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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1274
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*

Die ernſte Miene und der ernſte Ton, mit
welchen er dieſe Worte ſpraͤch, braͤchten den
Koͤntg zum Lachen; die Graͤfin ( aber, welche
ihr Feld verloten fah, glaubte fih am beſten
dadurch aus der Verlegenheit zu ziehen, daß
ſie der Suche ebenfalls eine ſcherzhafte Wen-


ern d Aubigué ergriff und ihn mit der Ver-


liebe, jetzt aber von etwas anderem, zum Bei-


reich ſprechen. wolle! — Sire, antwortete d Au-
bigne, ich fand Ihren königlichen Vetter zu




voll kleiner Hunde an einem breiten Band am
Hals. Er antwortete mir auf das, was ich



rina? — Wenig; ſeit der Hinrichtung der
Guiſen zu Blois ift ſie fehr Frank, — Davon


iſt vielleicht nicht mehr weit entfernt: man
vermutbet, die Reue uber den Tod der Guiſen
werde fie in die Grube bringen. — Und die
Ligue? — wird immer, furdtbarer, Herzog
Karl von. Mayenne ſammelt feine Macht mwie-


bern gegen die Valois felbſt zu führen und


Katharina und der letzte Valois feloͤſt zittern
auf ihrem wankenden Thron; Spanien ruͤſter


Sirte, Sie werden
bald wieder Ihrer alten Hugenotten bedürfen.
— Ig rechne auf Diefelden. — und auf Ste.
— Mit diefen Worten drückte Heinrich noch



cabinet, Aubigné aber, welcher nun der
Gräftn ohne Zeugen gegenüber {tand, war,
obwohl ſonſt gegen Damen fehr zuvorkommend
und gefällig, diesmal nicht galant genug, ihr
Arm und Geleite anzubieten, fondern entfernte
ſich nach einer ſtummen Verbeugung durch den
Hauptau8agang. Als die Graͤfin H allein
jab, ftampfte ſie vor Wulh mit dem Fuß auf
den Boden, eilte dann in ihre Wohnung und


— —
Die Creigniffe, welche diAubigné vorauss
geſagt hatte, Irafen ein: Kaͤthaͤkina ſtarb in
Reue und Verzweiflung darüber, daß fie duͤrch


aufgereizt haue; ihr Sohn, der letzte Valois,



reichs rechtmäßiger König geworden, aber au:


als ſolchen anerfennen; alle fpotteten ſeiner




genheit eine Provtnz alg ſyuveränes Fuͤrſten-
thun zu erbeuten Hoffte; und dag gewaltige
Spanien, das den einzelnen Großen allen Vor-
fhub leiftete, um zuleBt feinen eigenen Herr-
ſcheiſtab über das getheilte Frankreich zu ſchwin-
gen. Heinrvich, von deffen Sieg oder Niederz


Frankreichs Zerfplitterung und Untergang ab-
hing, hatte ſeinen Gegnern nichts entgegen zu
jeßen, al8 ſein gutes Recht und feine Chrlich:
Feit; in allem übrigen waren jene ihın hun-
derifach überlegen. — Dennoch wagte er den
Kampf, auf Sott und feine moralifhe Kraft

vertrauend. Sein Feldherr dAubign& wirkte
milt dem Fleinen Heer der Hugenotten Wunder,
der Tapfakeit und nahm der zehnfach an Zaͤhl
ſtaͤrkern Ligue eine Stadt nach der andern weg.
Zuerſt batte er Niort, dann Maillezais erobert
und ſtand jetzt eben vor Etampes.
Inzwiſchen trauerte Suſanna, die ihn an-
betete, auf ihrem Schloß, daß er von ihr hin-
weggeeilt war, um neue Wagniſſe zu beſtehen
und ſein theures Leben bloszuſtellen. Sie mar
noch nicht fo glücklich geweſen, Mutter zu wer-
den; ſte hatte alfo in ihrer Sinfamfeit nichts,
was fie über die Abweſenheit ihres Gemahls
tröſten fonnte, Allein ohne Freundinnen —
denn ſie hatte die Geſellſchaft der Damen ge-
flohen, aus Furcht, ihr Neid moͤchte häuslichen
Zwiſt erregen, — ohne Berwandte, denn ſeit
ihrer Vermahlung kamen die Herren von Retz,
von Niſae, von Ia Rochefoucault und von Danı»
viere nicht mehr in ihr Haus; — genöthigt
endlich, tief in einer Provinz ihre Tage in
fanger Weile zuzubringen, entwaͤrf ſte den Plan,
ihr altes Schloß Pitou zu verlaffen und deni
Geſchick eines Gemahls zu folgen, ohne welz
en ihr das Leben keinen Werth mehr zu ha:
ben ſchien; eine neue Johanna d Are befaß fte


phyſiſchen Kräfte zu haben! Ihre zarten Hände
waͤren nicht vermoͤgend, ein Gewehr zu haͤlten;
aber ſie ſaß ſehr gut zu Pferd, und vorzüg-
lich erſetzte ſie in allen koͤrperlichen Uebungen
durch Gewandtheit! was ihr an Kraft, fehlte.
Und was vermag überhaupt ein Weib nicht,
wenn es will, wenn ſein Geiſt einmal einen
gewaͤgten Entſchluß gefaßt hat, von deſſen Aus-
führung ſeine Ruhe abhängt? Hoͤrk man die
Klugheit, wenn die Liebe ſpricht? Wenn uns
das Wefen, das wir lieben, duͤrch ſeinen Tod
die eine Hälfte unferer Tage rauben Fann, was
iſt die andere noch? iſt fie es noch werth, um
nicht das ganze Leben aufzuopfern? So dachte
Sujfanna; nnd ſchon mar ihre Ruͤſtung berelt,
ſchon verhüllte der ſchwere Helm ihr blondes
Haar, ein Haͤrniſch umſchloß ſtatt des weib:
lichen Gewandes ihre Glieder und ihr Renner
trug ſie voll Feuer in die Reihe der Freiwil-
figen, die unter ihres Gemahls Befehl ſtanden
Jir Geheimniß hatte ſie einer einzigen ſie be-
gleitenden Perſon anvertraut und ſich die tiefſte
Verſchwiegenheit geloben laffen; aber bei Dder
Armee hielt ſie ſich dem Aubigne fo nahe, daß
ſie allen ſeinen Bewegungen folgen konnte. Ich
bin doch bei ihm, ſagte fie_zu ſich ſelbſt, ich
kann ihn ſehen; trifft ihn das mörderiſche Ei-
ffen, fo werden ihn meine Arme umfangen,
ich werde ſeinen letzten Seufzer auffaſſen und
zufrieden ſterben.
Wenige Tage nach ihrer Ankunſt im Lager
bei Ctampes wurden die Truppen zu einem
Hauptangriff geordnet, die Fabnen wehten,
Heinrich gab das Zeichen zur Schlaͤcht, aͤlles
war {n Bewegung und Zhätigkeit.. Die Ber
lagerten leiſteten den heftigſten MWiderftand —
doch umfonft. Alles wich der Tapferkeit Hein-
richs und feine8 braven Feldhevrn; ſchen lagen
tauſend Streiter in ihrem Blat Die Belager-
ten verfuchten in der Verzweiflung einen Aus-
fall; e8 fam zum Handgemenge, man ſchlug
ſich Monn ‚gegen Mann; das Gemetzel war
gräßlih. Beficgt, geängftigt, verfolgt, verloren
die Liguiſten den Muth, ſich in die Stadt zu-
rüczuziehen, und alles wa8 dem Schwerte ves
Sierger8 entrann, fuchte frin Heil in fchleuniger
Flucht. *
- MNach errungenem Sieg befah d Aubigue
mit einer Miſchung von Betruͤbniß das von
den Ovfern der kriegeriſchen Wuth bededte
Schlachtfeld und erthellte die Befehle zur Wie-
derſamnilung ſeiner Mannſchaften alg hinter
ihnm unter den Haufen Todter ein blos verwun:

\

ſich aufrichtet und den Hugenottenfeldherrn er-
kennt! Ein letztes Gefühl von Rache ſcheint
ſeine Kräfte nochmals zu beleben; ſein durch
den Blutverluſt geſchwaͤchter Arm ergreift mit
Anſtrengung das Gewehr, um es auf den ſieg-
reichen Gegner loszudrücken. Dieſe hinterliſtige
Bewegung aber bemerkt einer der Krieger, die
den Feldherrn umiſtanden, und dieſer ſpringt
auf den Rebellen zu, ſchlägt deſſen Arm zurück
und gibt ihm den Todesſtreich. d Alubigné,
durchdrungen von Dankbarkeit und Bewunde-
rung, will den Retter ſeines Lebens Fennen
lernen. Er wirft ſich in ſeine Arme, dringt
in ihn! ſich zu nennen und zieht {fm, da er .
ſich weigert, mit Gewalt das Viſir vom Geſicht
vvoer Helm fällt, Welch Erſtaunen Fommt
dem feinigen gleich! Eine edle, himmliſche Ge-
ſtalt ftellt ſich feinen Blicken var; ein ſchönes
blondes Haar fließt wallend über die Schul-
tern des jungen Kriegets herab; blaue Augen
leuchten ihın entgegen, heroiſche Freude malt
ſich in ſeinen Zügen, fein Geſicht befeuchten
Thränen der Zärtlihfeit! — Sufanna, großer
Gott! rief ’Aubigne, al8 fein Erſtaunen end-
lich Worte fand! Sftes auch Wahrheit, iſts
kein Traum? —- MNein, mein Freund, antwoͤr—
tete ſie {hın, ihn an ifz Herz druͤckend! Deine '
Augen täufhen Dich nicht; e8 iſt Suſanna,
die in ihter Kindheit das Gluͤck hatte, Dich
der Verzweiflung zu entreißen und die jetzt wie-
der ſo gluͤcklich geweſen iſt! dem tödtlichen Streich
des Vertäthers zuvorzufommen, der Dich ihrer
Liebe rauben wollte. — Aber wie kann ich an
ein folches Wunder glauben? Sollteſt Du _
an meiner Zärtlichkeit zweifeln, an meinem
Schmerz, mich von Dir getrennt zu fehen? 9
glaube mir, mein Freund, das Herz eines Wei-
bes iſt noch größerer Opfer fähig! Aber hier
iſt nicht der Ort uns zu verſtändigen.! DE
ſollſt alles wiffen, wenn der Tumult der Ruhe
veichen wird.! Der Koͤnig hält ſeinen Cinzug
in die Stadt. Komm, laß mich das Schaus
ſpiel dieſes Triumphs genießen; würdige auch
mich zu ſeinen Füßen zu führen, damit er er-
fahre, daß dieſe Suſanna, die ihm die Ehre
verdankt, Oeine Gemahlin zu fein, ſeine Wohl-
thaten keinen Augenblick aus dem Gedächtniß
verlor, und daß ſte wenigſtens ſeines Schutzes
ſtets würdig fein wird (Schluß folgt.)

Vermifchtes.

Der engliſche Optiker, Profeſſor Wheat-
ſtone, hat eine neue, überaus vervollkommnete
Art von Dageurrotyp erfunden, welches die
Gegenſtände in ihrer vollen plaſtiſchen Erſchei-
nung darſtellt, ſo daß ſie dem Auge gleichſam
en relief erſcheinen und z. B, ein Porträt nicht
blos die Fläche des Geſichts, die facies oder
vielmehr die superficies , fondern den gaͤnzen
Kopf nach allen feinen, dem Beſchauer mög-
licherweiſe ſichtbaren Seiten zeigt! Das neue
Inſtrument des Herrn Wbeatftone, welches er
Stereofcop genannt hat, nimmt nämlich die
Gegenſtände gleichzeitig von zwei verſchiedenen
Gefichtawinketn auf, wodurch gewiffermaßen der
Proceß des menſchlichen Augenpaares, welches
die Gegenſtände ebenfalls von einem doppelten
Geſichtswinkel aus ſteht nachgeahmt wird Hier-
durch nun wird der abgebildete Körper nach


und Dicke wahrnehmbar. Der Dageurrothpiſt
Claudet hat mit dieſem Inſtrument Anſtchten
des Glaspalaſtes geliefert, die ganz überrafchend
ſind, indem man die ausgeſtellt geweſenen Ge-
genſtände hier beinahe ganz ebenſo vollſtaͤndig
vor ſich hat, wie früher in der Wirklichkeit.
Als Gegenſtück zu dieſem Stereoſeop beſchäf-
tigt ſich Profeſſor Wheatftone jetzt auch mit
der Herſtellung eines Yfeudofcop, um zu Zel= -
gen, welche falſche Eindrücke der menſchlichen
Seele durch die Sinne zugeführt werden Fönnen.

deter Liguiſt plötzlich zum Bewußiſein erwacht,

7 Berantwortlicher Revacteur: K, Mieckher.

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Druͤck und Verlag 8 8 5 arde
 
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