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tergrund ſchimmernde Oftfee yin laus drren
ſchaumgekrönten grünen Mellenzügen ein Stern-
bild nach dem andern hervortauchte während
der zolſchẽn Haff und Meer hingeſchüttete Sand-
ſtreifen der friſchen Nehrung einem lelcht über
Sag Waſſer hingegoſſenen Schneegebirg zU ver
gleichen war. Sein Herz war von Andacht
erfüllt für die Allmacht/ deren Haͤnd jene un-
zählbaren Lichtenwelten in den Scean der un-
endlichkeit audgefäet, und ‚fein Geiſt verſpürte
die Seligkeit höherer Srkenninip in ihter gan-
zen Fülle. 68 war ein ſchoͤner Herbſtabend.
Jeit und breit trübte kein Wölkhen ves Himz
mel8 Bläu und ruhig wandelte der Mond feine
hohe Bahn fort, aleichjanı vden blinkenden Ster-
nen al8, ſicherer Führer. Auf den Spiegel
des Haffs/ ıin deſſen Tiefe. ſich das Heer der
Sterne glanzend abſpiegelte, giitt Oln und wie-
- Derein Fifsherfahn mit fhimmernden Segeln
Yabin und vom , dem hohen Ufexgeſtade, , anf
weldem die Stadt liegt, Lachte in faſt durch-
ſichtigem, zitterzdem Glonze das üppigſte Ge⸗—
{ände aug der Ferne entgegen; wie friumphi-
rend ſchaute Ddaffelbe zu Der dürten Sanbdfteppe
druͤben dem Bild der kläslichſten Durftigkeit.
Uageſtört überließ Copernifus [ich feifen
aſtronomiſchen , Betrachtungen. Yelten= und
Sonnenſyſteme ſchwehten an feinem Auge vor-
über unDd mie ein, reicher Schacht, der den Flelß
des unverdroffenen Bergmanng ſich erſchließzt,
lag die Himejel8mwiffenfhaft mf ihren unenDd
fıen Ziefen nor Hm, ausgebreitet. Da floͤrte
ein letfes ©eräufh, an der Pforte des Gemaͤches
ihan in ſeinen Betrachtungen, und als er ſſich
evhoß und die Vforte Sffnete, trat ſchüchtern
eine Sungfrau, die Tochter des am Domberg
mohnenden Tifchlermeifters He il bronn herein,
Eurwuͤrdiger! ſprach das Mägdlein athem-
los,/ mit freudigem Laͤcheln die ihr freundlich
dargereichte Rechte des Greiſes an ihre Lippen
druͤckend/ eniſchuldigt e8, wenn ich Euch ſo ſpät
noch in Curer Wiſſenſchaft ſtöte; ich komme,
Sure ärziliche Huͤlfe und Menſchenfreundlich⸗—
keit in Anfpruch zu nehmen. Ein großes Un-
gluck iſt uns miderfahren : als meine Eltern
und: ich eben das Abendgebet verrichtet hatten
und wir ung zur Ruhe begeben wollten, drang
yon der Siraße herein ein ſchweres Aechzen an
unſer Ohr und als wir die Hausthüre offneten,
um nachzuſehen, lag an derſelben ein junger
Menſch, bleich wie ein Todier; kaum daß die
ieiſen Athemzüge noch Kunde gaben don feis
nem Leben. Und waͤhrend nun die Eltern ſich
bemühen, ibi ein warmes Lager zu bereiten,
eilte ich ſchuell den Berg herauf nach Eurer
Wohnüng Hochwuͤrdigſtet, und wurde Hierher
gewieſen alg ich nach Cuch fragte! Iſt Rath
und Hülfe noch möglidh, o fo ſteht uns bei
al8 unfer ‚guter Engel und laſſet dem Erkrank-
ten Curen vettenden, Betſtand angedeihen, —
Gern will i das, mein Töchterchen, erwiderte
der wuͤrdige Alte, indem er die Stufen hinab-
fchritt, die zu ſeinem Laboratorium fuͤhrten.
Ich werde einige zwechbienliche Kräutertränfe
Fervorfuchen, die Du ſchnell für den Kranken
heimtragen magſt. Morgen folg ich ſelber nach.
ÜUnd vdamit hatte er aug einem eichenen Wand-
ſchrauk ein, Flaͤfchchen mit heilfamen Tropfen
hervorgelangt und drückte Daffelbe Dent Mäd-
chen glückwuͤnſchend in die Hand, Mit Wor-
jen Ddes, Dankes verließ Elsbeth das kleine
Zimmer des Gelehrien! Dieſes Gemach war
unferm Copernikus beſonders Lieb, denn es ent-
hielt außer den hHemifh-phyfifalifchen Geräthen
auch verſchiedene Andenken, welche er von
Freunden erhalten hatte und die ihm die ſchoͤne


viefen. Sie Wände waren reich mit werthvol-
fen Bildern! behaugen, theils Porttäte von
Freunden, die fein Herz lieb gewonnen, theils
YAnfichten‘ von Staͤdlen und Landfchaften vver

gon Kunfaegenftänden, Ddie ihm unvergeßlich
geworden maren. Lächelnd ruhte jetzt fein Auge
auf einem großen Bild, welches Roms größ-
tes Gebäude, das ſo merkwürdige Eoliſeum
darſtellte, er felbſt hatke dieſe Zeichaung ent-
worfen al8 er im Jahr 1500 alg Lehrer der
Matheuiatik in der heiligen Stadt weilte, unD
gedaͤchte nun mir ſtiller Wehmutheſg mandhen
(ieben Freundes! den er dort zurückgelaffen,
Ihrer vlele waren ſchon ins Jenfeits hinüber-
gegangen, fo auch der berühmte Bramanfte
von Urbino, weldher den @rund zUr Pe-
tersfirche gelegt; fein Freund Michel Angelo
aber, der nur ein Jahr jünger war als er unD
mit dem er eine. innige Fugendfveundfhaft ge:
ſchloſſen, lebte damals noch zu Rom unDd haͤtte
in erft vor Kuͤrzem durch Kunde on ſeinem
Befinden erfreut. Seiner Unterweifung ver-
Danfte Copetnikus die Fertigkeit in der Male-
rei, mit der er ſich noch bisweilen zu ſeiner
Erheiterung beſchaftigte, wenn angeſtrengte wiſ-
ſenſchaftliche Arbeit ihm Stunden Dder Muße


verweilte er vor einem Fleinen Oelgemälde,
weldhes dine Villa von Padua, an den veizen-
den Ufern der Brenta gelegen, darſtellte Er
haͤtte in ihr einſt ein weibliches Wefen kennen
gelerut, von deſſen hohem Geiſt und tiefem Ge-
üuͤlh er unausſprechlich war entzuͤckt worden

Blanea, aus einem reichen Patriziergeſchlecht
entſproſſen, hatte dem Willen ihrer - ESltern, ge
horchend einem Mann von gleichem Reichthum
und ebenbürtigem Geſchlecht ihre Haͤnd reichen
müſſen; aber ihr Bild lebte noch in Juͤgend-
frifche And mit unverwelklichen Roſen bekränzt
im Herzen des deutſchen Freundes, obgleich deſ-
ſen edie Stirn bereits Silberlocken umkräuſel-
ten Keine andere Liebe hatte feitdem ſein Herz
berühtt, und mit heiligem Ernſt widmete er ſich
von da an nur feinem geiſtlichem Amt und
der Wiffenſchaft, als ſein Oheim ihn noch jung
zum Domherrn von Frauenbing berief. Dort
in Padua mar e8 auch, wo Copernikus die me:
dieiniſche Doctorwürde ſich erworben, Un
wenn er die Arzueikunde auch nur als Neben-
beſchäftigung tricb, ſo ſtand er doch wegen der
glücklichen Anwendung ſeiner Heilmittel in ei-
nem ſoͤlchen Ruf, daß nicht nur die ganze
Umgegend feine ärztliche Hülfe beanſpruchte,
foͤndern daß er in kritiſchen Fällen ſogar nach
Königsberg an den Hof des Markgrafen Al-
brecht beſchieden wurde-

Dieſe und andere Bilder, welche die Wände
feines Gemachs ſchinückten, waren dem Alten
die Blaͤtter eines StammbuHs: ſie führten ihn
hin unter Itallens milden Himmel, wenn der
nordiſche Winter mit feinem Gefolge von Schnee
und Froſt über Preußens Fluren daherzog und
des Haffes bewegliche Waſſerfläche mongtelang
mit einer ſtatren Eisrinde bedeckte, ſie leiteten
ihn durch duftige Orangenwälder des Südens
und zu dunkelgrünenden Myrthenlauben, wenn
draußen die entblätterten Eichen und Buchen
ein Hild des Todes waren. Stundenlang konnte
Copernikus vor dieſen Denkmälern ſeiner Ju-
gend weilen und ſein Herz an den mit ihnen
verknüpſten Rückerinnerungen erwärmen und
verjüngen.

Am folgenden Lag nach dem Frühgottes-
dienſt begab ſich Copetuikus in die Wohnung
des Tiſchlers Heilbronn, um f nach dem Be-
finden des Kranken zu erfundigen. Er fand
den rüſtigen Meiſter in feiner Werkſtatt mit Ar-
beit beſchäftigt und ging, ihmeinen freundlichen
Morgengruß bietend an derſelben vorüber zu
der Kammer; wohin die guten Leute ihren
Schützling gebeltet hHatten, Hier fand er Els-
erie ſchmucke Tochter, mit einer Näharbeit
beſchäftigt am Fenſter ſttzend. Dem willkom-
menen Herrn kuͤßte ſie ehrfurchtsvoll den Saum


Fremde aber lag in fortwährender Abſpannung
einem Ohnmaͤchtigen ähnlich da. Große Schweiß-
tropfen, welche die ſorgfame Elsbeth zum öftern
mit einem teinenen Tuch wegwiſchte entquollen
ſeinem Antlitz und tiefe ſchwere Athemzüge ats
zelleten ſich aus feiner Bruft, Dieſen Schweiß
eben hatte Copernifus durch ſeinen Heiltrank
hervorrufen wollenz er war ihm ein ficheres
Anzeichen der Genefung. Darum auch beruͤhigte
er Eisbelh mit den Worten, daß die Lebensge-
fahr bereits gehoben ſei, daß aber die Wieder-
herſtellung des Kranken wohl noch mehrere
Wochen in Anforuch nehmen werde Die alte
Mutter Heilbrönn, die bei der Ankunft des
würdigen Geiſtllchen in der Küche beſchäftigt
geweſen, hatte raſch die gewohnte Schürze mit
einer biendend weißen von ſelbſtgeſponnenem
Leinen vertauſcht und ſogar die Sonntagshaube
aufgeftülpt, um den hochgeehrten Gaſt in ehr-
furchtsvoller Weiſe zu empfangen, und fraf nun
raſch ins kleine Gemaͤch um zu hören, was für
den Kranken zu hoffen fei, Mud Copernikus,
ſeinen eben Fetnomnenen Ausſpruch wieder-
holend, fuhr alfo fort: Liebe Frau, L weiß,
daß die Pilege des Kranken Euch viel Sorge
und Ungelegenheiten macht! Gern will i Anz
ſtalten treffen, daß er ein anderes Unterkommen
ſinde, fobaͤld ſeine Fortſchaffung möalich wird.
— Nein, uein, hochwürdiger Herr! rief Da8 -
Mütterchen; hat doch der liebe Herrgott uns
ſichtlich dazu guserſehen, daß wir barmherzige
Samariter werden follten an dieſem jungen
Menſchen und Ihr werdet uns doch den Him-
melskohn nicht entziehen wollen? Meln, hoch-
würdigſter Herr, macht Euch um unfretwegen
keine Sorge! Ich und meine Elsbeth werden
uns des Armen annehmen, als wenn er uns
Sohn und Bruder wäre! Nicht alfo, meine
Tochter? — Gewiß; nichts will ich verabfäus
men, was der hochwürdige Herr zur Geneſuns
des Kraͤnken verordnen wird fügte Elsbeth in
herzlichem Ton hinzu. — Mun, fo0 ſchenke der
htumlifche Vater Eurem frommen Eifer ſeinen
Segen! rief der Domherr gerührt und kehrte
nach ſeiner Wohnung zurück.
(Fortfegung folgt)

Vermiſchtes.

K (Eine nordamerikaniſche An-
ſchauung von Deutfchland) Veter Var-
lehis „Geography for heginnerS” {{r ein Lehr-
buch der Geographie, welches in den Schulen
der nordamerikaniſchen Freiſtaaten gegenwaͤrtig
vielfach gebraucht wird! In diefer, 160 Sei-
ten umfaſſenden, mit zahlreichen Holzſchnitten
verſehenen Geographie wird Suropa auf 24
Seiten abgehandelt; auf drei Seiten wird
Deutſchland, Holland. und die Schweiz abgez
fertigt, wovon zwölf Zeilen auf Deutſchland
fommen ! Der Abſchnitt beginnt mit den Wor-
ten: „Deutſchland liegt nördlich von der Tür-
kei.“ Dann folgt eine Chatrakterfhikderung der
Deutſchen: Die Deutfchen ſind fehr erfindfam
in Manufakturen; ſte ſind große Mufiker, und
vielk von ihnen ſind gelernte Schüler! Das
Land iſt ſehr bevölkert und reich an glänzenden
Städten, In vielen Theilen deffelben tiefe dü-
ſiere Wälder, wo eine große Menge Vech ver-
fertigt witd“; darauf bezieht jih nun der ein-
zige zu Deutſchland gehörige Holzſchnitt, wel-
Hir vorſtellt, wie zwei ſeltſam gekleidete Per-
ſonen Pech fabriziren. Das iſt alſo das Haupt-
fächlichfte, was die nordamerikaniſchen Schüter
über unfer Vaterland erfahren, daß die Deut-
ſchen — viel Pech haben.

Verautwortlicher Redacteur: A. Kiechher.

- Drug und Verlag von G, Rethard,
 
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