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Freitag, 17. September
lichkeit, vielfach in eigenẽn Leitartikeln und
werden zu 3 fr. die Petitzeile berechnet.
2 Volitiſche Briefe.
In der Zeit, als noch die Eenſur beſtand,
pflegte man die Freigebung der Preſſe als
im Intereſſe der Regierungen ſelbſt liegend
darzuſtellen. So lange die Eenſur ſtatt-
findet/ pflegte man zu ſagen, wird die Re-
gierungspreſſe keinen Cinfluß, auf die öf-
fentliche Meinung zu üben im Stande ſein,
denn es wird ihr immer der Schein entge-
gen ſtehen, als ſei Luft und Licht im Kam-
Yfe nicht gleich getheilt, Ddie Fretheit, des
Woris nur dem einen Theile vergönnt,
und. die Gegenrede gehindert, ihr gegenüber
ſich geltend zu machen. Gebt die Preſſe
frei/ ſagte man weiter, und dann werdet
Ihr hoffen dürfen, daß man den Verthei-
digern der Regierung ebenſo gerne das
Dr leiht, als den Gegnern derſelben. Die
Preſſe wurde freiz allein diejenigen, die
jenes Argument gegen die Cenſur geltend
gemacht hatten, mußten die Erfahrung ma-
chen, daß, als fie zur Gewalt gelangten,
die revoluttonäre Preſſe ſo wenig Achtung
vor den Liberalen haͤtte, als die Liberalen
einſt vor den Conſervativen. Es half ih-
nen nichts, daß ſie ſo lange im Namen
des Volks das Wort geführt und große
Gunſt bei demſelben genoſſen hatten! So
bald ſte ſelbſt die Träger der Auterität
geworden waͤren, wendete ſich „das Voltt,
d. h. das, was ietzt als das Volk galt,
die revolutionäre Maffe, die eben keine
Autorität will, auch gegen ſie, und haßte
ſie um ſo tiefer/ weil „fte zugleich als Ab-
irünnige, als Verräther an der guien Sache,
galten, die ihnen feit geweſen ſei um den
Beſitz der Macht. Die liberale Preffe fant
in voͤllige Bedeutungsloſigkeit und ihr An-
ſpruch als unabhängig zugelten ward
mit Hohngelächter beanfwortet, -
Wir ſind weit entfernt, an dieſe That-
ſachen mit dem Gefühle der Schadenfreude
zu erinnern, weit entfernt, aus ihnen ein
Irgument gegen die Preßfreiheit hexleiten
zu wollen. Allein wir hielten es für an-
gemeffen, wenn man durch ſolche Erfah-
rungen ſich belehren ließe, und von gewif-
ſer Seite her gerecht wäre gegen „gewiſſe
DBlätter“, welche im Geiſt und Sinn der
Regierung nur deswegen ſchreiben, weil
dieſe Regierung im Geiſt und Sinn der
Verfaſſung handelt, und die „großen In-
tereſſen“ des Volks ſtete im Auge hat.
Man ſollte erwarten dürfen daß Blät-
ter, die auf Seite der Regierung ſtehen,
nicht ſchon darum, ſo zu ſagen für verdäch-
lig erilärt würden, im, Verdacht der
Unfreiheit und Abhängigkeit zu ſtehen.
Eine chrenhafie Geſinnung, Achtung frem-
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der Meinung, die Faͤhigkeit, Widerſpruch
zu ertragen, die Unfähigfeit, um äuherer
Vortheile willen jede, auch die ſchlechteſte
Sache, zu vertheidigen, dieſe Eigenſchaften
iſt man allerdings von denen zu fordern
berechtigt, die für die Regierung ſchreiben.
Wer dieſe Eigenſchaften befigt, iſ unabhän:
gig, und wird ſich nie dazu verſtehen, je-
dem Miniſterium ohne Unterfchied ſeiner
politiſchen Richtung ſeine Feder zu widmen.
Die Unabhängigkeit derienigen Blätter,
die in gouvernementalem Sinne ſchreiben,
wird nun in keiner Weiſe beeinträchtigt,
wenn ſie je nach ihrem nähern oder ent-
ferntern Verhältniß zur Regierung gewiſſe
Rückſichten beobachten, welche die Berhäli-
niſſe mit ſich bringen. Solche Rückſichten
haben beſonders diejenigen Blätter zu be-
obachten, die am Sitze der Regierung er-
ſcheinen, und von diefer jeweils zur Kund-
machung offieieller oder officiöſer Nachrich
ten und Aeußerungen benutzt werden. Da
man gewohnt iſt, allen Nachrichten und Er-
oͤrterungen, die in ſolchen Blaͤttern ſtehen,
oft mit Unrecht, einen offieiellen Charakter
beizulegen, ſo ſind dieſen Blältern aller-
dings gewiſſe Schranken gezogen, die ſie
nicht überſchreiten können, und; die für an-
dere Blätter nicht da ſind. Es iſt dies
freilich mit manchen Nachtheilen fuͤr jene
Blaͤlter verbunden, da ſie manche Dinge
nicht beſprechen können, die für andere
Blätter reichen Stoff zu intereſſanten Er-
örterungen darbieten. Wir wollen hier nur
auf Einiges aufmerffam machen zur Er-
läuterung. Ein kieiner Stagt hat, wird man
zugeben, nach Auͤßen gewiſſe Ruͤckſichten zu
bebbachien, deren Vernachlaͤſſigung mit gro-
ßer Gefährde maͤchtiger Staatointereffen
verbunden ſein wuͤrde; es iſt dies beſon-
ders der Faͤll in den deutſchen Verhäliniſ-
ſen, wo die Kritit deſſen, was in einein
andern Staat geſchiehh je nach Umſtänden
zu bedenklichen Berwickiungen führen müßte.
Es wäre aber Unrecht, aus dem Schwei-
gen z. B. über Unlöhliches und Ungerech-
ies, was ſonſt wo geſchieht, eine Billigung
von Seiten des dazu ſchweigenden Blaͤttes
herzuleiten. Blaͤtter, deren Urtheile rein
alg perſoͤnliche dever, : die ſie ausſprechen,
gelten, ſind hier natürlich weniger „genirt,
als ſolche, in deren Erörterungen man den
Ausdruck einer Regierungsanſicht gerne ſucht
und nach dem Woͤrt der Schrift auch finz
det. Selbſt auswärtige Verhaͤltniſſe Da-h;
nicht deutſche, unterliegen für /gewiſſe Blät-
ter” großen Beſchraͤntungen, die in Ver-
hältniſſen mannichfacher Art, rein perſoͤnlt-
chen und internaiionalen, ihren Grund ha-
ben. Die Zollfrage ſieht dermalen in er-
ſter Reihe unter den deutſchenationalen Fra-
gen; Niemand verkennt die ſchweren Foͤl⸗
gen, je nachdem ſie entſchieden wird. Die
Karlsruher Zeitung enthält ſich, diefelbe in
leitenden Artikeln zu erörtern, ” Wird man
daraus ſchließen dürfen, daß die Zeitung
alg ſolche gleihgültig gegen dieſe . großen
auf dem Spiele Nehenden Intereſſen ſei?
Sder daß die Regierung es fei? Keines
von Beiden. Wir glauden annehmen zu
dürfen, daß das badiſche YWolf die Yeber-
zeugung yabe, wie ſeine Regierung das
Intereſſe des Landes erkenne und wahren
werde nach ihren Kräften; daß es aͤber
auch es natürlich findet, wenn ſie ihrerfeits
ſchweigend handelt, und auch die K. Z.. die-
ſenigen Rücſichten nicht verletzt, die die
Regierung ſich ſelbſt auflegt. .
Nach alle dem iſt allerdings richtig, daß
gewiſſen Blättern engere Schranken g9ez0=
gen find, als gewiſſen andern. Allein man
täufcht ſich und Andere, wenn wan den
nicht gouvernementalen Blättern eine abſo-
{ute Unabhängigfeit a priori beilegen wilt.
Der Menfch ift eben naͤch gar vielen Set-
ten bin abhängig. DBlätter 3, B, die auf
Bolfsfchmeichelet und Bolfsgunft und deren
Ausbeutung für die großen Intereſſen nicht
des Stagts, ſondern — der Zeitung, be-
rechnet wären, wuͤrden fehr, ſehr abhaͤngig
ſein. Die größten Blätter Franfreichs und
Englands ſind in gewiſſer Beziehung „ab-
hängig heils von ihren pecuniaͤren Juͤtereſ⸗—
fen, iheils von dem Strom der oͤffentlichen
Meinung, feies die geſunde, natuͤrliche, fei
es die gemachte. Jedes Blatt, das in ei-
nem einſeitigen PartheisIntereſſe geſchrie-
ben iſt, iſt dieſem gegenüber abhängig, und
wie oft ungerecht und unwaͤhr gegen Andere!
_ Dlätter, die im Sinn einer Regierung
ſchreiben, die keinen einſeitigen Parthei-
Siandpunkt einnimmt, aus keiner Parthet
hervoraegangen iſt, gegen keine Parihei Ver-
pflichtungen hat, und daher auch von keinet
abhängig ift, werden daher auch nur dann
im Geiſt dieſer Regierung ſchreiben wenn
ſie gleiche Unabhängigkeit ſich bewaͤhren.
Dann gber ſind ſie der Ungerechtigkeit und
Partbeilichfeit nicht mehr, jondern weniger
ausgefebt, als andere. Die Art threr Abe
hängigkeit wird mehr darin beftehen, „aus
Rückſicht auf Staatsintereſſen gewiſſe Ge-
geniände gar nicdt,3u Derühren ; Ddie Abe
hängigfeitvonParibeisIntereffenaber öfter das
vin, Loͤbenswerthes zu tadeln, 4
hes zu,‚oben, und um einen @egner 3
{baffen,., in Dinge, fagen ‚zu Taffen, ‚an die
ſein Hera nicht gedacht Dak.u) on