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NÖ4

Freitag, den 9. Januar


1852.

Frankreich.
Paris, 5. Jan. Louis Napolevn wird
den europaiſchen Mächten den Regime⸗Wechſel
durch vier außerordentliche Boͤtſchafter an-
zeigen zu denen für London, Wien, Stutt-
gart und München General Flahautt,
für Berlin und Petersburg General Ba-


bon General Y’Hautpoul, und für Rom,
Neapel und Turin Hr. Brenier beſtimmt
ſind! Ueber dieſe Sendung ſagen die
„Times“: Gewiß niemals war den Dienern
irgend einer Regierung eine wichtigere Miſ-
ſioͤn anvertraut/ nicht nur in ſoweit ſie Fraͤnk-
reich betrifft, ſondern auch inſofern ſie die
gemeinſamen Intereſſen der Welt involvirt.
Sollte der Zweck dieſer Miſſionen nur der
ſein, für eine ſtegreiche, vom Volk adoptirte
und auf den Siaatsverträgen der franzö-
ſiſchen Nation ruhende Militärherr-
ſchaft die Anerkennung der auswaͤrtigen
Mächte zu erhalten, fo kann über deren
vollſtändiges und ſofortiges Gelingen kein
Zweifel beſtehen. Aber wir wiſſen auch recht
gut, daß bei manchen früheren Anläſſen die
angeblichen Zwecke der franzoͤſiſchen Di-
plomalie von andern Vorſchlaͤgen beglei-
tet waren, die ſogar den Geſandten felbſt
ein Geheimniß blieben. Frankreichs Ab-
weichen von der für das Gefammtwohl in
Curopa hergeſtellten allgemeinen Ordnung
der Dinge würde zugleich jeden andern Bruch
der Friedensbedingungen erleichtern. Wir
heurtheilen die auswärtige Politik Napo-
Eons nach dem bedeuͤtſamen Beiſpiel ſeines
Oheims, das er ſich vor Augen gerückt hat,
nach ſeiner Politik und ſeinen Mitteln im
Zunern und nach einigen ſeiner früheren
Unterhandlungen. Ehe noch viele Woͤchen
verſtrichen find, wird der alte Berfucher
von Erfurt und Schoͤnbrunn unterwegs ſein,
und die Grundſätze der europäiſchen Regie-
rungen in ihren Beziehungen zu einander
und zu dem alten Frieden können der har-
teſten Probe, die ſie jemals zu beſtehen
hatten, ausgefetzt ſein. Wir hoffen beiallem,
was den erſten Intereſſen der Menſchheit
heilig und koſtbar iſt, daß, in welcher Form
auch ſolche Verſuchungen eintreten moͤgen,
ſie einen feſten und einmüthigen Widerſtand
finden werden, — daß von keiner Macht
auf irgend eine Unterhandlung hinſtchtlich
der Territorialeintheilung von Europa ein-
gegangen wird, die nicht zugleich allen
Hoͤfen mitgetheilt würde, und daß kein
Stagtsmann, dem in einer ſolchen Kriſis
die Leitung der Angelegenheiten anpertraut
ift, durch eine Secundärfrage oder ein Son-
derintereſſe ſich von dem aufrichtigſten und
ausdauerndſten Feſthalten an dem Prineip
abwenden laſſen wird, welches das gemein-
ſame Intereſſe Aller iſt. — Hr. Dupin
hat erſt am 31. Dec. in folgendem epi-
grammatiſchem Schreiben dem Präſidenten
des Saffationshofes ſeine Zuͤflinimung zum
neuen NRegime gegeben: „Herr Präfident!
Da der Boltswille die beftehende Ordnung
der Dinge anerfannt hat, fo Fann meine
Zuftimmung zu derfelben nicht zweifelhafter
ald die Ihrige fein.“ Hr. o, Portalis
hatte ſchon am 5. Dec,, als die Kanonen
3u donnern aufgehört, feine Zufßimmung
eingefhict, Derfelbe nimmt feine hohe Stel-
Iung feit 1829 nach dem Nücktritte des Mi-
nifferiums Martignge, worin er Siegelbe:
Wahrer geweſen, ein und ward durch das
Miniſterium Polignac ernannt.

China.


ſtand in China, meldet das /Ausland“,
ſchienen die Sache nicht ſo gefaͤhrlich dar-
zuftellen, alg man ſonſt glauble! Die „Yn-
dian News“ vom 17, Nov, enthalten Darüber
Holgendes : „Die Nachrichten von oder viel-
mehr über die Rebellion von Kwang-fi
ſind fortwährend ausnehmend vag, uͤnd
ſcheinen in Canton unter Chinefen und Frem-
den nur wenig Intereſſe zu erregen, Ein
gut unterrichteter dortiger Bewohner ſchreibt:
Die Stadt Canton im Ganzen ſcheint über
dieſe in der nächſten Provinz hetrſchenden
Unruhen fo wenig aufgeregt alg vor zwet
Jahren, und man nimmt hier ſo wenig No-
fiz davon alg fiele die Sache {n einem
fremden Lande vor.“ In England und Iu-
dien, wo man ganz autbeltiide Nachrichten
über wahrhaft wichtige Ereignife in China
ganz außer Acht läßt oder, was noch ſchlim-
mer iſt, falſch darſtellt, erregte der Aufſtand
in Kwang-ſi das meiſte Intereſſe, und die
erwarteten Folgen bieten Stoff zu allerhand
politiſchen Unterſuchungen. Tien=teh ift
allerdings ein furchtharer Rebelle, aber ſeine
Manifeſte find, wie ſo viele andere , mit
prahleriſchen Herausforderungen und unbe-
grenzien Verſprechungen geſplet. Sü, der
Generalgouverneur, bleibt zu Kantfchan,
und wenn es wahr iſt, daß er nach Canton
zurückkehren will können die Lage und Aus-
ſichten der Rebellen nicht eben ſehr furcht-
bar ſein.

Beide Theile ſchreiben ſich in neuerer Zeit
Siege zu, aber die Verluſte, die man auf
beiden Seiten erlitten hat, ſind höchſt un-
bedeutend. Eine merkwuͤrdige Geſchichte er-
zählt man von Tien=teh, wie er ſich jetzt
nenntz er war früher Seeräuber, und zu
Hongkong, dem Sammelpunkt Dderfelben,
wurde er mit Herrn Guͤtzlaff bekannt, be-
kehrte ſich zum Chriſtenthum und wurde ge-
tauft. In ſehr weltlichen Geſchäften begab
er ſich nach Kwang-ſi, und Da er ſelbſt ein
verbannter Verbrecher war, ſo verband er
ſich wit unzufriedenem Volt erhob die Fahne
des Aufſtands, Fündigte ſich alg den Apoſtel
des neuen Glaubens an, und gab ſeinen
Anhängern den Namen Schang=te=-Hwut
oder Gottesbund, unter welchem Ramen ſie
an mehreren Orten bekannt ſind. Das iſt
e8, was wir über den Rebellen vernommen
haben, für die Wahrheit können wir nicht
bürgen, halten es aber für wahrſcheinlicher,
als neun Zehntheile von dem, was man
außerhalb Chinals über die Rebellion von
Kwangeſi in Umlauf bringt.“ Dagegen
ſchreibi man mit der neueſten Poſt aus Boͤm—
bay und Alexandrien: der Kaiſer von China
ſoll beim Annaͤhern der Aufſtaͤndiſchen dem
Thron entfagt haben! Die Dynaͤſtie habe
zu regieren gufgehört, und die alte Dynaſtie
der Mings wieder den Thron beſtiegen.
Die Beſtaͤtigung ſteht dahin.)

Feuilleton.
Heinrich der IV. als Brautwerber.


Ein halbes Jahr lang verweilte der junge
5’YAubigne bei der liebenswürdigen Familie von
Lepey und genoß die ſchönſten Tage! Sufanna’8s
Eltern lieblen ihn mie einen Sohn; Sufanna
felbft Hegte für ihn eine ſchweſtexliche Zärtlich-
keit. Die reichhaltige Bücherfammlung des Herrn
v. Lepeh ſtand zu ſeiner Verfügung; ungeftört

fonnte er ſich wieder den Studien hingeben,
und dennoch fand er keine Ruhe in dieſer Woh-
nung des Friedens. Der Gedanke, von freme
der Leute Freigebigkeit leben zu müffen, ward
ihm immer unertraͤglicher, und je mehr ſeine
Pflegeeltern dieſe Beſorgniß durch wohlwollende
Behandlung aus ſeiner Bruſt zu verbannen
fuchten, deſto mehr drückte ihn das Gefühl der
aufgegebenen Unabhängigkeit. Schon als klet-
ner Knabe hatte er durch ſeine Lebhaftigkeit
und ſeine oft ſchlagenden Antworten ahnen laf-
ſen, daß der Keim einer ungewoͤhnlichen Größe
in ihm ſchlummere! Diefe Vorboten eines wer-
denden Charakters waren zur Zeit, da wir ihn
zuerſt im niedern Dachſtuͤbchen von Lhon fa-
hen, von der Laſt drückender Sorgen nieder-
gehalten, erwachten aber jetzt unter der Pflege,
durch die ſein Körper wieder erſtarkte, mit fri-
ſchem Feuer. Seine erſte Neigung hatte ihn
früher zu den Wiſſenſchaften hingezogen und
mit raſtlofem Fleiß hatte er ſich in der Schule
des Bervald und Beza herangebildet; jetzt ſah
er allmälig ein, daß der Gelehrte, welcher ſich
auf nichts als auf die Kenntniß der Bücher
verſtehe, dem Vaterland wenig nützen und noch
weniger für ſich erringen koͤnne unter Zeitver-
hältniſſen, die von der rohen Gewalt beherrſcht
wurden und nicht anders als durch die Macht
des Schwertes zu ordnen waren. Sabei war
er von Natur nicht ohne Ehrgeiz und hatte
wenig Luft, zeitlebens in dunkler Niedrigkeit
zu ſchmachten! Wer unsergänglichen Ruhm
erwerben will, ſo dachte er ganz richtig! der
muß der Menſchheit nützlich werden. Um aber
der Menſchheit dienen zu Fönnen, muß man
vor allem das Zeitalter, in dem man lebt, ver-
ſtehen und dann ſeine eigenen Fähigkeiten nach
den Bedürfnifſen deſſelben ausbilden und ge⸗—
brauchen.! Die Erwägung dieſer Wahrheiten,
an deren Mißachtung ſchon tauſende von Ta-
lenten untergegangen ſind und noch täglich un«
tergehen, brachte ihn zur Kenntniß feines bis-
herigen Irrthums. Er haͤtte gehofft mit Wors
ten Ehre und Einfluß zu erobern, und lebte
doch in einer ritterlichen Zeit, in welcher die
ernſte Wiſſenſchaft das Eigenthum ſehr weniger,
dagegen aber die heroiſche That das allgemeine
Signal war, dem die Menge in ſtaunender
Bewunderung folgte.

Der Gedanke an ſeinen vor Orleans In
tapferem Kampfe gefallenen Vater reifte dieſe
Betrachtungen bald zum Abſchluß! Der Com:
mandant Johann 9’YAubigne Hatte, wie wir be-
reits wiſſen, kurze Zeit vor feinem Tod den da-
mals erſt dreizehnjährigen Theodor Agrippa
unter den Galgen von Amboiſe zum Retter
der Hugenotten geweiht und das Rächeramt
für die Gefallenen ihm als einziges Vermächt-
niß hinterlaſſen. Wie konnte er dieſer Be-
ſtimmung anders als mit dem Schwert genü-
gen? An Todesperaͤchtung und Muth fehlte es
ihin nicht; an Kenntniſſen, die auch im Felde
wohl zu brauchen waren , zeichnete er ſich vor
dem ubrigen jungen Adel zufs vortheilhafteſte
aus und war beſonders in der Mathematik
ſehr bewandert. So durfte er ja hoffen/ daß
es ihm auf dem Felde der Ehre beſſer gehen
werde, als zu Lhon in feinem Schulmeiſteramt
ohne Schüler.

Dem Entfehluß folgte raſch die Ausfuͤhrung.
Begleilet vom Segen der Familie Lepey und
von dieſer mit Dem nöthigen Reifegeld verfehen,
verließ er auf einent muthigen Bferd Die lieb-
lichen SGeftlde von Etroits und ritt demm Kriegs⸗—
ſchauplatz in der Gegend von Pons zu, wo
der beruͤhmte Ndmiral Coligny, Oberbefehl8:z
haber des damals erſt fünfzehnjährigen Prin-
 
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