Als Sufanna die dret in voller Rüſtung
durch das Thor in den Garten eintreten ſah,
errieth ſie ſogleich ihre Abſicht, warf ſich dann
Y’Aubigne zu Füßen, und unter tauſend Thrä-
nen feine Knte feſt umklammernd beſchwor ſie
ihn nicht. weiter voranzugehen! Doch umſonſt!
vAubigns war ‚jebt zu gereizt — fogar die
Sprache der Liebe konnte ihn nicht zur Beſin-
nung bringen! Ach! ſtammelte ſie endlich,
dann ift alles verloren und Du findeft Deine
Sufanna wieder, wo Diana ſchläft — {im
Grab! — Dies Wort erſchütterte den Zürnen-
den ſo gewaltig und er fühlte ſich von einer
Empfindung ergriffen, die ſeine Wuth über-
mannte? Was kann ich denn anderes thun?
rief er in Verzweiflung! Zeige mir den Weg,
meine Ehre und Dich zu retten und ich will
ihn wandern. — Nur zwei Tage — flehte
Sufanna — nur zwet Tage lang verſchiebe
Deine unheilvolle. Herausforderung, und ich
bringe Dir beides. — Bei dieſer Bitte des ge-
liebten Fräuleins, deſſen Schoͤnheit durch die
Angſt ſich noch zu erhöhen ſchien, gab d Au-
bigne, obgleich ungern, dem Hoffnungsſchimmer
einer glücklicheren Löſung allmälig Raum und
entgegnete nach einigem Bedenken! So ſei es
denn! zwei Tage lang geb ich Bedenkzeit! doch
länger als achtundvierzig Stunden kann iich
dieſe Schmach nicht ungerächt ertragen. — Mit
dieſen Worten kehrte er dem Fräulein den Rü-
der dem Thore zu, durch welches er gekommen
war. Unter demſelben beſann er ſich doch, daß
dies kein Abſchled fei für eine Braut, welche
den Druck des Familienraths wohl noch ſchmerz-
licher als er ſelbſt fühlen müffe, Daͤher eilte
er nochmals zu ihr zurück, drückte einen feu-
rigen Kuß auf ihre roſenfarbige Lippe und lis-
pelie: ich thue ja gern alles für dich; doch
länger noch als achtundvierzig Stunden ohne
Löſung als Entehrter leben das geht, deſſen
iſt Goͤtt Zeuge, gegen meine Natur! — Dar-
auf beſchleunigte er ſeine Schritte, um die vor-
angeeilten Begleiter wieder einzuholen, und war
bald hinter der Mauer verſchwunden.
Die Herren Familienräthe hatten von den
Zimmern des Schloſſes aus dieſe Scene beob
achtet und waren anfänglich über die Ankunft
der drei gepanzerten Ritter fo arg erſchrocken,
daß ihnen das Sprechen verging; va fie die-
felben jedoch nach einiger Zeit friedlich wieder
abziehen ſahen, rieb ſich der Vormund vergnügt
die Hände und rief: diesmal hat ung das
Fräulein ans einer Klemme geriffen, der wir
uns nicht zum zweitenmal ausfegen wollen.
Ich habe ſchen meinen Entſchluß gefaßt —
wir reiſen ſogleich ab, um meine Mündel von
dem Abentheurer auf immer zu trennen, an
deſſen Gewaͤndtheit in Raufereien ich ſo wenig
zweifle, daß ich in dieſem Punkt ihm gern ſeine
Ueberlegenheit einräume, ohne mich mit ihm
verſuchen zu wollen! — Ja, entgegnete der
Berr von la Rochefoucault, er ſoll im Ab-
ſchlagen von Armen und Beinen eine ganz
entfeBliche Fertigkeit haben. — Nu, nu! ſchloß
der ahnenſtolze Herr von Retz unbezweifelt der
feigſte in diefem RNath;, mit ſeiner Waffenfähig-
keit naͤhme ichs wohl noch auf, aber es ſchickt
ſich nicht, mit einem davongcjagten Haudegen,
der nicht mal eine Burg beſitzt, ſich handge-
mein zu machen. — Der galante Ritter von
Dampiere, welcher an Kühnheit ſeine drei Be-
ſchützer ſo weit übertraf, daß {fm beim An-
blick der Gepanzerten nicht blos das Sprechen,
fondern ſogar das Hören und Sehen vergan:
gen war,. hatte noch ganz andere Gedanken,
die er aber, weil er gern den Schein rettete,
für fich behielt! Wer gegen das Fräulein
taglich wentger galant wird, meinte ev, und
endlich ganz verſchwindet, der weicht nicht vor
einem Nebenbuhler fondern hat das Liebeln
aufgegeben , well es ihm eben nicht mehr ge-
fiel; und ſo werde ich's künftig halten, denn
des Fräuleins Herz bekomme ich doch nicht und
für verkrüppelte Glieder bedanke ich mich ſchön-
ſtens.
Als Suſanna, aus dem Gaͤrten zurückkeh-
rend, eben in ihre Gemächer eintreten wollte,
kam ihr ſchon der Vormund mit der Naͤchricht
entgegen, daß die ganze Geſellſchaft fogleich
abreiſen würde! — Wohin? fragte fie beſtürzt.
— Nach dem benachbarten Schloß des Herrn
von Retz entgegnete der Vormund. Daͤhin
aber gelangen wir erſt morgen. Dieſe Nacht
bleiben wir auf dem nähern Gute des Herrn
von Ia Rochefoucault, weil der Tag ſchen weit
vorgerückt tſt. Suſanna wendete gegen dieſen
Beſchluß nichts ein, und entließ den alten
Herrn mit dem Verſprechen, nach Verlauf ei-
ner Stunde reiſefertig zu fein. Kaum war er
fortgegangen fo ſchloß ſie hinter ihm ihr Ge-
mach ab, und ſchrieb an König Heinrich von
Nabarra einen Brief, in welchem ſte ihm alles
Vorgefallene ſammt ihrer gezwungenen Abreiſe
beabſichtigten Weges mittheilte, Als dies ge-
ſchehen war, beſchied ſie ihren treueſten Diener
zu fich, befahl ihm, das beſte Pferd zu beſtei-
gen, nach dem kaum drei Meilen entfernten
Satnt: Maixent ins Hoflager zu eilen und ihr
umgehend des Königs Antwort zu bringen.
Damlt glaubte Suſanna die beſte Löſung
vorbereitet zu haben und nach Verlauf der
Stunde reiste ſie mit ihrer ganzen Hausgeſell-
ſchaft vergnügt und heiter ab. Die Sonne
war noͤch nicht unter, als ſie vor dem Land-
hauſe des Herrn von Ia Rochefoucault anlang-
ten. So lang es Tag blieb, ſcherzte und lachte
ſie in einem fort und war ſo ausgelaſſen fröh-
lich daß die Herren Familienräthe ordentlich
neugierig auf den Grund ihrer Heiterkeit wur-
den und Dampiere, der ſich vom Fräulein
durchſchaut wähnte, ſich immer kleinlauter be-
nahm, Als jedoch Stunde nach Stunde verz
ging und die Nacht immer weiter vorrückte,
ohne daß der Bote von Saint-Maixent zurück-
fam, verſank fie von Minute zu Minute in
immer ängſtlichere Traurigkeit und zog ſich
endlich in ihr Schlafgemach zurück, um vor
den neugierigen Vettern ihre Thränen zu ver-
bergen. Dort blieb ſie die ganze Nacht ſchlaf-
los betend und weinend, und beim leifeſten
Geraͤuſch von außen ſchaute ſie zum Fenſter
hinaus, doch immer vergebens! Die Sonne
ging wieder auf e8 wurde Mittag, es wurde
Abend, die Reiſegeſellſchaft war nur noch ein
paar Meilen vom Schloß des Herrn von Retz
entfernt, und Sufanna, ſah und hörte nichts
von ihrem Boten. Sie fürchtete jetzt einen
falſchen Schtitt gethan zu haͤben, und zitterte
bei dem Gedaͤnken, daß d Aubignénihr nicht
länger als zwei Tage Gedutd verſprochen hatte.
Der fünffechfte Theil dieſer Friſt war bereits
verſtrichen und damlt verſchwand auch die Hoff-
nung, daß am folgenden Zag die unglücklichen
Herausforderungen unterbleiben würden. Su-
fanna kannte den d Aubignè zu gut, als daß
ſie hätte erwarten Fönnen, er werde mit ſeinen
zwei Freunden den Fliehenden in das Schloß
des Herrn v. Retz nicht nachfolgen; ihm wäre
der Weg um, die ganze Welt nicht zu weit ge-
wefen! wo.e8 galt, einen entehrenden Schimpf
von ſich abzumälzen. Das wuͤßte Suſanna
wohl, und den Schmerz, den ſie bei dieſer Er-
wägung niederdrückte, vollendeten noch die leb-
haften Geviſſensbiſſe; denn ſte fing an, dar-
über, daß fie ohne Einwilligung ihrer Anver-
wandten ſich in eine Verbindung eingelaffen
hatte, ſich bittere Vorwürfe zu machen , und
die ſchrecklichen Folgen Diefes einzigen Verge-
hens gegen die Rückſichten, weldhe ihr Stand
und die Sitten ihrer Zeit ihr zur Pfliht mach-
gend ſich mit diefen und aͤhnlichen Gedanken
quälte, rollte der Wagen, in welchem ſie mit
ihrer Begleitung ſaß, immer näher gegen das
Schloß des Herrn von Retz.
22,
Es war völlig Nacht gewurden, als die
Reiſenden einen Bergrücken erreicht hatten, wel-
cher ihnen zuerſt den Anblick des Schloſſes ge«
währte. Alle zumal der Schloßbeſitzer Herr
von Retz felbft, erſtaunten nicht wenig, daffelbe
prächtig erleuchtet vor ſich zu ſehen! Anfäng-
lich hielt Suſanna dies für eine neue Gaͤlan-
terie von Dampiere; doch der zierliche Ritter
erklärte ſeinem gefaßten Vorſatze gemäß mit
großer Aufrichtigkeit er werde dergleichen Thor-
heiten künftig nur einer Dame zu gefallen be-
gehen, deren Herz zu beſitzen er ſich ſchmeicheln
dürfe. Auch Herr von Retz auf den Suſanna
nun ſtel, meinte mit gleicher Offenheit, cr ſei
unfähig, aus Erkenntlichkeit für die Angſt des
vorigen Tages ſolche Aufmerkſamkeiten zu zol-
len! Und der Vormund, den Suſanna nicht
fragte, fügte dem bei: Fräulein, Sie erwarten
von uns wohl noch Illuminationen dafür, daß
Sie uns durch einen abentheuernden Knochen-
zerquetſcher raſtlos im Land herumjagen laſſen?
Suſanna ſchwieg und blieb die Antwort ſchul-
dig obgleich dieſe Erflärungen , welche nichts
weniger als Verſtellung waren, ihre Neugierde
noch erhöht hatten.
Noch mehr als beim bloſen Anblick aus
der Ferne ſtaunten alle bei ihrem Eintritt in
das Schloß felbft. Daſſelbe war aufs herr-
lichſte geſchmückt und von den hervorragendſten
Adelsfamilien der Umgegend angefüllt, welche
einſtimmig verſicherten, von ihnen unbekannten
reich gekleideten Chevaliers in Namen des Fräu-
leins von Lepeh zu einem Balle eingeladen
worden zu fein. Ebenſe waren ſchen am vor-
angehenden Tage unbefannte Arbeiter van al-
len Seiten herbeigeeilt, um im' Schloß die
Vorbereitungen zum Feſt zu treffen; Und / mit
Einbruch der Nacht hatten ſich auch die Mu-
ſiker eingeſtellt -— .alle8 im Namen des Fräu-
leins von Lepen, aber ohne daß jemand den
eigentlichen Uiheber kannte-
(FortfeBung folgt.)
Vermiſchtes.
‚ *2 In dem Departement Calvadosı in
Ftankreich zählt man wentgſtens 50,000 Spis
tzenklöpplerinnen und Stickertnnen
auf Tülle, von denen 15,000 auf den Bezirk
Bayeur, und auf jeden der Bezirke Falaiſe,
Liſteur und Pont LEveque 10,000 kommen,
Sie produeiren jährlich für 8 Millionen Fran-
ken Waaren, deren Rohſtoffe höchſtens 1,600,000
Franken koſten, ſo daß 6 Millionen und einige
hunderttauſend Franken als Lohn bleiben, was
auf den Kopf ein Mittelverdienſt von 75 Cen-
times täglich ergibt. Merkwürdig iſt e8,. daß
die meiſten der Frauen, welche die bewunderns-
werthen feinen Arbeiten machen, ſich dieſer Ins
duſtrie nur 6 oder 7 Monate widmen, die übrige
Zeit des Jahres fich aber mit allen und ſelbſt
den rauheſten Feldarbeiten beſchäftigen.
* Von dem Miſſtonär Neumann, der
Gützlaff bei ſeiner Abreiſe von Deutſchland
nach China begleitet hat, ſind Nachrichten einz
getroffen, welche die Hoffnung erwecken, daß
die von Gützlaff begonnenen Unternehmungen
durch ſeinen Tod keine Unterbrechungen ‚erleiz
den werden, Neumann iſt an Gützlaff's Stelle
an die Spitze des chineſiſchen Vereins getreten
die mit Hülfe von vierzig eingeborenen Mif-
ſtonsgehuͤlfen die Evangeliſirung China's ſich
zum Zweck geſetzt hat.
“ Verantwortlicher Redacteur: A, Niekher.
Druck und Verlag von G. Reichard.
durch das Thor in den Garten eintreten ſah,
errieth ſie ſogleich ihre Abſicht, warf ſich dann
Y’Aubigne zu Füßen, und unter tauſend Thrä-
nen feine Knte feſt umklammernd beſchwor ſie
ihn nicht. weiter voranzugehen! Doch umſonſt!
vAubigns war ‚jebt zu gereizt — fogar die
Sprache der Liebe konnte ihn nicht zur Beſin-
nung bringen! Ach! ſtammelte ſie endlich,
dann ift alles verloren und Du findeft Deine
Sufanna wieder, wo Diana ſchläft — {im
Grab! — Dies Wort erſchütterte den Zürnen-
den ſo gewaltig und er fühlte ſich von einer
Empfindung ergriffen, die ſeine Wuth über-
mannte? Was kann ich denn anderes thun?
rief er in Verzweiflung! Zeige mir den Weg,
meine Ehre und Dich zu retten und ich will
ihn wandern. — Nur zwei Tage — flehte
Sufanna — nur zwet Tage lang verſchiebe
Deine unheilvolle. Herausforderung, und ich
bringe Dir beides. — Bei dieſer Bitte des ge-
liebten Fräuleins, deſſen Schoͤnheit durch die
Angſt ſich noch zu erhöhen ſchien, gab d Au-
bigne, obgleich ungern, dem Hoffnungsſchimmer
einer glücklicheren Löſung allmälig Raum und
entgegnete nach einigem Bedenken! So ſei es
denn! zwei Tage lang geb ich Bedenkzeit! doch
länger als achtundvierzig Stunden kann iich
dieſe Schmach nicht ungerächt ertragen. — Mit
dieſen Worten kehrte er dem Fräulein den Rü-
der dem Thore zu, durch welches er gekommen
war. Unter demſelben beſann er ſich doch, daß
dies kein Abſchled fei für eine Braut, welche
den Druck des Familienraths wohl noch ſchmerz-
licher als er ſelbſt fühlen müffe, Daͤher eilte
er nochmals zu ihr zurück, drückte einen feu-
rigen Kuß auf ihre roſenfarbige Lippe und lis-
pelie: ich thue ja gern alles für dich; doch
länger noch als achtundvierzig Stunden ohne
Löſung als Entehrter leben das geht, deſſen
iſt Goͤtt Zeuge, gegen meine Natur! — Dar-
auf beſchleunigte er ſeine Schritte, um die vor-
angeeilten Begleiter wieder einzuholen, und war
bald hinter der Mauer verſchwunden.
Die Herren Familienräthe hatten von den
Zimmern des Schloſſes aus dieſe Scene beob
achtet und waren anfänglich über die Ankunft
der drei gepanzerten Ritter fo arg erſchrocken,
daß ihnen das Sprechen verging; va fie die-
felben jedoch nach einiger Zeit friedlich wieder
abziehen ſahen, rieb ſich der Vormund vergnügt
die Hände und rief: diesmal hat ung das
Fräulein ans einer Klemme geriffen, der wir
uns nicht zum zweitenmal ausfegen wollen.
Ich habe ſchen meinen Entſchluß gefaßt —
wir reiſen ſogleich ab, um meine Mündel von
dem Abentheurer auf immer zu trennen, an
deſſen Gewaͤndtheit in Raufereien ich ſo wenig
zweifle, daß ich in dieſem Punkt ihm gern ſeine
Ueberlegenheit einräume, ohne mich mit ihm
verſuchen zu wollen! — Ja, entgegnete der
Berr von la Rochefoucault, er ſoll im Ab-
ſchlagen von Armen und Beinen eine ganz
entfeBliche Fertigkeit haben. — Nu, nu! ſchloß
der ahnenſtolze Herr von Retz unbezweifelt der
feigſte in diefem RNath;, mit ſeiner Waffenfähig-
keit naͤhme ichs wohl noch auf, aber es ſchickt
ſich nicht, mit einem davongcjagten Haudegen,
der nicht mal eine Burg beſitzt, ſich handge-
mein zu machen. — Der galante Ritter von
Dampiere, welcher an Kühnheit ſeine drei Be-
ſchützer ſo weit übertraf, daß {fm beim An-
blick der Gepanzerten nicht blos das Sprechen,
fondern ſogar das Hören und Sehen vergan:
gen war,. hatte noch ganz andere Gedanken,
die er aber, weil er gern den Schein rettete,
für fich behielt! Wer gegen das Fräulein
taglich wentger galant wird, meinte ev, und
endlich ganz verſchwindet, der weicht nicht vor
einem Nebenbuhler fondern hat das Liebeln
aufgegeben , well es ihm eben nicht mehr ge-
fiel; und ſo werde ich's künftig halten, denn
des Fräuleins Herz bekomme ich doch nicht und
für verkrüppelte Glieder bedanke ich mich ſchön-
ſtens.
Als Suſanna, aus dem Gaͤrten zurückkeh-
rend, eben in ihre Gemächer eintreten wollte,
kam ihr ſchon der Vormund mit der Naͤchricht
entgegen, daß die ganze Geſellſchaft fogleich
abreiſen würde! — Wohin? fragte fie beſtürzt.
— Nach dem benachbarten Schloß des Herrn
von Retz entgegnete der Vormund. Daͤhin
aber gelangen wir erſt morgen. Dieſe Nacht
bleiben wir auf dem nähern Gute des Herrn
von Ia Rochefoucault, weil der Tag ſchen weit
vorgerückt tſt. Suſanna wendete gegen dieſen
Beſchluß nichts ein, und entließ den alten
Herrn mit dem Verſprechen, nach Verlauf ei-
ner Stunde reiſefertig zu fein. Kaum war er
fortgegangen fo ſchloß ſie hinter ihm ihr Ge-
mach ab, und ſchrieb an König Heinrich von
Nabarra einen Brief, in welchem ſte ihm alles
Vorgefallene ſammt ihrer gezwungenen Abreiſe
beabſichtigten Weges mittheilte, Als dies ge-
ſchehen war, beſchied ſie ihren treueſten Diener
zu fich, befahl ihm, das beſte Pferd zu beſtei-
gen, nach dem kaum drei Meilen entfernten
Satnt: Maixent ins Hoflager zu eilen und ihr
umgehend des Königs Antwort zu bringen.
Damlt glaubte Suſanna die beſte Löſung
vorbereitet zu haben und nach Verlauf der
Stunde reiste ſie mit ihrer ganzen Hausgeſell-
ſchaft vergnügt und heiter ab. Die Sonne
war noͤch nicht unter, als ſie vor dem Land-
hauſe des Herrn von Ia Rochefoucault anlang-
ten. So lang es Tag blieb, ſcherzte und lachte
ſie in einem fort und war ſo ausgelaſſen fröh-
lich daß die Herren Familienräthe ordentlich
neugierig auf den Grund ihrer Heiterkeit wur-
den und Dampiere, der ſich vom Fräulein
durchſchaut wähnte, ſich immer kleinlauter be-
nahm, Als jedoch Stunde nach Stunde verz
ging und die Nacht immer weiter vorrückte,
ohne daß der Bote von Saint-Maixent zurück-
fam, verſank fie von Minute zu Minute in
immer ängſtlichere Traurigkeit und zog ſich
endlich in ihr Schlafgemach zurück, um vor
den neugierigen Vettern ihre Thränen zu ver-
bergen. Dort blieb ſie die ganze Nacht ſchlaf-
los betend und weinend, und beim leifeſten
Geraͤuſch von außen ſchaute ſie zum Fenſter
hinaus, doch immer vergebens! Die Sonne
ging wieder auf e8 wurde Mittag, es wurde
Abend, die Reiſegeſellſchaft war nur noch ein
paar Meilen vom Schloß des Herrn von Retz
entfernt, und Sufanna, ſah und hörte nichts
von ihrem Boten. Sie fürchtete jetzt einen
falſchen Schtitt gethan zu haͤben, und zitterte
bei dem Gedaͤnken, daß d Aubignénihr nicht
länger als zwei Tage Gedutd verſprochen hatte.
Der fünffechfte Theil dieſer Friſt war bereits
verſtrichen und damlt verſchwand auch die Hoff-
nung, daß am folgenden Zag die unglücklichen
Herausforderungen unterbleiben würden. Su-
fanna kannte den d Aubignè zu gut, als daß
ſie hätte erwarten Fönnen, er werde mit ſeinen
zwei Freunden den Fliehenden in das Schloß
des Herrn v. Retz nicht nachfolgen; ihm wäre
der Weg um, die ganze Welt nicht zu weit ge-
wefen! wo.e8 galt, einen entehrenden Schimpf
von ſich abzumälzen. Das wuͤßte Suſanna
wohl, und den Schmerz, den ſie bei dieſer Er-
wägung niederdrückte, vollendeten noch die leb-
haften Geviſſensbiſſe; denn ſte fing an, dar-
über, daß fie ohne Einwilligung ihrer Anver-
wandten ſich in eine Verbindung eingelaffen
hatte, ſich bittere Vorwürfe zu machen , und
die ſchrecklichen Folgen Diefes einzigen Verge-
hens gegen die Rückſichten, weldhe ihr Stand
und die Sitten ihrer Zeit ihr zur Pfliht mach-
gend ſich mit diefen und aͤhnlichen Gedanken
quälte, rollte der Wagen, in welchem ſie mit
ihrer Begleitung ſaß, immer näher gegen das
Schloß des Herrn von Retz.
22,
Es war völlig Nacht gewurden, als die
Reiſenden einen Bergrücken erreicht hatten, wel-
cher ihnen zuerſt den Anblick des Schloſſes ge«
währte. Alle zumal der Schloßbeſitzer Herr
von Retz felbft, erſtaunten nicht wenig, daffelbe
prächtig erleuchtet vor ſich zu ſehen! Anfäng-
lich hielt Suſanna dies für eine neue Gaͤlan-
terie von Dampiere; doch der zierliche Ritter
erklärte ſeinem gefaßten Vorſatze gemäß mit
großer Aufrichtigkeit er werde dergleichen Thor-
heiten künftig nur einer Dame zu gefallen be-
gehen, deren Herz zu beſitzen er ſich ſchmeicheln
dürfe. Auch Herr von Retz auf den Suſanna
nun ſtel, meinte mit gleicher Offenheit, cr ſei
unfähig, aus Erkenntlichkeit für die Angſt des
vorigen Tages ſolche Aufmerkſamkeiten zu zol-
len! Und der Vormund, den Suſanna nicht
fragte, fügte dem bei: Fräulein, Sie erwarten
von uns wohl noch Illuminationen dafür, daß
Sie uns durch einen abentheuernden Knochen-
zerquetſcher raſtlos im Land herumjagen laſſen?
Suſanna ſchwieg und blieb die Antwort ſchul-
dig obgleich dieſe Erflärungen , welche nichts
weniger als Verſtellung waren, ihre Neugierde
noch erhöht hatten.
Noch mehr als beim bloſen Anblick aus
der Ferne ſtaunten alle bei ihrem Eintritt in
das Schloß felbft. Daſſelbe war aufs herr-
lichſte geſchmückt und von den hervorragendſten
Adelsfamilien der Umgegend angefüllt, welche
einſtimmig verſicherten, von ihnen unbekannten
reich gekleideten Chevaliers in Namen des Fräu-
leins von Lepeh zu einem Balle eingeladen
worden zu fein. Ebenſe waren ſchen am vor-
angehenden Tage unbefannte Arbeiter van al-
len Seiten herbeigeeilt, um im' Schloß die
Vorbereitungen zum Feſt zu treffen; Und / mit
Einbruch der Nacht hatten ſich auch die Mu-
ſiker eingeſtellt -— .alle8 im Namen des Fräu-
leins von Lepen, aber ohne daß jemand den
eigentlichen Uiheber kannte-
(FortfeBung folgt.)
Vermiſchtes.
‚ *2 In dem Departement Calvadosı in
Ftankreich zählt man wentgſtens 50,000 Spis
tzenklöpplerinnen und Stickertnnen
auf Tülle, von denen 15,000 auf den Bezirk
Bayeur, und auf jeden der Bezirke Falaiſe,
Liſteur und Pont LEveque 10,000 kommen,
Sie produeiren jährlich für 8 Millionen Fran-
ken Waaren, deren Rohſtoffe höchſtens 1,600,000
Franken koſten, ſo daß 6 Millionen und einige
hunderttauſend Franken als Lohn bleiben, was
auf den Kopf ein Mittelverdienſt von 75 Cen-
times täglich ergibt. Merkwürdig iſt e8,. daß
die meiſten der Frauen, welche die bewunderns-
werthen feinen Arbeiten machen, ſich dieſer Ins
duſtrie nur 6 oder 7 Monate widmen, die übrige
Zeit des Jahres fich aber mit allen und ſelbſt
den rauheſten Feldarbeiten beſchäftigen.
* Von dem Miſſtonär Neumann, der
Gützlaff bei ſeiner Abreiſe von Deutſchland
nach China begleitet hat, ſind Nachrichten einz
getroffen, welche die Hoffnung erwecken, daß
die von Gützlaff begonnenen Unternehmungen
durch ſeinen Tod keine Unterbrechungen ‚erleiz
den werden, Neumann iſt an Gützlaff's Stelle
an die Spitze des chineſiſchen Vereins getreten
die mit Hülfe von vierzig eingeborenen Mif-
ſtonsgehuͤlfen die Evangeliſirung China's ſich
zum Zweck geſetzt hat.
“ Verantwortlicher Redacteur: A, Niekher.
Druck und Verlag von G. Reichard.