn
wird von wichtigen Stadten Pſkow, Düna-
burg (Feſtung), Wilna, Grodno und Bia-
lyſtoͤk derührt und durch eine Zweigbahn
mit Riga in Verbindung geſetzt werden.
Große Terrain-Schwierigkeiten ſollen der
Uebergang über die Düna und die Lage
von Wilna bieten, da die letztere Stadt in
dem niedrigen Flußthale der Wilia liegt, an
dem ſich von einer Seite eine hohe Berg-
kette hinzieht. Deshalb wird, ſobald es die
Jahreszeit irgend geftattet, die Bahnlinie
zwar an verſchiedenen Punkten, namentlich
aber die Baͤhnſtrecke um Wilna, mit dem
größten Aufwand von Arbeitsfräften in An-
zriff genommen werden. Saͤmmtliche Eiſen-
bahnfchienen zu dieſem Baue liefern eng-
liſche Fabriken! In dem verfloſſenen Winter
ſind, begünſtigt durch gute Schlittenbahn,
von unſern Großhändlern in dem an dem
Dniepet und an der Düna gelegenen Städten,
namentlich in Witebsk, ganz enorme Vor-
räihe in Getreide aufgeſpeichert worden, Die
mit dem Beginne der Schifffahrt nach Niga
zur weiteren Ausfuhr verladen werden ſollen-
Auch in den Niemenſtädten Grodno und
Kowno befinden ſich beträchtliche Getreide-
lager, die zum Theil ſchon nach Preußen
velkauft ſind. Die Ernte in den um Peters-
burg gelegenen Gouvernements iſt im vori-
gen Jahre nicht beſonders günſtig geweſen,
deshalb wird von Petersbuͤrg die Ausfuhr
an Getreide gering ſein. (3. 30

Manuheint, 31. März. (Schluß.) Am
25. Juni ward er nach Weißenburg abge-
liefert, von dort aber am 29, nach Lauter-
burg mit der Erlaubniß zurückgebracht, ſich
noch 4 Tage daſelbſt bei Gefängnißverwal-
ter Beck aufzuhalten, da er vorgab, er er-
waͤrte Geld von feinem wohlbabenden Va-
ter, um nach Amerifa auszuwandern. Nach-
dem er dori einen Brief an ſeinen Vater,
worin er um etwas Geld und Wäſche bat,
abgeſchickt hatte, verließ er am Nachmittag
des 3, Juli fein Aſyl unter dem Vorgeben,
er wolle heimreiſen und einige huͤndert
Sulden bei ſeinem Vormund erheben! Der
Sohn des Gefängnißverwalters Beck/ wel-
cher wie ſeine Ellern kein Meſſer, ſondern
nur eine alte Meſſerklinge bei ihm gefehen
hatte, begleitete ihn nad) Neulauterburg in
die Wirthſchaſt des Louis Fettig, wo Franz
Michael Hecht anweſend war, der eine alte
blaue Bloufe und einen Buͤndel in einer
alten hellen leinenen Hoſe zuſammengebun-
den über die Achſel und einen rothen baum-
wollenen Regenſchirm trug und in ſeinem

Geldbeutel grobes Geld zeigte. Dieſer kam
mit Börſchinger ins Geſpraͤch, verabredete
mit ihm zuſammen zu reiſen, erbot ſich,
ihm unterwegs Geld vorzuſchießen und ging
mit ihm, von dem jungen Beck noch eine
Strecke begleitet, auf dem Weg nach Lan-
genfandel weiter. Beck haite dem VBör-
ſchingex, der in der Fettigſchen Wirthſchaft
zechfrei ausging, eine blaue reine Blouſe
und ein halbes Fraͤnkenſtück geſchenkt! In
Neulauterburg haͤtte Hecht das obenbezeich-
nete Dolchmeſſer ſehen laſſen. Zwiſchen 7
und 8 Uhr kehrten Hecht und Börfchinger
im Röſſelwirthehaus in Langenkandel ein.
Um 8! Uhr Etzten ſie ihren Weg in der
Richtung nach Rheinzabern fort und fuhren
mit einem ſie unterwegs einholenden Wa-
gen bis an das Pfalzwirthshaus dafelbft,
mo Börſchinger mit ſeinem Halbfrankenſtück
ſein Bier zahlıe. Um ?10 Uhr gingen ſie
zegen Ruͤlzheim zu weiter, nach 1211 Uhr
durch dieſes Dorf und nach 3411 Uhr Nachts
außerhaldb deſſelben gegen Germersheim zu,
an welcher Straße am andern Morgen die
Leiche des Hecht, feines Geldes und Dolch-
meſſers beraubt, gefunden wurde. . Nach
122 Uhr hörten Leute, welche auf einem .
Acker an dieſer Straße Reps ſchnitten eiz
nen graͤßlichen Schrei und „nach ein Paar
Vaterunſer Länge“ einen zweiten ſchwä-
chern. Yın andern Morgen ſchloß ſich der
bisherige Begleiter des Ermordeten zuSchwe-
genheim, an der von Landau nach Speyer
führenden Landſtraße, 3'/a Stunden von
Rulsheim entfernt, an 2 Handwerksburſche
an, die er dort und in den Ortſchaften bis
nach Otterſtadt, öfter in mehreren Wirths-
häufern deſſelben Oris mit der größten
Freigebigkeit zechfrei hielt, indem er fran-
zöſiſches Geldeprahlend zeigte, ſich für den
Sohn eines reichen Bauern in Großſach-
ſen ausgab, der zu Haus Geld holen wolte,
um nach Amerika zu reiſen, und ein Doldhs
meſſer, wie das oben beſchriebene,
zeigte. In Otterſtadt zahlte er mit einem
Funffranken· und einem Zweifrankenſtück.
Er ließ ſich noch Abends nach Ketſch über-
ſetzen und hielt dort Alle, die ſich Dort zu
ibm geſellten, zechfrei! wobet er zur Zahlung
auch ein Fünffrankenſtück ausgab. Nach 11
Uhr verließ er das Wirthshaus unter dem
Vorgeben, ſeine Heimreiſe noch fortzuſetzen,
trat jedoch noch mit einer in Ketſch woh-
nenden Bekannten in Verkehr! Den anz
dern Morgen in einer Scheuer daſelbſt ent-
deckt und feſtgenommen, gelang es ihm,
dem Polizeidiener zu entfliehen er wurde
jedoch am Rheindamme eingefangen, wo er
nod) 3 Fünfftankenſtücke und. das Doͤlch-
meſſer im Beſitz hatte, In der Gegend des
linien Schulterblattes fanden ſich an der
Blouſe ein verwaſchener und ein mit einem
Riß umgebener Flecken vor,. durch deren
cheimniſche Unterſuchung ſich herausſtellte, daàß
ſie von Blut herrühren. Das Hemd war
ihm wie die Bloufe, nach den Verſicherun-
gen der Gefängnißverwaͤlter Beckſchen Fa⸗—
milie in Lauterburg, rein übergeben woͤr—
den, welche dag aM Thaͤtplatze zerbrochen
vorgefundene Meffer als ihr nacdh Böre
ſchingers Abreiſe Vermifßtes, in ihrem Be-
ſitze aber noch nicht geſchliffenes Schuhputz-
meſfer erkannte, woran Bech der Vater,
ein Sattfer, von dem Ende eines Peitſchen-
ſtiels das Heft ſeibſt gefertigt hatte! Das
Dolchmeſſer wurde als dem in Hechts Be-
ſitze geſehenen ganz gleich anerkannt. Den
an dem Thatpiatzẽ nicdbergeiretenen rothen
Schirm erkaͤnnte der frühere Dienſtherr des
Ermordeten, Gaͤrtner Schwing in der Ru-
prechtsau, eben ſo als ihm entwendet an,
wie 6 der Hemden ‚in dem in der Nähe
des Thatplatzes aufgefundenen Bündel
Gegenüber der Begruͤndung der Anklage
 
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