Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Journal (46) — 1852

DOI chapter:
Nr. 179-204 (1. - 31. August 1852)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66017#0807
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Tõi

Freitag, 27. Auguſt

1852.


+ Ultramontanisntus.
(Schluß.)

3) Die oͤffentlichen Zuſtände der
Protefkanten in Oeſterreich.
Aus Oeſterreichiſch⸗ Schleſien ſchreibt man

der D, A. Z.: „Die öffentlichen Zuſtände

der Proteſtanten in Oeſterreich verſchlim-
mern fich von Tag zu Tag, und während
man in Deutſchland der katholiſchen Kirche
alle möglichen Conceſſionen macht und der
Jeſuitismus im Herzen proteleſtantiſcher
Länder ſein ſiegreiches Banner erhebt, ſind
die Gemüther der öſterreichiſchen Proteſtan-
len von Furcht erfüllt über ein Syſtem
von fortdauernden Hemmungen, denen ſie
unterworfen ſind. Durch eifrige amtliche
Wirkſamkeit oder durch ihren Geiſt einfluß-
reiche und von ihren Gemeinden geltebte
Seelſorger werden ihres Amtes entfeßt,
ohne daß zu einer derartigen Maßregel
daͤs Einverſtändniß oder die Mitwirkung
deg Conſiſtoriums in Wien nothwendig und
forderlich wäre, Die Suspenſtonen,der
Paftoren Steinacker in Trieſt und Koſſuth
in Yrag haben allgemein eine ſchmerzliche
Seuͤſation gemacht. Die Regierung beſchul-
digte Herrn Steinacker dreierlei, nämlich
in ſeinen Predigten politiſirt, mit den Deutſch-
Katholiken ſampathiſirt und mit einigen po-
litiſchen Fluͤchtiingen in Briefwechſel ge-
ſtanden zu haben, Herr Steinacker hat ſich
auf diefe Anflagen vollfommen gerechtfer-
tigt, aber feine Sufpenfion bleibt dennoch
aufrecht. Den wadern Mann tröſtete aber
die Liebe feiner Gemeinde und die Hoch-
aͤchtung ſeiner Glaubensbrüder, die ihn in
ſein freiwilliges Exil nach Deutſchland be-
zteitet. Die Trieſter Gemeinde hat ihm
‚alg Anerkennung ſeiner Verdienſte ein be-
deutendes Geſchenk gemacht und will auch
durd 5 Jahre zur Erziehung ſeiner Kinder
jährlich 500 fl. beiſteuern. Paſtor Kofuth
foll dagegen noch immer in Haft ſein; ſein

Hauptvergehen ſollen die zahlreichen üeber-

fritte fein, die er durg feine Propaganda

für die nationale czechiſch!evangel Kirche

erwirkte, denn feine anfänglich taum 660

Seelen zählende böhmiſche Gemeinde in

Prag ſol er binnen wenigen Jahren durch
koͤndertiten verdoppelt haben, In Gräß
“n Steiermarf hatte ſich die Mehrzahl der
deutſch⸗katholiſchen Gemeinde der evange-
liſchen angeſchloſſen; gegenwärtig müfßen
nun alle Beutſch⸗Katholiken wieder roͤmiſch-
kaͤlholiſch werden, dann erſt koͤnnen ſie zur
evaͤngeliſchen Confeſſion Übertreten, Auch
„hat e ſich in der Stadt exeignet, daß bei
Miſchehen/ wo der eine Theil nachträglich
evaͤngeliſch geworden war, die Kinder den-
noch eine katholiſche Erziehung erhalten
müffen und diejenigen, welche bereits die
evangeliſche Schule beſuchten, dieſelbe ver-
laſſen mußten Die Anzahl ſolcher Kinder
ſol mehr als 60 ſein und alle diesfallſigen
Reclamationen des dortigen Predigers fo-
wohl als auch der Eltern blieben erfolglos.
Wollen die Evangeliſchen ixgendwo eine
neue Schule errichlen, ſo wird ihnen die
Bewilligung dazu unter allerlei Borwän-
den unierſagt. Die Gemeinden Goſchdorf

und Kleinkreſſel waren vor Kurzem eben-
falls um Bewilligung zur Errichiung einer
felbſtſtändigen evaͤngeliſchen Schule einge-
ſchritten, die fie, da die Situation ganz da-
für ſich eignet, gemeinſam unterhalten woll-
ten. Es iſt unglaublich, unter welchen Ein-
wendungen die ſchleſiſche Landes ſchulbehörde
es ihnen unterfagt. In dem bezüglichen
Beſcheide heißt es unter Anderm, die evan-
geliſchen Inſaſſen jener Doͤrfer waren ſeit
30 bis 40 Jahren verpflichtet, ihre Kinder
in die daſigen katholiſchen Schulen zu ſchi-
(fen, und müßten es auch fernerhin thun,
Da es einerſeits die zu geringe Kinderan-
zahl — aus beiden Semeinden gegen 70
bis 80 — nicht zuläſſig mache, eine eigene
Schule zu gründen und auch die Unterhal-
tung des Lehrers und die Erbauung des
Schulgebäudes mit zu vielen Koften ver-
bunden ſei, die zu tragen die Gemeinden
unvermögend wären; dagegen können ſie
ſich einen eigenen Religionstehrer anſtellen.
Die ſchleſiſche Landesſchulbehörde hat frei-
lich eingeſehen, daß die Anſtellung eines
beſondern Religionslehrers eben ſo viel ko-
ſtet als die Exhaltung eines eigenen Schul-
lehrers, und was die kleine Kinderzahl be-
trifft, ſo bemerken wir, daß eine Stunde
von jenen Gemeinden entfernt ein Dorf
Namens Langendorf liegt! wo vor mehre-
ren Jahren für die daſigen 12 bis 15 ka-
tholifchen Kinder eine eigene Schule gebaut
und ein Lehrer angeſtellt wurde, denn dem
vangeliſchen Schulunterrichte betzuwohnen
iſt unter keiner Bedingung kaͤthoͤliſchen Kin-
dern erlaubt.“

über Lortführung der Groſih. Bad. Eiſen-
bahn durch Schweizer-OGebtet, und deſfen
Gegner.
SGeidelberg, 26. Aug. Bekanntlich
wurde die Naͤchticht/ daß nach jahrelangen
Verhandlungen zwiſchen Baden und der


Eifenbahn von Haͤltingen über Baſel und


einbarung ſtatigefunden, von Allen, welche
die Bedeutung dieſes Baues für unſer en-
geres Vaterland zu würdigen wiſſen, als
ein freudiges Ereigniß begrüßt. Trotzdem
erhebt in Rr. 200 der „Sranff, Poſtzeitung“
ein Eorrefpondent „aus Baden“, der waͤhr-
ſcheinlich kein Badener ift, Bedenklichkeilen
gegen denjenigen Artikel des Vertrags, wel-
cher vom Traͤnsport deutſher Bundestrup-
pen durch ſchweizeriſches Zerritorium ſowie
eidgenöſſiſcher Truppen durch badiſches Ter-
ritoͤrium haͤndelt. Seine Einwendungen ſind
ſo ſchal, daß ſie bei näherer Betrachtung
von ſelbſt in Nichts zerfallen. Ehe wir je-
doch hierauf eingehen, wollen wir unſern
Vefern die Haupipunkte des am 12, Auguſt
vom ſchweizeriſchen Nationalrath genehmig-
ten Vertrags voͤrlegen. Sie lauten :

Axt. 1. Die ſchwetzeriſche Eidgenoſſen-
haft, unter ausdrücklicher Wahrung ihrer
Hoheitsrechte, ſowie derjenigen der Kantone
Baſel⸗ Stadt und Schaffhauſen überläßt dem
Großherzogthum Baden den Bau der Ei-
ſenbahn dürch die Kantone Baſel-Staͤdt

und Schaffhauſen in der Weiſe, daß
dieſelbe in ihrer Geſammtheit zwiſchen
Mannheim und dem Bodenſee als eine
einzige ununterbrochene Hauptbahn fortge-
führt werde! Art, 2, Die Groß. badiſche
Regierung verpflichtet fich, die Borarbeiten
zur Ausführung des Baues ſogleich nach
Genehmigung dieſes Vertrages und nach
voraus erfolgter Berſtändigung mit den
Kantonen Baͤſel? Stadt und Schaffhauſen
vorzunehmen und den Bau felbit, wenn
nicht außerordentliche Hinderniſſe eintreten,
von Haltingen bis Baſel innerhalb drei
Jahren nach Genehmigung dieſes Vertrags
auf ihre Koſten ausführen zu laffen. Nüd-
ſichtlich der Foriſetzung der Bahn nach
Waldshut, ſowie bezüglich auf den Weiter-
bau von da nach dem Bodenfee, den ſich
die Großh. Regierung durch den Kanton
Schaffhauſen zu führen verpflichtet, iſt die-
jelbe an keine Friſt gebunden, unter der
Bedingung jedoch, daß der ſchweizeriſchen
Eidgenoſſenſchaft das Recht zuſtehen ſoll,
nach Ablauf von 15 Jahren, von der Ge-
nehmigung des gegenwärtigen Vertrages
an, hinſichtlich derjenigen über ſchweizeriſches
Gebiet führenden Bahnſtrecken, auf welchen
der Bahnbau noch nicht begonnen hat, die
Beſtimmungen der gegenwärtigen Ueber-
einkunft außer Kraft zuw erklären. Art 9.
Die ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft, unter
ausdrücklicher Wahrung ihrer Hoheitsrechte,
ſgwie derjenigen der vetteffenden Kantone
Baſel Stadt und Schaffhauſen, überläßt dem
Grohherzogthum Baden den ungeſtörten und
unbehinderken Betrieh der auf ſchweizerifchem
Lebiete befindlichen Bahnſtrecken. Art. 12.
Die ſchweizeriſche Eidgenoſſeuſchaft verzich-
tet auf den Bezug von Tranfitgebühren oder
ſonſtigen Auflagen von Perfonen, Guͤtern
und andern Gegenſtänden, die auf der Ei-
ſenbahn aus dem Großherzogthum Baden
durch die Schweiz naͤch Baden befördert
werden, ſowie umgefehrt die Großherzogl.
badiſche Regierung ihrerſeits, ſoweit ihre
Stellung zu einem Zollverbande, jedoch ohne
Uebernahme einer Entſchädigungs-Pflicht,
Solches zuläßt, auf jede Tranſtitgebühr und
Auflage von Perſonen, Gütern und andern
Gegenftänden, die aus der Schweiz über
badiſches Gebiet nach der Schweiz durch
die Eilenbahn befördert werden, verzichtet.
Art. 28. Die Großh. Bahnverwaltung wird
bei Beſetzung der Dienſte für den Betrieb
der auf ſchweizeriſchem Gebiet gelegenen
Bahnſtrecken auch auf Anſtellung ſchwelzeri-
ſcher Augehörigen Bedacht nehmen, und die
Bahnwärter, ſowie die uͤbrigen niedern
Bedienſteten auf ſchweizeriſchem Gebiete
vorzugsweiſe aus Schweizern beſtellen. —
Art, 32. Die Eifendahn von Haltingen
nach dem Bodenfee kann zum Transport
von deuiſchen Bundesiruppen von badiſchem
Gebiet über ſchweizeriſches Territorium nach
badiſchem Gebiet ſowie von eidgenöſſiſchen
Truppen von ſchweizeriſchem Gebiet über
badiſches Territorium nach ſchweizeriſchem
Gebiet jeweils unter folgenden Beftimmun®
gen benüßt werden: a) Die betreffende
Rreig= oder Kantonsregierung, durd) De-
Z en Gebiet der Durchgang RHattfinden ſoll,
 
Annotationen