Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ni 2



Sonntag, den 4, Januar


1852.

Bremen, 29. Dec. Der heutige Tag
iſt ein folgeſchwerer für unſern Freiftaat,
Am heutigen Nachmittag wird ſich die Bur-
gerſchaft, vermuthlich in geheimer Sitzung,
verfamuieln, um das Ullimatum des Se:
nats {n der Verfaſſungsfrage entgegenzu-
nehmen. Der Senat wird, ſo vernehmen


kannten Propoſitionen vom 2 Sept. vor-
legen, welche ſeiner Anſicht zufolge diejeni-
gen Verfafſungsänderungen enthal-
ten, die durch den Bundesbeſchluß vom 23,
Auguſt nothwendig geworden ſeien! Na-
mentlich beantragen dieſelben die Abſchaf-
fung des Kopfzahlenſyſtems und ſtatt deſſen
die Einführung des allgemeinen Stimm-
rechts nach gewiſſen, den vornehmſten Be-
rufsarten entſprechenden Gliederungen, fer-
ner einen veränderten Modus für die Se-
natswahlen und endlich die Feſtſtellung ge
wiſſer leitender Grundſätze über die künf⸗—


tion (gemiſchte Verwaltungsbehörde aus
Senatsmitgliedern und Bürgern beſtehend)
Die Bürgerſchaft hat, wie man ſich erin-
nert, durch ihren Beſchluß vom 8, October
zwar anerfannt, daß eine Abänderung der
Verfaſſung nach Maßgabe des Bundesbe-
ſchluſſes vom 23. Auguft nicht wohl zu
vermeiden fei, aber fie hat dem vom Se-
nat eingeſchlagenen Weg ſowohl formell
als materiell die Berechtigung abgeſprochen.
Formell, ſofern der Senat von der Anſicht
qusgeht, daß durch den Bundesbeſchluß ganz
don ſelbſt die mit demſelben unvereinbarten
Beſtimmungen der Verfaſſung außer Kraft
treten und daß es daͤher unſtaſthaft ſei,
auf dieſen Fall denjenigen Merathungsmo-
dus anzuwenden, welcher von der Berfafs
ſung für einen ganz anderen Fall nämlich
für Verfaſſungsänderungen durch Rath-
und Bürgerſchluß, vorßeſchrieben werde,
Materiell/ inſofern die Bürgerſchaft leug-
net, daß gerade die vom Senate bezeichne-
ten Verfaſſungsbeſtimmungen mit logiſcher
Nothwendigkeit alg unverträglich mit dem
erwähnten Bundesbeſchluſſe anzuſehen ſeien.
Der Senat hat feitdem ſich an die Bun-
desverſammlung gewendet um von derſel-
hen eine authentiſche Interpretation dar-
über zu erlangen, ob ſeine Auffaſſung und
Anwendung des Bundesbeſchluſſes vom 28.
Auguſt die den Abſichten des Bundestags
eniſprechende fei, und aus der nunmehrigen
abermaligen Vorlage der Propofitionen v,
27, Sept, muß man folgern, daß auf die
Anfrage eine bejahende Antwort erfolat if,
Da nun, wie ſchoͤn erwähnt, die Bürger-
ſchaft am 8, Oct. anerfannt hat, daß den
DBefchlüffen des Bundes entſpröchen werden
müffe, {o würde an ſich die Sache jetzt
* einfach liegen, aber gleichwohl iſt Der
USgang der Heutigen Sigung nody ſehr
zweifelhaft. 9lle Öründe, welche für die
Annahme der Senatsyorlagen {prechen, find
er{ öpft Worben, und e8 handelt fich daher
; Jeßt lediglih nog um Wolen und Nicht-
wollen. Die Acten find vollfländig zefhlof:
ſen: Bremen erwartet yon feinen Bertre-
Lern nur den entſcheibehden Spruch, der
wenn er verneinend ausfält — offenbar die
traurigſten Folgen nach ſich ziehen kaͤnn.

F

Lines composed during a solitary walk
on New Year’s Eve 1851.

The sun is on the mountain’s brink,
The vesper bell falls on my ear,

Come, let me sit awhile to think
And muse upon the fleeting year.

Another year is gone; Vis fled,
Alas! when past, how time is brief,
It comes, il wanes, its course is sped,
And withers, fades us, like a leaf.

Oft have I long’d, while yet a boy,
To hail the glad and happy year;
It seem’d to me as fraught wilh joy,
And so I wish’d and wept to have it near.

It came and came without delay,
With hopes and pleasures, cares and pain
It took my dearest friends away,
And left but sorrow in ils train.

My childhood’s joys are quickly past, |
My youth’sbright dream will soon be o’er,
And feeble age will come as fast
As youth and childhood fied before.

Yet I may still through life be blest,

‚ If I enjoy afleclion pure, :

And fix my hopes on heavenly rest,.
When life on earlh shall be _ mature.

For death no more shall me appal,
When rais’d in faitlh, my closing eye,

I see my friends and hear them call
To realms of bliss beyond the sky.

‚ The setting sun has gone 0 rest,
His warmth and glow I feel no more,
E’en so wilh spirits _ of the blest,
Their course is run, their warfare 0’er,

Oh! when T’ve liv’d my time on earth,
How fain would I depart like thee,

No more should I bewail my birth,
Or grieve iIhal here I may not be.

And when my years. draw near their end,
As this year waneth to ils cClose,

Oh! may my Saviour me befriend,
And let me on His breast repose.

- And may the Star of hope foretell
That night is past, the dawn is near,
The sun of Life will doubt dispel.
Oh! then U’will be a glad New Year.

And when the cold damp mist of death
Is floating round and all is gloom;

Oh! may thal sun inhale my breath
And shed His light around my tomb.

The moon _ is rising o’er yon hill,

The evning star is bright and clear,
And _ all around is calm and still.

T’is thus departs thee feeting year.

Heidelberg.
8

Feuilletou.
Der Apoſtelhof.
¶ Schluß.)

Und Annemarthe, Herr Amtmann? fragte
der Canonieus weiter.

Die hat alles haarklein bekannt und es hat
ſich herausgeſtellt, daß ſie nicht nur, wie Michel
Pelzer angab, den Dieb eingelaffen, fondern
auch das Geld, das er etwa zehn Jahre früher .
ſeinen Kumpan Anſelm abgemauft, mit ihm
getheilt hat. Eigentlich war's auf eine noch
ſchönere Geſchichte abgefehen, An Tonchens
Hochzeit ſollte die Kaſſe geleert, des Raths Sil-
ber gemauſt werden und dann wollte Anne?


Der Finkenſtock hatte einen Schlüſſel zu Curer
Geldkiſte funkelnagelneu in der Tafche. Den
batte Jungfer Annemarthe in Wachs abgedrückt.
Finkenſtocks Begierde nach des Raths Geld und
Michel Pelzers Pfiffe haben der Sache ein ſchnel-
leres Ende gemacht, Dafür iſt Michel auch
reich belohnt und Amtsdiener geworden.
Und Annemarthe frag’ ich noch einmal!
Hat zehn Jahre freie Koſt und Wohnung
in dem Zuchthaus zu B .. Da wird ſte
wohl ihre Tage beſchließen! Db ihr des Söhnz
leins Thräuen dermaͤleinſt folgen werden, be:
zweifle ich! Sie hat e8 nicht an dem Armen


Das Urtheil iſt gerecht, ſagte der Canonieus;
aber wie ſteht es mit Finkenſtock? Iſt ſeine
Sentenz gefällt?

Geſtern Abend hab’ idh ſie erhalten, ſagte
Sickingen, das Hofgericht in Mannheim hat auf
den Tod durch den Strick erkannt und diefer
ſoll am kurpfälzer Galgen, drüben im Nieder-
thal hinter Heilefenwörth, vollzogen werden
heute über acht Tage! Wenn Euch das Schauz
ſpiel anzieht, ſo bleihet hier bis Dahin.

Danke, danke! rief Schmitz. Bis dahin bin
ich längſt wieder in Köln. }

Mit diefen Worten ſtand er auf und vers
abfchiedete ſich von dem Amtmann, der mit eiz
nem Gerzlichen Händedruck von ihm ſchied.

Es haben felten zwei Umftände in unſerer
guten Stadt Bachurach folch ein Aufſehens ge-
macht,“ ſo erzaäͤhlt der chrliche Sebaftian Fa-
bian in ſeiner Chronik, „als die nachfolgenden
zween: Erſtlich, daß der Herr Amté und Stadt:
ſchreiber Rudolphi, unferes gnädigen Herrn,
des Kurfürſten von der Pfalz Dienſte quittirt
und ift, al8 wohlbeſtallter Amtsfellner der Kir-
chen zu den heiligen Ayofteln {n Köln in ven
Apoftelhof eingezogen, und zum Andern, vaß
an 20. de8 Monats Januarit im Fahre 1709,
welches iſt der Tag der Heiligen Fablanus und
Sebaſtianus, welches alfo, nur umgekehret, wie
es der Kalender ausweiſet, mein doppelter Nas
menstag war, arı dem kurpfälzer Galgen, fo
im Niederthal auf der Grenze des Unteramts
Caub ſtehet, der Finkenſtock vermaledeieten An-
denkens/ iſt mit allen Solemnitäten gehenkt worden.

War dazumal, trotz der bifſigen Kälte eine
ſolche Menge Volkes da verfanımelt, daß man
die Koͤpfe wohl an die zehntauſend rechnen mag.
Standen alle auf Heileſenwörth und auf dem
Rheine! Bin auch dabet geweſen, da man fo
etwas nicht alle Tage — ¶ Gottlob) ſtehet! War
aber erſchrecklich! Und wenn morgen der An-
ſelm Röhler, der auch ein Spitzbube ſein ſoll,
wie der Finkenſtock, gehenkt werden follte, moͤcht's
nicht mehr ſehen! der Pater Guardian und der
Paſtor Blittert haben den Delinquenten zu der
Richtſtätte begleitet und alles probirt, ſein har-
tes Herz zu rühren; iſt aber nicht gelungen.“

Der neue Amtoͤkellner war in die ſchönen
Raume, an die ſich ſo bittere Erinnerungen
für ihn knüpften, eingezogen, und da er nie-
manden Hatte, der ihm feine Haushaltung ge-
führt, fo nahm er die gute Frau Klein zu ſich,
die denn recht freudig ihr neues Berufswerk
antrat.
 
Annotationen