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} Dounerſtag, 3. Juni

1852



Bertte werden gratts beigegeben.
Ausiunft erthetlt, die Spaltzeile in Petitſchrift 4 fr.

+# Ein Wendepunkt in der Welt-
7
geſchichte::

Nichts trägt mehr dazu bei, die Löſung
der dereutungsvollen Fraͤge, wie das Ver-
hältniß von Staat und Kirche zu ordnen
ſei, zu erſchweren, fa gänzlich zu vereiteln,
als die Nichtbeachtung der weltgeſchichtlichen
Entwickelung des politiſchen und religiöfen
Lebens der Völker, das Verkennen der Ge-
fege, an welche ihr Verlauf gebunden iſt,
und die Subſtituirung der Doctrin, die
alle Zeiten nach einem Maßſtabe mißt, an
die Stelle der Einſicht in das, was der ge-
genwärtigen Zeit, was dem einzelnen Lande,
dem einzelnen Volfe, je nach dem Stand-
punkte ſeiner Bildung, und ſeiner Entwicke-
luna im Ganzen, in politiſcher, religioſer
und geiſtiger Beziebung entſpricht.

In diefen Fehier verfiel man auf politi-
ſchem Gebiete und vie Früchte dieſes Feh-
lers waren bitter; in dieſen Fehler drohen
nun aber auch Die zu verfalien, vie auf
dem religiöſen für Regelung des Vexhaͤlt-
niſſes zwiſchen Staat und Kirche eine Nor
aufſtellen, die, einer abſtracten Doctrin
eninommen, mit der Qualität der lebendi-
gen Thatſachen nimmermehr in Einklang
zu bringen iſt.

Niemand bezweifelt, Niemand beſtreitet,
daß zur Hebung des geſunkenen ſtitlichen
Geiſtes der Maſſen, ja des Volkes in allen
ſeinen Schichten, die Kräftigung des reli-
gibſen Glaubens, des chriſtlichen Bewußt.
ſeins eines der wirkſamſten, ja nothwendig-
en Mittel ſei; Niemand befireitet, daß in
Folge deſſen der Kirche eine Stellung im
Staate geſichert werden müſſe, welche der
Würde und der Wirkſamkeil ihres Amtes

entſpricht.
gabe der Kirche im Staate iſt nun aber auch
den Geſetzen unterworfen, an welche die
Entwickelung alles Menſchlichen gebunden
iſt. Sie vühmt ſich göttliden Urfprunges,
göttlicher Einſetzung; man kann das zuge-
ben, nicht aher die Folgerungen, die ſie dar-
aug ziebt Auch der Staat iſt eine göttliche
Einrichtung, wie auch ale OD bhrigkeit von
Gott geordnet ift. Aber wie der Staat,
rotz ſeines Charakters als einer göttlichen


Fernen unterworfen iſt, weil das Menfchen-
Eſchiecht, wie der einzelne Menſch, gewiffe
Stadien der Entwickelung durchlaufen muß,
fo ift aug die Rirde an dieſes Gefep ge-
bunden, denn derſelbe Menfd) iſt der Trä-
ger Des politiſchen, wie des religiöſen Get-
feS, Des weltlichen wie des geiftlichen Amtes,
©ott ſchuf den Menfchen nach feinem Bilde,
aber kein Menfch {A ein Gott, und ſo iſt
der Nenſch {m Stant wie {n der Kirche
der Stufenfolge menfchlicdher Entwickelung
unterworfen; UND, wie der Staat zu ver?
ſchiedenen Zeiten ein verfchiedener iſt, der
Venſch zu verſchiedenen Zeilen ein ver-
ſchiedener an Bildung, Sitte, Charafter,
und wenn er einmal eine Stufe überfohrit-
ten hat nicht mehr auf dieſelbe zurücdtfehrt,
fo in auch die Kirche eine verſchiedene zu
verſchiedenen Zeiten, ihr Verbhaͤltniß zum
Staat ein dem Wechſel der Zeiten unier-
worfenes.




Pteis Halbjährith in Heidelberg: 2 fl. 6 Ir



Der Staat. auf ſeiner dermaligen Ent-
wickelungsſtufe verträgt-—nun einmal keine
ſierarchifche Macht wie die mitelalterliche
war, er ſei kaihoͤliſch
und fedes offene oder verfüllte Streben,
der Kirche eine‘ ähnlichẽ Steilung wieder
zu erringen, muß und wird ſcheitern an
der Macht von Thatſachen, die keine Doc-
trin pon der Goͤtilichkeit, Unmwandelharkeit
und Unzerſtörbarkeit der Kirche zu Defeiti-
gen vermag.

Der Kampf zwiſchen Staat und Kirche
iſt nicht neuz er zieht ſich eben ſo durch

Kampf zwiſchen Königthum und Vaſallen,
und es waͤren mitunter Koͤnige, wie der

Ludwig IX. von Frankreich, die dei aller
„Demuth vor den Dienern der Kirde, bei
aller. unbezweifelten Religioſität und glü-
hendem SOlaubengeifer, doch mit der größ-
ten Energie die Uebergriffe der Hierarchie
in ibr Föniglihes, von Gott, nicht der
Kirche ſtammendes Amt zuͤrückwiefen! Wir
erinnern nur an des genannten frommen
Königs pragmatiſche Sanction von 1269,
die Grundlage der Freiheiten der gallitaͤ
niſchen Kirchẽ. Schluß folgt.)

Deutſchland.
Mainz, 30. Mai. Sehr erfreulich iſt
e$ mir, Ihnen melden zu koͤnnen, daß die
ſeit einigen Wochen an dem Rheinzollamt
Caub und ſpätek demzufolge auch dahict
vorgenommene Rheinzoͤllreviſion mit heute
auf beiden Stellen aufgehört und die Dampf-

Fahrlen ohne Aufenthalt fortſetzen können.
Wiesbaden, 28. Mai. In der heuti-
gen Sitzung der 2, Kammer erktätte nach
Berleſung des Protocolls der vorigen der


Herzogs die diesjahrige Diät der Stände-
verſanmlung für geſchioſſen und verſicherte
die Verſammlung der höchſten Huld und
gnade. 2 CFn Pztg.
Landau, 29. Mai. Dem BVernehmen
nach bat der Verwaltungsrath der pfaͤtzi-
Oen Ludwigsbahn * in ſeiner gefirigen
Sigung ſich gutachtlich dahin ausgeſprochen,
daß das erforderiiche Kapital für den Bau
der Eiſenbahn von Neuſtadt über Landau
nach Weißenburg durch eine Actienfubferip:
tion aufzubringen ſei. Bet dem günftigen
Courſe der vierprocentigen Actien der ypfäl-
ziſchen Ludwigshahn läht ſich erwarten, daß
die erwähnte Actienſubſeription einen ra-
ſchen Fortgang finden werde, da bekannt-
lich fur das Bau- und Einrichtungskapttal
der neu zu errichtenden Bahn eine Ver.
zinſung mit 41% %, von Seiten des Staats
gewährleiſtet wird. —
Frankfurt, 27, Mai. IN Vverfchiede-
nen öffentlichen Blättern iſt die Nachricht
enthalten, der Herzog von Aaguſtenburg
beabfichtige die Herrſchaft Rutbus auf der
Inſel Rügen zu kaufen. Dieſe Nachricht
glauben wir alg eine völlig undegründete
bezeichnen zu können, und zwar um ſo
nehr, als es uns bekannt iſt, daß dem

Herzoge Anerbietungen in Betreff An-





kaufs grober Beſitzungen in verſchiedenen
ſüddeulſchen Staaten gemacht ſind, die von
demſelben nicht abgewieſen wurden. (3.%)
Berlin, 25. Mai. Von den Revifiong-
beſchlüſſen, welche von beiden Kammern
angenomMmMeN wurden, hat der eine die kgl.
Sanction erhalten und wird derſelbe durch -
die neuefle Nummer ver “Gefegfammlung
bereits publicirt. Er Jautet: Wir Iries
drich Wilhelm, von Gottes Onaden König-
von Preußen re. verordnen, mit Zußime.
mung. der Kammern, was felgt! Art, 1,
Die Artikel 94 und 95 der Verfaſſungsur-
funde vom 31, Januar 1850 find aufgehos
hen. An deren Stelle treten folgende Be-
ſtimmungen: Art, 2. Bet Veroͤrechen er-
folgt die Entſcheidung über die Schuld des
Angeklagten durch Geſchworene, inſoweit
ein mit vorheriger Zuſtimmung der Kain-
mern erlaſſenes Gefetz nicht Ausnahmen
beftimmt. Die Bildung des Geſchwornen-
cerichtẽ regelt das Gefeß, Art 3, Eg kanr


Kammern zu erlaffendes Gefetz ein befonde-
rer Gerichtshof errichtet werden deſſen Zu-
ſtändigkeit die Verbrechen des Hochberralhs
and dieienigen gegen die innere und Au-
here, Sicherheit des Staats, welche ihm
durch das Geſetz überwieſen werden, be-


genhändigen Unterſchrift und beigedruͤcktem
Inſtegel. Gegeben Berlin, 21. Mai
1852. (L. S.) (gez.) Friedrich Wilhelm.
v. Manteuffel. v. D, Heydt. Simons, *
Kaumer, v, Weftphalen, v. Bodelſchwingh.
v, Bonin. —— 2 — —

Berlin, 27, Mai. Den widerfprechen-
den Angaben gegenüber, welche von den
Blättern in Betreff der Verzichtleiſtung
oder Nichtverzichtleiflung des Herzogs von
Auguſtenburg verbreitet worden find, kann
auf Grund einer hierher gemachten Mit- }
theilung, die ſich auf Neußerungen des DHer-
zogs ſelbſt bezieht, herworgeboben werden,
daß der Herzog v. Auguſtenburg auf feine
Nechte auf Holftein Feineswegs VBerzicht ge-
leiſtet, hat. Es wird in dem Schreiben
darauf hingewieſen! daß der Herzog von
Auguſtenburg der Anſicht ſei/ dah er Ju ei-
ner Berzichtleiftung der ihm zuſtaͤndigen te-
gitimen Rechte ſich nichi berechtigt halten
könne, da es ſich bei dieſer wichtigen An-


handle, ſondern die Intereſſen des Deutz
chen Vatexlandes ſehr weſentlich damit ver-
ochten ſeien. —
Berlin, 29. Nai Geſtern gegen 6 Uhr
Abends traf auf der ſchleſiſchen Eiſenbaͤhn
mittelſt Extrazuges ein Flügeladjutant Sr.
Maj. des Kaiſers von Rußland hier ein,
und begab ſich ſofort an das königl. Hofe
lager nach Potsdam, um von einem Unfall
Nachricht zu bringen, der übrigens keine
unglücklichen Folgen gehabt. In der Ge:
gend von Ezenſtochau iſt nämlich der Eytra-
3ug, der Se, Maj. den Kaifer und Se,
fönigl. Loheit den Prinzen Friederich Kark
nach Warſchau führte, aus den Schienen
gekommen, wobei zwei Wagen bedeutend
heſchädigt ſind. Se. Maj. der Kaifer, Se,
königl. Hoheit der Prinz Friederich Karl
 
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