i
—
Mittwoch, den 28. Januar
1852.
Deutſchland.
Hanover, 23. Jan. Die „Ztg. f. N.“
theůt das Stimmen-Verhältniß ber der wich-
tigen Abſtimmung über den Septemver-
Vertrag mit. Es wurde der Vertrag hier-
nach in der erſten Kammer mit 43 gegen
29in der zweiten mit 37 - gegen 17
Stimmen angenommen.
Wien, 21. Januar. Der Juſtizminiſter
Karl Freiherr v. Krauß hat geſtern ſeine
Demiſſion eingereicht. Als Grund des Rück-
tritts werden Differenzen über die Ausfüh-
rung des zu den kaiſerlichen Patenten vom
31. Dec, erlaſſenen (Salvottöſchen) Pro-
gramms bezeichnet. Die Bedenken des Mi-
niſters beziehen ſich auf die in dieſem Pro-
gramm angebahnte theilweiſe Vereinigung
der Adminiſtration mit der Juſtiz, ſind
aber nicht gegen das Princip dieſer Verei-
nigung, ſondern gegen die Art der Durch-
führung gerichtet, worin ihm eine Benach-
theiligung Ddes richterlichen Factors gegen-
über dem politiſchen zu liegen ſchien. Wird
auch die Demiſſion angenommen, ſo dürfte
doch der Miniſter wahrſcheinlich nicht frü-
her aus ſeinem Amt ſcheiden, bis die neue
Gerichtsorganiſation zu! einem paſſenden
Abſchnitt gelangt iſt. —
Modena, Jan. Die mit Oeſter-
reich abgeſchloſſene, bereits ratifieirte Poſt-
convention wird fo eben veröffentlicht.
Türkei.
Konſtantinopel, 11. Jan. Geſtern
erſchien ein Decret des Finanzminiſters,
wodurch auf höchſte Genehmigung von den
Befoldungen ſämmtlicher Slaatsbeam-
ten vom 13 Jan bis 13. Juli ein 20pEt.
Apzug verordnet wird.
Amerika.
* Qpndon, 19. Jan. Mit dem Dampf-
boote „Canada“ ſind Nachrichten aus New-
Yorf vom 7, D, eingetroffen. Aus Was-
hington wird mitgetheilt, daß im Senate
eine Petition, worin verlangt wird, daß
alle Beziehungen zwiſchen der Regie-
rung der Vereinigten- Staaten und der
gegenwärtigen franzöſiſchen Regierung
eingeſtellt werden möchten, auf dem Tiſche
des Hauſes niedergelegt worden; es wurde
dieß durch ein VBotum von 21 Stimmen
gegen 14 geſtattet. Roffuth war im Si-
zungsſaale des Senats empfangen worden;
es wurde hier eine an ihn gerichtete Addreffe
verleſen, auf welche zu antworten ihm je-
doch nicht geſtattet wurde. Im Repraͤfen-
tantenhauſe war ein Antrag durchgegangen,
eine Deputation zum Empfange Roffuth’s
zu ernennen! In einer Unterredung mit
dem Staatsſeeretär des Innern Außerte
Koſſuth, ſeine Mifſion nach den Verei-
nigten Slaaten ſei völlig mißglückt und er
ſei in bohem Grade enttäuſcht.
Die „Canada“ hat eine neue Poſt aus
den Vereinigten Staaten überbraͤcht; die
Nachrichten aug Newyork reichen bis zum
6. Januar! Beide Haͤuſer des Congreffes
haben ſich mehrfach mit Ko ſſuth beſchäf-
tigt. Am S, erſchien der Magyare in dem
Senat, ſprach aber nicht zur Verfammlung,
wie man erwartet hatte. An demfelben Taa
beſchloß das Repraͤſentantenhaus mit 123
gegen 54 Stimwen die Ernennung einer
aus 5 Mitgliedetn beſtehenden Cominiffton,
welche Koffuth in die Verſammlung einfüh-
ren ſolle. — Aus Californien hat eine
Neue Poft für 2 Millionen Dollare Gold-
ſtaub und Naͤchkichten bis zum 5, Decem-
ber überbracht. Das Gexücht von einem
bevorſtehenden Krieg zwiſchen den India-
nern und den Weißen erhaͤlt fih; 4000
rothe Männer follen ſich bereits bewaffnet
und 9 Weiße ermordet haben, Die Minen-
berichte lauten nach wie vor günſtig; die
Ausbeute in Maripoſa ſoll fabelhaft groß
ſein! Am Sacramento hat man au aus-
gedehnte Kalkſtein und Marmorformationen
vorgefunden. 3wiſchen Californien und den
Sandwichsinfeln ift durch eine von
dem Kamehamea patroniſirte Geſellſchaft
4 regelmäßige Dampfſchifffahrt herge-
ellt.
Aio Janeiro, t5. Dec. Die neueſten
hier eingegangenen Berichte vom Plata-
Strome reichen bis zum 5. Dee. Zwi-
ſchen Braſilien und der orientali-
ſchen Republik ſind folgende, für beide
Staaten ſehr wichtige Berträge abgeſchloſ-
ſen worden: 1) ein Örenzvertrag; 2) ein
Alltanzvertrag ; 3) ein Vertrag, durch wel-
chen die der Republik Uruguay von Seiten
Braſiliens zu leiſtende Geldhilfe beſtimmt und
die aus früheren Zeiten herrührenden Forde-
und Schifffahrtsvertrag, und 5) ein Ver-
trag wegen gegenſeitiger Auslieferung der
Ueberläufer und wegen Rückgabe der flüch-
tigen Selaven an Braſilien.
Feu illeton.
geinrich der IV. als Brautwerber.
(Fortſetzung)
Als ich das in Händen hatte, eilte die tap-
fere Executtonszunft von Orleans unter tau-
ſend Bücklingen zum Schloßthor hHinaus, frob,
fo. wohlfeilen Kaufs losgekommen zu fein.
Aber das weitere? fragte Sufanna in ge:
ſpannter Erwartung. — Welches weitere? —
Die Gerichte von Orleans haben ſich dieſen
Spott gewiß nicht gefallen laſſen und werden
bald eine verzehnfachte Mannſchaft zur Rache
gegen Sie ausgeſendet haben! — Ach! ſagte
Aubigne. Wiſſen Sie denn noch nicht, daß
in unſerer traurigen Zeit vor den Behörden
immer der Tapfere und nur der Tapfere Recht
behält? Die Herren in Orleans zitterten ſeit
dieſem Auftritt vor meiner Rache, bis neue
Unruhen in ihrer eigenen Stadt fie den gan-
zen Handel vergeſſen ließen. Vor ihnen datte
ich nun Nuhe, doch jetzt kam erſt der gewal-
tigere Gegner — ein Gegner in der eigenen
Familie, den ich nicht mit dem Schwert ver-
treiben konnte.
Die letzten von Aubigno in ſehr ernſtem
Ton geſprochenen Worte erregten in Sufanna's
tem Schauer durchbebte Ahnung, daß ibr ſelbſt
vielleicht noch eine holde Zukunft lächle, daß
aber dieſe Zukunft hart am Jammer einer
Fremden vorüberleite, die ihr bereits nicht mehr
fremd war; ſie zilterte um Diena’s Schickſal,
die ſie des Aubigne wegen faſt liebte, obgleich
ſte wohl mußte, daß Diana der Erfüllung ihrer
eigenen Träume im Wege ſtand. Die glückz
lichere Geliebte deßhalb zu haſſen oder {hr gar
boͤſes zu wünſchen — dazu war Suſanna zu
edel. Auch trug ſie für ihren ehemaligen Schütz-
ling zu reine Gefühle im eigenen Herzen, als
daß Ereigniſſe, die ihm in vergangenen Zeiten
ſchweren Kummer bereitet, ihr nun Freude
machen konnten, ſo lange nicht er felbft in ei-
nem neuen Lebensfrühling erlittene Qualen
gänzlich vergeſſen hatte.
x
8
Aubigne nahın den abgebrochenen Faden
ſeiner Erzählung wieder auf, indem er fortfuhr :
Nur wenige Monate hatte ich nach der Ver-
treibung jener haſenfüßigen Orleaniſten das
himmlifche Glück eines ungetrübten Familien-
lebens genoffen, als der Ritter v. Salviatt,
Diana!s Onfkel, derfelbe, welchem das Schloß
Saint⸗Sandoux gehört, von einer langen Reiſe
aus Italien zurücdfam. Salytatt, aufgebracht,
daß man nicht zu unferer Vermaͤhlung ſeine
Ankunft erwartet und ihn um feine Einwillt⸗—
gung gebeten Hatte, zugleich durch die Einge-
bungen des Grafen von Chiverny, feines Freun-
des und Guͤnſtlings gereizt, berief eine Famt-
lienverfammlung, Deren mächtigſtes Mitglied
er war. Die Religion mußte mieder, wie fo
oft in unſern Zeiten, der Dekmantel eines
ſchaͤndlichen Bubenſtuͤcks werden, denn er ftellte
den Antrag, unfere Che wegen. Verfchiedenheit
der Confeſſionen zu vernichten! Trotz Diana’s
heißem Flehen, trog meiner Gegenvorſtellungen
gelang 08 dem Grafen von Chiverny, duͤrch
Ränke und Beftechungen, dieſen Antrag ſeines
Freundes Salviatt zum einftimmigen Beſchluß
der gefammten Verwandtſchaft zu erheben, Fräu-
fein, Sie kennen wohl die unumſchränkte Ges
walt, welche unſere Gebräuche ſolchen Räthen
uͤber die Herzen der jungen Toͤchter ihrer Fa-
milien einräumen! Selbſt Diana’s Vater, der
greiſe Herr von Talcy, erhob umſonſt ſeine
Stimme ſte verhallte ungehört und er mußte
ſich dem Beſchluß ſeiner Vettern unterwerfen,
die ihn mit Gewalt ihrer Waffen dazu zwan-
gen. — Iſt es möglich! rief Sufanna. Kann
fo viel Verworfenheit und Treuloſtgkelt in der
Bruſt der Menſchen wohnen? War e8 dem
Chivernh nicht genug, einen Angriff auf Ihr
Leben, auf Ihre Freiheit gemacht zu haben?
Fühlte er nidt, daß dieſer Beſchluß ein Dolch-
ſtoß in Diana’s Herz war? Konnte er den-
noch mit kaltem Blut das Hrenkeramt an einem
Weib ausüben, welches er zu lieben vorgab?
— Ach! entgegnete Aubigne, die Menfchen
brandmarken oft die Liebe, indem fie den Aus-
brüchen ihrer roheſten Leidenſchaften dieſen gött-
lichen Namen umhängen! Chiverny war nur
lüſtetn geweſen nach den Schätzen des Hertn
von Talcy und nach der Tochter ſchönem Ge-
ſicht, um das ihn entnervte Wollüſtlinge hät-
ten beneiden müſſen — die edle Diana hatte
er nie gefannt, nie geachtet! Mit Hohnlachen
ſtand er hinter der Rotte, die ſie aus meinen
Armen riß; mit Hohnlaͤchen fah er auf die
Ohnmächtige/ als ſte keichenblaß hinweggeſchleppt
wurde. Ich ſtand allein da gegen hunderte
und mußte e8 geſchehen laſſen! Troſtlos eilte
ich fört auf ein benachbartes Schloß, um Hülfe
zu ſuchen und Gewalt mit Gewalt zu verjagen.
Umfonft! die ganze Umgegend war den Ouifen
ergeben, und man wagte Ffaunı, mid, den Hu-
notten, in kalten Worten zu bedauern. In
Verzweiflung- über eine Trennung, die mir über
den Verluſt des Lebens ging, fiel ich in ein
heftiges Fieber, das mich an die Pforten des
Todes führte, und dieſe Kranfkheit war mein
einziger Freund während mehrerer Monate,
denn ohne Arzt, ohdne Kräfte, ohne Bewußt-
ſein, wie ich Ddalag.in einer niederen Köhler-
Hütte, blteb mir in dieſer Zeit wentaſtens Dia-
na's Schickfal verborgen.. Als ich aus der
langen Betäubung endlich ermwachte, Mitt mein
Gemüth mehr al8 mein kranker Körper —
meine fefte Natur erlangte allmäbhlig wieder
ihre Nechte, Aber Faum mwar ich uͤber den
YNogrund, in dem man mich berelts verloren
gegeben hatte, hinüber, fo fragte td) nach Diana;
ich wollte fie ſehen, ſte wieder in meine Arme
—
Mittwoch, den 28. Januar
1852.
Deutſchland.
Hanover, 23. Jan. Die „Ztg. f. N.“
theůt das Stimmen-Verhältniß ber der wich-
tigen Abſtimmung über den Septemver-
Vertrag mit. Es wurde der Vertrag hier-
nach in der erſten Kammer mit 43 gegen
29in der zweiten mit 37 - gegen 17
Stimmen angenommen.
Wien, 21. Januar. Der Juſtizminiſter
Karl Freiherr v. Krauß hat geſtern ſeine
Demiſſion eingereicht. Als Grund des Rück-
tritts werden Differenzen über die Ausfüh-
rung des zu den kaiſerlichen Patenten vom
31. Dec, erlaſſenen (Salvottöſchen) Pro-
gramms bezeichnet. Die Bedenken des Mi-
niſters beziehen ſich auf die in dieſem Pro-
gramm angebahnte theilweiſe Vereinigung
der Adminiſtration mit der Juſtiz, ſind
aber nicht gegen das Princip dieſer Verei-
nigung, ſondern gegen die Art der Durch-
führung gerichtet, worin ihm eine Benach-
theiligung Ddes richterlichen Factors gegen-
über dem politiſchen zu liegen ſchien. Wird
auch die Demiſſion angenommen, ſo dürfte
doch der Miniſter wahrſcheinlich nicht frü-
her aus ſeinem Amt ſcheiden, bis die neue
Gerichtsorganiſation zu! einem paſſenden
Abſchnitt gelangt iſt. —
Modena, Jan. Die mit Oeſter-
reich abgeſchloſſene, bereits ratifieirte Poſt-
convention wird fo eben veröffentlicht.
Türkei.
Konſtantinopel, 11. Jan. Geſtern
erſchien ein Decret des Finanzminiſters,
wodurch auf höchſte Genehmigung von den
Befoldungen ſämmtlicher Slaatsbeam-
ten vom 13 Jan bis 13. Juli ein 20pEt.
Apzug verordnet wird.
Amerika.
* Qpndon, 19. Jan. Mit dem Dampf-
boote „Canada“ ſind Nachrichten aus New-
Yorf vom 7, D, eingetroffen. Aus Was-
hington wird mitgetheilt, daß im Senate
eine Petition, worin verlangt wird, daß
alle Beziehungen zwiſchen der Regie-
rung der Vereinigten- Staaten und der
gegenwärtigen franzöſiſchen Regierung
eingeſtellt werden möchten, auf dem Tiſche
des Hauſes niedergelegt worden; es wurde
dieß durch ein VBotum von 21 Stimmen
gegen 14 geſtattet. Roffuth war im Si-
zungsſaale des Senats empfangen worden;
es wurde hier eine an ihn gerichtete Addreffe
verleſen, auf welche zu antworten ihm je-
doch nicht geſtattet wurde. Im Repraͤfen-
tantenhauſe war ein Antrag durchgegangen,
eine Deputation zum Empfange Roffuth’s
zu ernennen! In einer Unterredung mit
dem Staatsſeeretär des Innern Außerte
Koſſuth, ſeine Mifſion nach den Verei-
nigten Slaaten ſei völlig mißglückt und er
ſei in bohem Grade enttäuſcht.
Die „Canada“ hat eine neue Poſt aus
den Vereinigten Staaten überbraͤcht; die
Nachrichten aug Newyork reichen bis zum
6. Januar! Beide Haͤuſer des Congreffes
haben ſich mehrfach mit Ko ſſuth beſchäf-
tigt. Am S, erſchien der Magyare in dem
Senat, ſprach aber nicht zur Verfammlung,
wie man erwartet hatte. An demfelben Taa
beſchloß das Repraͤſentantenhaus mit 123
gegen 54 Stimwen die Ernennung einer
aus 5 Mitgliedetn beſtehenden Cominiffton,
welche Koffuth in die Verſammlung einfüh-
ren ſolle. — Aus Californien hat eine
Neue Poft für 2 Millionen Dollare Gold-
ſtaub und Naͤchkichten bis zum 5, Decem-
ber überbracht. Das Gexücht von einem
bevorſtehenden Krieg zwiſchen den India-
nern und den Weißen erhaͤlt fih; 4000
rothe Männer follen ſich bereits bewaffnet
und 9 Weiße ermordet haben, Die Minen-
berichte lauten nach wie vor günſtig; die
Ausbeute in Maripoſa ſoll fabelhaft groß
ſein! Am Sacramento hat man au aus-
gedehnte Kalkſtein und Marmorformationen
vorgefunden. 3wiſchen Californien und den
Sandwichsinfeln ift durch eine von
dem Kamehamea patroniſirte Geſellſchaft
4 regelmäßige Dampfſchifffahrt herge-
ellt.
Aio Janeiro, t5. Dec. Die neueſten
hier eingegangenen Berichte vom Plata-
Strome reichen bis zum 5. Dee. Zwi-
ſchen Braſilien und der orientali-
ſchen Republik ſind folgende, für beide
Staaten ſehr wichtige Berträge abgeſchloſ-
ſen worden: 1) ein Örenzvertrag; 2) ein
Alltanzvertrag ; 3) ein Vertrag, durch wel-
chen die der Republik Uruguay von Seiten
Braſiliens zu leiſtende Geldhilfe beſtimmt und
die aus früheren Zeiten herrührenden Forde-
und Schifffahrtsvertrag, und 5) ein Ver-
trag wegen gegenſeitiger Auslieferung der
Ueberläufer und wegen Rückgabe der flüch-
tigen Selaven an Braſilien.
Feu illeton.
geinrich der IV. als Brautwerber.
(Fortſetzung)
Als ich das in Händen hatte, eilte die tap-
fere Executtonszunft von Orleans unter tau-
ſend Bücklingen zum Schloßthor hHinaus, frob,
fo. wohlfeilen Kaufs losgekommen zu fein.
Aber das weitere? fragte Sufanna in ge:
ſpannter Erwartung. — Welches weitere? —
Die Gerichte von Orleans haben ſich dieſen
Spott gewiß nicht gefallen laſſen und werden
bald eine verzehnfachte Mannſchaft zur Rache
gegen Sie ausgeſendet haben! — Ach! ſagte
Aubigne. Wiſſen Sie denn noch nicht, daß
in unſerer traurigen Zeit vor den Behörden
immer der Tapfere und nur der Tapfere Recht
behält? Die Herren in Orleans zitterten ſeit
dieſem Auftritt vor meiner Rache, bis neue
Unruhen in ihrer eigenen Stadt fie den gan-
zen Handel vergeſſen ließen. Vor ihnen datte
ich nun Nuhe, doch jetzt kam erſt der gewal-
tigere Gegner — ein Gegner in der eigenen
Familie, den ich nicht mit dem Schwert ver-
treiben konnte.
Die letzten von Aubigno in ſehr ernſtem
Ton geſprochenen Worte erregten in Sufanna's
tem Schauer durchbebte Ahnung, daß ibr ſelbſt
vielleicht noch eine holde Zukunft lächle, daß
aber dieſe Zukunft hart am Jammer einer
Fremden vorüberleite, die ihr bereits nicht mehr
fremd war; ſie zilterte um Diena’s Schickſal,
die ſie des Aubigne wegen faſt liebte, obgleich
ſte wohl mußte, daß Diana der Erfüllung ihrer
eigenen Träume im Wege ſtand. Die glückz
lichere Geliebte deßhalb zu haſſen oder {hr gar
boͤſes zu wünſchen — dazu war Suſanna zu
edel. Auch trug ſie für ihren ehemaligen Schütz-
ling zu reine Gefühle im eigenen Herzen, als
daß Ereigniſſe, die ihm in vergangenen Zeiten
ſchweren Kummer bereitet, ihr nun Freude
machen konnten, ſo lange nicht er felbft in ei-
nem neuen Lebensfrühling erlittene Qualen
gänzlich vergeſſen hatte.
x
8
Aubigne nahın den abgebrochenen Faden
ſeiner Erzählung wieder auf, indem er fortfuhr :
Nur wenige Monate hatte ich nach der Ver-
treibung jener haſenfüßigen Orleaniſten das
himmlifche Glück eines ungetrübten Familien-
lebens genoffen, als der Ritter v. Salviatt,
Diana!s Onfkel, derfelbe, welchem das Schloß
Saint⸗Sandoux gehört, von einer langen Reiſe
aus Italien zurücdfam. Salytatt, aufgebracht,
daß man nicht zu unferer Vermaͤhlung ſeine
Ankunft erwartet und ihn um feine Einwillt⸗—
gung gebeten Hatte, zugleich durch die Einge-
bungen des Grafen von Chiverny, feines Freun-
des und Guͤnſtlings gereizt, berief eine Famt-
lienverfammlung, Deren mächtigſtes Mitglied
er war. Die Religion mußte mieder, wie fo
oft in unſern Zeiten, der Dekmantel eines
ſchaͤndlichen Bubenſtuͤcks werden, denn er ftellte
den Antrag, unfere Che wegen. Verfchiedenheit
der Confeſſionen zu vernichten! Trotz Diana’s
heißem Flehen, trog meiner Gegenvorſtellungen
gelang 08 dem Grafen von Chiverny, duͤrch
Ränke und Beftechungen, dieſen Antrag ſeines
Freundes Salviatt zum einftimmigen Beſchluß
der gefammten Verwandtſchaft zu erheben, Fräu-
fein, Sie kennen wohl die unumſchränkte Ges
walt, welche unſere Gebräuche ſolchen Räthen
uͤber die Herzen der jungen Toͤchter ihrer Fa-
milien einräumen! Selbſt Diana’s Vater, der
greiſe Herr von Talcy, erhob umſonſt ſeine
Stimme ſte verhallte ungehört und er mußte
ſich dem Beſchluß ſeiner Vettern unterwerfen,
die ihn mit Gewalt ihrer Waffen dazu zwan-
gen. — Iſt es möglich! rief Sufanna. Kann
fo viel Verworfenheit und Treuloſtgkelt in der
Bruſt der Menſchen wohnen? War e8 dem
Chivernh nicht genug, einen Angriff auf Ihr
Leben, auf Ihre Freiheit gemacht zu haben?
Fühlte er nidt, daß dieſer Beſchluß ein Dolch-
ſtoß in Diana’s Herz war? Konnte er den-
noch mit kaltem Blut das Hrenkeramt an einem
Weib ausüben, welches er zu lieben vorgab?
— Ach! entgegnete Aubigne, die Menfchen
brandmarken oft die Liebe, indem fie den Aus-
brüchen ihrer roheſten Leidenſchaften dieſen gött-
lichen Namen umhängen! Chiverny war nur
lüſtetn geweſen nach den Schätzen des Hertn
von Talcy und nach der Tochter ſchönem Ge-
ſicht, um das ihn entnervte Wollüſtlinge hät-
ten beneiden müſſen — die edle Diana hatte
er nie gefannt, nie geachtet! Mit Hohnlachen
ſtand er hinter der Rotte, die ſie aus meinen
Armen riß; mit Hohnlaͤchen fah er auf die
Ohnmächtige/ als ſte keichenblaß hinweggeſchleppt
wurde. Ich ſtand allein da gegen hunderte
und mußte e8 geſchehen laſſen! Troſtlos eilte
ich fört auf ein benachbartes Schloß, um Hülfe
zu ſuchen und Gewalt mit Gewalt zu verjagen.
Umfonft! die ganze Umgegend war den Ouifen
ergeben, und man wagte Ffaunı, mid, den Hu-
notten, in kalten Worten zu bedauern. In
Verzweiflung- über eine Trennung, die mir über
den Verluſt des Lebens ging, fiel ich in ein
heftiges Fieber, das mich an die Pforten des
Todes führte, und dieſe Kranfkheit war mein
einziger Freund während mehrerer Monate,
denn ohne Arzt, ohdne Kräfte, ohne Bewußt-
ſein, wie ich Ddalag.in einer niederen Köhler-
Hütte, blteb mir in dieſer Zeit wentaſtens Dia-
na's Schickfal verborgen.. Als ich aus der
langen Betäubung endlich ermwachte, Mitt mein
Gemüth mehr al8 mein kranker Körper —
meine fefte Natur erlangte allmäbhlig wieder
ihre Nechte, Aber Faum mwar ich uͤber den
YNogrund, in dem man mich berelts verloren
gegeben hatte, hinüber, fo fragte td) nach Diana;
ich wollte fie ſehen, ſte wieder in meine Arme