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Es werden meine Eltern fein, fagte Lenchen.
Der Tanz hat ein Ende für heuͤte

Aber ſie kamen die Stiege herauf! Es öffnete
ſich die Thüre und zwei Landdragoner mit dem
kurkölniſchen Stadtſchultheiß Minola traͤten ein,

Tonchen fuhr mit Entſetzen auf.

Wo iſt der Herr Amtskeller? fragte der alte
Minola.

Er iſt mit dem Amtsſchreiber weggegangen,
fagle fie, Aber was wollt Ihr doch mit ihm?

Berzeiht, ſagte Minola, der Herr Amtsſchrei-
ber weiß nichts von ihm und ich — foll ihn ver-
haften!

Verhaften! ſchrie Tonchen mit einem fo grelz
len entſetzlichen Ton, der jedem durch Mark und
Bein draͤng.

‚ Sa, fagte der rauhe Stadtſchultheis, Finken-
floͤck hat auf ihn bekannt, als auf einen Falſch-
münzer, Dieb und Räuber, der lange mit ihm
gemieinſchaftiiche Sache gemact, IM muß das
Haus durchfuchen. Vielleicht hat er ſich verſteckt.

Tonchen fank beſinnungslos in Lenchens Arme
und Jacoͤbchen trat leife an dieſe heran und flü-
ſterte: Denkſt Du noch daran, was ich Dir geſagt?

Und wie Todeskälte durchriefelte es Lenchens
Gebein

Sie rief naͤch der Magd! Ihre Mutter kam
und ſie trugen das unglückliche Mädchen hinab
in ihre Wohnung, während Minola das Haus
durchfuchte aber keine Spur von Anſelm entdeckte.

Der Bogel iſt entwifcht, fagte er zum Guar-
dian! Die leere Kaſſe hätte c8 uns ſagen koͤnnen.
Ihr fuhr er fort, waret ſtets ein Freund des
Haufes Ich bitte Euch, bleibet hier, daß kein

Unrecht geſchehe und unterzeichnet mit mir das
' Bıvtokoll, das ich über die Vorfälle dieſes Tages
letzt aufnehmen muß.,, um e8 morgen frühe mit
einem Eilboten nach Köln zu ſenden. Und er
ſetzte ſich nieder, ſeines Anites Pflicht zu genügen
und verließ dann das Haus, wo der Quardian
noch bis Mitternacht weilte.

Tonchen fiel aus einer Ohnmacht in die an-
Ddere. Der Arzt ſtand kopfſchüttelnd an ihrem
Beite, Es ift zu viel auf einmal geweſen für
ein ſchwaches Weib, ſagte er z doch hoffe ich, daß
bald ein tiefer Schlaf eintreten wird, der wohl-
thaͤtig auf ſie einwirken kann.

Er ordnete das nöthige an, was Lenchen und
ihre Mutter mit gewiſſenhafter Treue befolgten.
Es geſchah auch, wie der Arzt geſagt! Nach Mit-
ternaͤcht fiel ſie in einen tiefen Schlaf der Ent-
kräftung, der bis an den Morgen dauerte.

Lenchen und ihre Mutter wichen nicht von
ihrem Bette. ;

° Drei Wochen waren vergangen ſeit dem ſo
bitter unterbrochenen Gistanz, als der Canonicus
Schmitz von Köln, der gekommen war, die An-

delegenheiten des Apoſtelhofes zu ordnen, in das
©& Gemach des Amtmanns Heinrich Wilhelm v. Si-
ckingen trat, der ihn erwartete.

Laßt Euch nieder, hochwürdiger Herr, ſagte
ver biedere Mann, ich kann mir wohl denken,
was Euch zu mir führt. Rudolphi hat mir da-
von geſagt.

Das Capitel, hob Schhmiß an, hat, wie Ihr
wißt, in den letzten Zeiten durch treuloſe Beamte,
zu denen ich den Rath und Finkenſtock rechnen
muß, der Verluſte ſo viele erlitten , daß es hohe
Zeit iſt, der Sache die Wendung in das Gleis
des Rechts, der Ordnung und der Pflicht zunge-
ben. Wäre nicht der Küfer Balthes Ickrath ein

/ Mann von unerfhütterlicher Treue und Rechtlich-
Feit, das Capitel hätte noch herbere Schläge er-
ſitten! Da nun der Decan durch dit letzten Ge-
ſchichten ſchwer betroffen, unrettbar darniederliegt,
ſo hat mir das Capitel unbedingte Vollmacht zur

Berufung eines Amtskellners gegeben und ich will
nicht leügnen, daß ich nach reiflicher Prüfung ei-
nen Augenmerk auf Euern hochachtbaren Amts-
ſchreiber geworfen habe Ich kenne ihn ſeit Jah-

Gottlob, daß er den Schlingen der verfuͤhreriſchen,
herzloſen Circe entronnen ift, die ihn elend ges
macht haben würde,

Die Offenheit, womit Ihr die Sache behan-
delt, gefällt mir wohl, ſagte Sickingen, und ſie
fordert gleiche Münze von mir. Daͤß Ihr ſcharf
geſehen, gut gewählt habt, muß ich beſtätigen,
denn Radolphi iſt nicht nur ein Menſch von
Kenntniſſen und großer Brauchbarkeit, ſendern
auch ein Mann von uͤnbeſtechlicher Treue und
Rechtlichkeit; aber ich verhehle Euch nicht, daß ich
dawider bin, daß er der Kurpfalz Dienſt verlaſſe.
Es iſt zwar richtig, daß er ſich noch lange wird
als Amtosſchreiber plagen müſſen, ehe er einmal
Amtmann werden kann; aber es ſteht ihm doch
in Ausſicht. Und ich — daß ich es ehrlich ſage
— verlöre mit ihm meine rechte Hand im Amte,

Ich kann Cuch für die baare Münze, die Ihr
mir bietet, nur danken, Herr Amtmann, ſagte der
Canonicuß; aber ich glauͤbe, wir beide ſind treue
Freunde des Amtsſchreibets, wenn Ihr wollt, vä-
terliche Freunde! Laßt uns einmal abſehen von
dem, was uns amtlich befangen macht, und für
unfern Liebling väterlich ſorgen. Wißt Ihr, wie
viel er als Amtskellner haben wird?

Genau nicht, erwiderte der Amtmann.

Der Canonicus ſtellte ihm die anſehnliche Be-
ſoldung, die namhaften Accidenzien, als freie
Wohnung, freies Brot, freien Trunk, freies Holz,
Futter für ein Pferd und drei Kühe — den leich-
ten Dienſt und die unabängige Stellung vor und
fragte dann: Habt Ihr ihm das zu bieten?

Caramba! würde Michel Pelzer ſagen, rief
der Amtmann aus, da ſteht er ſich ja faſt beſſei
als ich!

Und was rathet Ihr? fragte der Canonicus,

nerwetter! wenn der Amtsſchreiber das Mädel
nicht heirathet, ſo ſtreich ich ihn aus meinem Her-
zen in alle Ewigkeit aus!

Ich denke dafür iſt geforgt, fagte der Cano-
nieus lachend. Was ich von dem Eistanz ge-
hört, läßt wohl kaum einen Zweifel aufkommen,
daß das wahr werde. Ueberlaßtis ihm und der
Zeit. Das Jachbchen hat mir geſtern ſo viel er-
3ählt, daß ich Euch übtigens vollkommen bei-
ſtimme,

Ihr habt aber mich nun in das Gebet genom-
men/ Herr Amtmann, fuhr er fort, nun will ich
auch mal fragen, ;

Zhut’8, fagte Sickingen! Ih ſtehe Euch
Rede, fo weit ich kann.

Leider iſt Eure erſte Frage eine ſolche, die
ich nicht beantworten kann fagte Sicfingen. Die
Herzensgüte des Amtsſchreibers hat mir da einen
ekeligen Streich geſpielt.
zu dem Spitzbuben und ſagt ihm, er werde wohl
verhaftet werden. Er möge Tonchen vorbereiten,
daß ſte ſich nicht allzuſehr es zu Herzen nehme.
Man koͤnne auch einmmal unſchuldig ins Ge-
trampel konimen. Ja, unſchuldig! daß dich Gott
beſſere! Das hat ſich nun der Spitzbuͤbe ad
nofam genommen und hat die Kaſſe gefegt und
die Plaite geputzt! In Euern Ayvoftelhof durfte
ich nicht. Darum erſuchte ich den Stadtſchultheis

nehmen! Als der aber Fanı, war das Vögelein
fort, Ich jagte ihm die Landdragoner nach, aber
wer weiß, wohin der ſich gewendet? Die Steck-
briefe haben nichts gefruchtet! Der iſt aus den
Reiſern für ewig! Laßt ihn laufen! Wenn er
auch dem Arme weltlicher Gerechtigkeit entgeht,

Noch eins! warf Sickingen ein, Iſt ſeine An-

ſtellung feſt?
Lebenslänglich und unabſetzbar, wenn er das


nete der Canonicus Sollte er dienſtunfähig wer-
den, fo bleibt ihm ein Ruhegehalt von achthun-
dert Gulden und alle Acceidenzien mit Ausnahme
des Pferdefutters. ;

Brofit! rief Sickingen! Ich müßt ihn nicht
lieb haben wie mein eigen Kind, wenn ich da-
gegen noch laͤnger reden wollte. Macht das Dos
eument fertig! e 3

Sut, fagte Schmitz und ſein Geſicht leuchtete
von Zufriedenheit.

Das iſt abgethan, nahm Sickingen wieder das
Wort, wenn ich nur auch wieder fo einen Amts-
ſchreiber hätte; aber eines braven Mannes Glück
nuß boͤher flehen als der Sigenauß, Nun ſagt
mir aber, wag wird aus des Raths Tochter?

Sit hat den Apoſtelhof verlaſſen, ſagte der
Canonicus, und iſt bis auf weiteres zu einer
Baſe gezogen, die in Bingen wohnt. Gott gebe,
daß Die heftigen Erſchütterungen der jüngſten
Tage ihr Herz gebeſſert haben! Ich fürchte, die
Zeit wird die Wunden vernarben und ſie wird
mieder fo werden, wie ſie war!

Da ſtellt Ihr ein ſchlimmes Prognoſtieon,
ſagte Sickingen.

Freilich, entgegnete der Canontcus, aber ich
habe Welt und Menfchen viel beobachtet. Ich
greife mein hartes Wort nicht aug der Luft.
Denkt an mich. Sie ff ohne ſonderlichen Kum-
mer geſchienen und daß ihr Herz noch das alte
iſt, bewies ſte damit, daß ſie nach der Zukunft

x

des arınen buckeligen Jacöbchen nicht einmal fragte,
Und er iſt doͤch ihr Bruder rief Sickingen.
Man ſagt es, war des Canonicus Antwort.
Vielleicht weiß ſie es auch; doch kann ich das
nicht fagen.
Mas wird aber nun aus dem armen Teufel?
fragte mitleidig der Amtmann.
Nun, Apoͤſtelküfers Lenchen hat ihn zu ſich
genommen, und ihie Eltern werden für ihn forgen.
Seht Ihr's! rief Sickingen, das Mädchen iſt

an Leib und Seele ein leibhaftiger Engel! Don-

ren, und ſeit ich ihn kenne, achte ich ihn hoch.

es gibt noch ein Forum, dem entwiſcht er nicht.
(Schluß folgt.)

— Vermiſchtes.

Der ſchwäbiſche Sängerbund, von dem
Wunſche geleitet, für ſeine Bundesliederſammlung
neu komponirte Lieder zu gewinnen, welche, dem
Bedürfniß der ſchwäbiſchen Liederkränze entſpre-
chend, in kräftiger, einfacher, gediegener Weiſe ge-
halten und auch für einen ſehr zahlreichen Chor
leicht ausführbar wären, zugleich aber auch hier-
durch überhaupt die Kompofitton derartiger Chöre,
im Gegenſatz zu der immer mehr überhandnehmen-
den Schwächlichkeit und Keberſpanntheit des Män-
nergeſanges, zu befördern, hat zwei Preiſe, den
erſten von vier Louisdor, den zweiten von zwei
Louisdior, für zwet Kompofitionen für vierſtim-
migen Männergefang ausgeſetzt, welche den oben
genannten Forderungen entfprechen, Die Wahl
des Textes iſt ganz freigegeben; jedoch wird bet
Entſcheidung über die Preiswürdigkeit der ein-
laufenden Lieder darauf Rückſtcht genommen wer-
den, ob das der Kompofition zu Grunde ltegende


pofitionen verſehen iſt! Die betreffenden Kompo-
fittonen müſſen in Parkituren und (einfach) aus-
geſchriebenen Stimmen, mit einem Motto verſehen
und mit Begleitung eines verſiegelten Zettels, der
außen mit eben demſelben Motto bezeichnet iſt,
innen aber den Namen des Komponiſten mit ſei-
ner Adreſſe enthält, bis am 1. März 1852 an
den Ausfchuß des ſchwäbiſchen Sängerbundes in
Stüttgart franco eingefandt werden! Die Namen
der Sieger werden auf dem nächſten allgemeinen
Liederfeſte des Bundes (Pfingitmontag 1852)
verfündet und die Preiſe denſelben alsbald zugeſtellt.

. Berantwortliher Nedacteur:; . Kieckher-

' Drugk und Verlag von G. Keichard.
 
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