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N: 194.

ßvnnetftag} 19. Auguſt

. —


—⏑⏑ Die ⏑
— beigegeben:
Husfunft ertheilt, dbie Spaltzeile in Betitfhrift 4 Ir.



Die Landwirthfehaftlihen


4 Die Sophiſten und das Chri-
2 ſtenthum.

Unter dieſer Ueberſchrift bringt das „deut-
ſche“ Volksblatt Nr. 188 einen Artikei, der
uns zu fehr angeſprochen hat, als daß wir
unſere Freude darüber nicht ausſprechen
ſoliten. Sein Verfaſſex entflicht dein Ge-
dränge /lirchlicher Erörtexungen?, um auf
der Anhöhe des freien Himmels zu genie-
ßen, wie er ſagt. In der Char, manche
kirchlichen Erörterungen, beſonders im Volkg-
blatt, der Volkshalle, dem Mainz. Journal,
den öſterreichiſchen politiſchen Blätiern, bil-
den einen Höllenbrodem, der, zwiſchen Erde
und Himmel ſich lagernd, weder einen Blick
zum, noch einem Strahl vom Himmel den
Durchgang geſtattet; kein Wunder, wenn
der geiſtreiche Verfaſſer des angeführten
Artikels ſich auf die erhabene Zinne eines
Leitartikels flüchtet, um den Duͤnſten zu
entgehen/ die aus den Niederungen der
gar ſehr an die pontiniſchen Sümpfe
krinnernden Correſpondenzen ſeines Blaties
emporſteigen. Wer Jahr ein Jahr aus ſo
viel ungeſunde Luft einathmen muß, dem iſt
allerdings der Genuß einer Bergluft zu
gönnen und der Anblick des „freien Him-
mels Aber wird nicht der Herr Verfaſſer
bei ſeinen Partheigenoſſen in ſehr bedenk-
lichen Verdacht kommen? Die Luft, in der
fie leben und athmen, flieht er? Und auf
die Berge flüchtet er, wo, wie der Dichter
ſagt, die Freiheit iſt und der Hauch der
Grufte nicht hinaufbringt in die reinen
Lüfte? Und des freien Himmels will er
genießen? Welche bedenkliche Anwandlun-
gen von Emancipationsgelüſten des freien
Denkens, das nach einem freien Himmel
ſich ſehnt! Es ſollte uns aufrichtig leid

khun, wenn der Herr Verfaſſer in den Ver-
dacht ketzeriſcher Gedankenfretheitsbeſtrebun-
gen verfiele, oder ſonſtiger Geiſtesſtörungen.

Indeſſen hat er dafür geſorgt, daß fich
keine eruſten Bedenken eines Abfalls gegen
ihn erheben werden; feine Abhandlung von
den Sophiſten und dem Chriftenthum zeigt
gielmehr, daß ſeine Gelehrfamfeit und Dent-
kraft ganz derjenigen ebenbürtig iſt, welche
in den ihm geiſtesverwandten Blättern daͤs
Wort führt. Was hat er denn aber da
oben auf der Anhoͤhe geſehen? Sehr
wunderbaͤre Dinge. Er wirft einen Blick
auf die Weltgeſchichte ſeit dem 15, Yahr-
yundert und findet, daß „die beginnende
Schüttelung der Geiſter, welche leicht
den Anfang einer neuen Epoche andeuten
könnte, eine große Achnlichkeit mit der Be-
wegung habe/ aus welcher jene Nebergangs-
zeit hervorgegangen iſt, die man gemeinhin
die neue Zeit nennt. Damals im 15, Jahrz
hundert na dem Falle des byzantiriſchen
Reiches wogie es auch mit allen moͤglichen
phiſoſophiſchen Syftemen in der gebildeten
Welt; ein Schwaͤrm griechiſcher Literaten,
mit Gott und der Welt zerfallene Leute
haͤtten das Abendland überſchwemmt und
leider fehlte der alte Römer, der ausgeru-
ſen hätte, jagt mir die Sophiſten fort.
Fürwahr, die Befolgung feines
Rathes, wäre fie der götthichen

Vorſehung genehm geweſen, hätte
großes Unheil von der abendiänz
diſchen Chriſtenheit abgewendet.
Vom Geſchmeiße dieſer Gräcult, wie man
ſie nannte, wurden die giftigen Eier gelegt,
aus welchem jene überreiche Saaf von


Jahrhundert die Geiſter in fieberhaͤfter


in Zuckungen erhält.“ —

Wir müſſen hier einen Augenblick ver-
weilen, um uns in den Geſichten des Sehers
auf der Anhöhe einigermaßen zu orientiren.
Er wirft einen Blick auf die Crde , und
einen in den Himmelz einen Blick auf die
Menfhen, _einen Blick auf Gott in feinem
freien Himmelz er findet, daß im 15. Jahr-
hundert ein Schwarm griechiſcher Literaien
das Abendland überſchwemmtez; er blickt
auf das Werk ihres Geiſtes, und ſteht, daß
es nicht gut war Und hiebei beweiet er in
denkwurdiger Weiſe die erhabene Höhe fei-
nes Standpunktes auf der Anhöhe! Nicht
zum Himmel empor ſieht er, nein, er ſteht
höher, er ſieht zum Himmel her ab; von
der Zinne ſeines Leitartikels blickt er in
den „freien“ Himmel hinein und wen ſieht
er da? Einen Gott, den Gott des Chriſten-
thums in ſeinem freien Himmel, den er
ſchulmeiſtert, daß es „ſeiner Vorſehung
nicht genehm gewefen, dem Rathe des
alten braven Römers zu folgen, der, wenn
er da geweſen wäre, ausgerufen haͤtte: jagt
mir die Sophiſten fort! Nun, der liede
Gott wird denn doch entſchuldigt fein, wenn
er den Rath eines alten braven Römers
nicht befolgte, der leider fehlte. Freilich
ollte man memen, der Gott des Chriſten-
thums bedürfe nicht des Rathes eines Rö-
mers, um zu wiſſen, was er als Herr des
Himmels und der Erde zuzulaſſen oder zu
verhüten hat. Ob er vielleicht des Rathes
der Redaction des Volkoblattes bedarf, wa-
gen wir freilich nicht zu eniſcheiden. Aber,
wenn auch der alte brave Cato der Cen!
ſor nicht da war, waren denn nicht die
Päpſte da, die ja Stellvertreter Gottes
ſind? Mußten dieſe nicht erleuchteter ſein,
als der blinde Heide Cato? Und dieft
haben jene „mit Gott und der Welt zer-
fallenen Gräculi “ nicht nur nicht forige-
jagt, ſondern mit offenen Armen aufgenom:
men und geehrt als Pfleger und Lehrer der
Wiſſenſchaft, und ſie haben wohl daran ge-
than, und die Welt dankt es ihnen noͤch
yeute! Woher aber weiß denn der Gelehrte
des Volkobiattes, daß jene griechiſchen Chren:
männer, die im 15 Jahrhundert die Kennt-
niß griechiſcher Spraͤchẽ und Literatur ins
Abendland brachten, „mit Gott und der
Welt zerfallene Leuie“ waren? Und was
hatten ſie gemein mit den Sophiſten? Ge-
bören ſolchẽ Behauptungen nicht auch ins
Gebiet jener /Geſchichtemacherei“, die eben
Owenig Achtung hat vor den geſchichtlichen
Thatſachen, als den menſchlichen Charaf-
teren, bier vertäumdend, dort lobpreiſend,
ſe nachdem der Parteizwed es erfordert?
Doch wenden wir uns zu andern Schoͤn—
iten der cirirten Stelle des Volksblalles.
Einer Barbarei des Denkens und des Wif-

ſens, welche ſich nicht entblödet Männer,
die von den weltlichen und getſtlichen
Fürſten ihrer Zeit als geiſtigẽ Wohlthäter
des Menſchengeſchlechts geehrt und geliebt
waren, als Sophiſten und verkommene Li-
teraten brandmarken zu wollen, iſt denn
auch eine Barbaret des ſtyliſtiſchen Aus?
drucks ganz angemeffen, Ddie durch das
Studium der Meiſter des Alterthums zu
verbannen, eben mit die Aufgabe jener
Männer und die Frucht der von ihnen an-
geregten Studien war. Daß fie Gräculi
damals genannt worden ſeien, iſt abermals
eine Unwahrheit; nur jetztlebende unwiſſende
Römlinge können jene Männer Grtech-
linge ' nennen und ſie verwechſeln mit den
vor den Römern kriechenden Gräeulis zu
Cato's Zeit. Aber weich blühender Styl!
Dieſe Gräculi legen ,, giftige Eier“z und
aug dieſen Eiern ſprichen Saaten von
Sophiſten! Das Berdienft, ſolche Muſter
von Rhetorik gebildet zu haben, haben {ih
freilich jene „Sophiſten des 15. Jahrhun-
dert$“ nicht erworben. Der Gelehrie des
Volksblatts, der aus Eiern Saaten fprie-
ßen läßt, lebt wohl in einer Welt, wo die
Hühner geſät werden.

Nicht ohne Anerkennung dürfen wir auch
das geiſtreiche Bild von der „ Schüttelung
der Geiſter? laſſen. Vermuthlich ſchweble
der fruchtbaren Fantaſie des Volksblalts die
Welt als großes Medicinglas vor, in
welchem die Mirtur der Geiſter enthalten
iſt, die von Zeit zu Zeit geſchüttelt werden
muß, damit ſie in Gährung komme und
aus ihrem Schooß ein neuer Geiſt empor-
ſteigt. Das Volksblatt bemüht ſich redlich,
mitzuſchütteln, und ein neues Chaos zuͤ
ſchaffen; die neue alte Welt aber, die es
daraus hervorgehen ſehen möchte, wird ſeine
Geduld auf ſchwere Proben ſetzen, und der
nene Menſch, der dieſe neue alte Welt be-
voͤlkern ſoll, wird ſicher kein Gräculus nach


Romanulus nach Art des 19. ſein. Solche
Weſen höherer Art zu bilden, durfte die
Schöpſerkraft der neuen Weltſchüttler wohl

hinreichen.
(Schluß folgt.)

Deutſchland.

Karlsruhe, 17, Auguſt. Der neue Die
rector unſeres Hoftheaters Herr Edimund
Devrient iſt geſtern hier angekommen.
Die Großh. Pionniercompaguie kehrte nach
Beendigung ihrer Uebungen geſtern von
Mannheim hierher zurüd,

S Geidelberg, 18. Aug. Bei der heute
vorgenommenen Bürgermeiſterwahl, an der
ſich faſt alle Wähler betheiligt hatten, wurde
Herr Kaufmann Anders mit bedeutender
Stimmenmehrheit zum erſten Bürgermeiſter
erwählt.

Aus Manuheim, 15. Auguſt, ſchreibt
das Mannh. Journal: Im Laufe der letz-
ten Woche vom 8 bis 14, ſind 410 Aus-
wanderer hier eingetroffen. Darunter wa-
ren 110 Badener, 253 Würtemberger, 4
Bayern, 36 Schweizer, 1 Heffe und 6
Seſterreichet. Seit dem 1. Auguft ſind im
 
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