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Mittwoch, 15. September
1852
werden zu 3 kr. die Petitzeile berechnet.
geworden ſei. Wir gehören wicht zu de-
nen, die ſolche Meinung hegen, und noch
weniger zu denen, welche darauf bauend
den Regierungen den Rath geben möchten,
an die Stelle verfaſſungsmaͤßiger Einrich-
tungen den Abſolutismus zu ſetzen. Wenn
wir fruͤherhin gegen die Uebertreibungen
des demokratiſchen Prineips warnten, und
in der Einführung deſſelben in unſere Ver-
faſſungen einen Widerſpruch mit ihrem We-
ſen erblickten, der den Umſturz aller ſtaat-
lichen Ordnung und damit den Untergang
der wahren politiſchen Freiheit herbeiführen
müſſe, ſo haben die Ereigniſſe dex letzten
Jahre den Beweis des Gegentheils ſicher
nicht geführt. Ob Baden freier geweſen iſt
in der vormärzlichen Zeit, oder unter der
Herrſchaft der Demokratie, dieſe Frage wird
der politiſch mündige Theil des Volks wohl
nicht zu Gunſten der letzteren entſcheiden,
und in Folge deſſen die Ruhe des gegen-
wollen mit der Aufgeregtheit des ihm vor-
angegangenen! Daß es gegen diefen
apaͤthiſch geworden, und gegen die Anwen-
dung von Mitteln, ihn herzuſtellen, das
hoffen wir allerdings; lau und gleichgültig
aber gegen den Rechtszuſtand, den die der
Regietung verdankte Wiedexherſtellung der
Verfaſſung ihm wiedergab, ſoll es nicht nur
nicht ſein, ſondern es ſoll im Gegentheil
ſich auf das lebendigſte dabei betheiligen,
daß er ihm geſichert bleide, und durch feine
Geſetzes treue der Regierung es möglich
machen, verfaſſungstreu zu handeln,
und der Welt zu beweiſen, daß weder die
Ruhe Badens, noch die Deutſchlands durch
unſere Verfaſſung gefährdet ſei. Und wenn
wir von der Preffe verlangen, daß auch
ſie in dieſem Geiſte wirke, und im Volke
den Sinn für hefetzliche Ordnung, für Ach-
tung des Rechis und der Autorität ſtärke
und belebe, ſo hat auch dieſe Mahnung die
Sorge für den Beſtand verfaffungsmaͤhiger
Zuſtände und ihre Aufrechthaltung zur Grund-
ſage. Die Preßfreiheit iſt eine zaͤrte Pflanze;
wenn wir gegen Mißbrauch waͤrnen, fo
werden wir wohl nicht zu ihren Feinden ge-
hören.
So wenig es uns kümmert, wenn der
Unverſtand in den Freunden aller verfaſ⸗—
ſungsmäßigen Freiheit Anhänger der rothen
Republit wittert, ſo wenig kann es uns
anfechten, ſervil oder reactionär geſcholten
zu werden, wenn wir die Freiheit nicht in
der Ohnmacht der Autorität und der Ab-
weſenheit aller Schranfen gegen ihren
Mißbrauch erblicken.
Daß es Leute giebt, die dermalen wieder
übermonarchiſch ſind, nachdem fie in den
Zeiten des Sturms das Haupt vor ſeinem
Wehen gebeugt, iſt wahr. Wir geben fte
dem Herrn Verfaffer der politiſchen Briefe
preis, und können eg mit um ſo beſſerem
Gewiſſen ihun, alg wir ſelbſt uns nicht
gebeugt, ſondern, wenn auch in beſchränkten
Verhaliniſſen, ſteis unſere alte feſte Ueber-
zeugung von der Nothwendigkeit, an der
Monarchie feſtzuhalten, ın Schrift und
Wort gekaͤmpft haben, ſo lang auch nur ein
Schatten von Freiheit da war; und auch
wir haben es gethan mit Gefährdung per-
ſönlicher Sicherheit.
Hern ſei es von ung, die Verdienſte zu
vertennen, welche Männer wie Oagern
und einige andete ſeinet Freunde um das
Vaͤterland ſich erworben haben; wenn aber
in jenen Zeiten die Männer der rechten
Seite nicht in den vorderſten Kampfreihen
ſtanden, ſo lag dieß nicht im Mangel an
Muth, fondern daran, daß ſie durch den
Sturm der Zeit von ihren Poſten verdrängt,
bei dem „Volke“ alg Feinde der Frehett
angeſchrieben, jedes Einfluſſes jeder Mög-
lichfeit thatkraͤfligen Handelns beraubt waren.
Ihre fruͤhern Gegner hasten die Macht über-
nommen, ſie zur Unthaͤligkeit verurtheilt, und
damit auch die YPfLicht, und nicht nur die
Möglichkeit, der Anarchie die „Fauſt
entgegenzuhalten.“ Nicht alle aber haben
die Probe des Muthis, der Einſicht und
der Kedlichkeit beſtanden! Auch Hodys und
Landesverräther, wie Hecker und Peter
und Brentano, ſind aus den Reihen der
Oppoſition hervorgegangen, und es hat eben
feine guten Früchte getragen, daß man die
Kraͤfte der rechten Seite neutraliſirte, ſtatt
ſie dem Dienft des Vaterlandes zu erpalten.
Sie yätten demſelben beffere Dienfte ge-
leiſtet, alg jene Revolulionäre. Ein Schaaff
batte wohl Murh und Redlichkeit in ande?
vem Maße, als ein Peter, und hätte im
Seekreis eine andere Rolle geſpielt.
Nur zu bald zeigte ſich, daß auch die
ſonſt einflußreichfien Männer beim Volte
nicht im Stande waren, den Sturm zu be-
ſchwören, der ſie ans Ruder gebracht haͤtte.
Denn leider waren es nicht blos „ein
Paar Dußend verſchrobener Koͤpfe,
welche die Weit mit Theilen, Rauben und
Morden begluͤcken wollten“, und le ider
ſah das Voit es nicht ein, ſondern ließ
ſich verfuͤhren von den „verſchroͤbenen Nöp-
fen“, oder es hatte nicht den Muth, ge-
gen den verführten Theil ſich zu erheben.
Kur daher kam es$, daß die Närzmaͤn—
ner, welche die Ordnung wollten, in Ba-
den unterlagen, und es iſt dieß ihre Ent-
ſchuldigung denn wenn ſie es nur mit ein
Paar Dußend verſchrobener Köpfe zu
hätten, fo würden ſie in der That einen
Yuthy und eine Einſicht bewieſen haben,
die ihnen eben kein Recht geben würden,
beſonders ſtolz darauf zu fein.
Der Hr. Berfaſſer der politiſchen Briefe
iſt hier nicht ſo gerecht gegen ſich und feine
Freunde, als wir es ſind! Wir ſchlagen das
von ihnen Geleiſtete und die Gefahren ihres
Kampfes höher an.
Wir thun dies aus Ueberzeugung, können
auch nur gerecht ſein gegen fie, in dem
wir wahr ſind gegenüber „dem Bolk.“
Schmeicheln werden wir weder ihnen,
noch dieſem Niemand mebr als dem Volke
thut notb, daß man den Muth der Wahr-
heit auch ihin gegenüber habe, und nicht
burch fabde Schmeichelei ijm den Kopf
verrücke. Die wahre Unabhängtakett
muß ſich auch ihm gegenüber bewaͤhrenz
wer ihm ſchmeichelt, verdirbt zunächſt es,
und durch es ſich ſelbſt; denn ein ſo ge-
hätſcheltes und verſchmeicheltes Volk ver-
traͤgt Fetne Autorität, auch nicht die de-
ver, die ſeine Freunde ausſchließlich ſich
nennen, und bald ſeine Knechte werden.
Dieſe Wahrheit iſt ſo alt, wie der Menſch-
und kann nicht oft genug in Erinnerung
gebracht werden, zumal in unſerer Zeit. So
lange ſie nicht anerfannt wird, hoffen wir
vergebens auf nachhaltige Beſſerung. Vor
Mückfällen zu warnen iſt Pflicht, nicht Schul-
meiſterei.
Wir wiſſen nicht, ob dieſe wohlgemein-
ten Bemerkungen Anklang finden, ob man
ſie gerne lieſt oder nichi. So ganz einſam
aber, ein Prediger in der Wüße, ‚glauben
wir doch nicht zu ſein. Die Erfahrungen
der Vergangenheit, der Genuß einer beſſe-
ren Gegenwart, die Hoffnung einer glüds
lichen Zukunft maͤchen die Gemüther eme
pfänglicher für Beſonnenheit, Ernſt und
richlige Würdigung deffen, was notb thut.
Einer freilich kann nicht alles leiſten, da-
rum iſt Vereinigung der Kräfte auch ver-
ſchiedener Art noͤthig. Ueben wir ſie nicht
im Etreit, ſondern im Wettſtreit in dem,
; Amtliche Nachrichten.
Karlsruhe, 10 Sepi. (: 3 Das
heute erſchtenene Regierungoblatt Nr. 42