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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1295
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Sonntag, den 7, März

Journal.

1852.

Deutſehland.

SHannover, 1. März. Heute Nachmit-
tag iſt der Zolls und Handelsvertrag mit
Oideuburg von den reſp. dazu Bevollmäch:
tigten unterzeichnet worden. — —

DBremen, 1. März. Die Auswanderung
über unſeren Platz beginnt in diefem Früh-
jahre mit einer bisher unerhörten Lebhaf.
Hafeit, Die Bahnzüge haben in den lehten
Tagen manchmal bis 600 Perſonen auf
einmal gebracht, und der Baͤhnhof bietet
zur Zeit der Ankünfte das Bild eines bun-
ten und bewegten Treibens. Für den heu-
tigen Exrpeditionstermin ſind über 3000
Auswanderer angenommen, und die Fraͤcht-
xreiſe find bedeutend in die Höhe gegangen,
Biele Exrpedienten, welche Auswanderer zu
26, 28 oder SO Thlr. angenommen haben,
verlieren erheblidhes Geld, da fie jeBt kein
Schiff unter 38 Thaler befommen Können,

Wien, 1. März. Der heute im Lon-
doner „Standard“ in Bezug auf Defterreich
erſchienene Artikel hat hier eine allgemeine
Entrüſtung hervorgerufen, und da man die-
ſes Journal für das Organ der Torypar-
tet hält, ſo fält natürlich dieſe Indiana-
tion auf dieſe Partei zurüd, — In wohl-
unterrichteten Kreiſen ſpricht man von dem
Eintrit des Grafen Thun in den Neichs-
rath. Wer ſein Nachfolger im Minifterium
ſein ſoll, wird nicht gejagt,
Italien.

Turin, 28. Februar. Heute wurde das
Parlament geſchloſſen. Galvagno kuͤndigte
die Aufhebung des bisherigen Ackerbaumi-
hiſtexſums und die Vertheilung der darin
Lariffenen Geſchaͤftszweige an die andern
Meiniſterien an. Hienach kommen: der Ader-
bau zum Innern, Handel und Gewerbe zu
den Finanzen, die Bergwerke zu den Öffent-
lichen Arbeiten, die techniſchen Schulen zum
öffentlichen Unterricht, Hierauf wurde die
Ernennung von Pernati zum Miniſter des
Innern und Galvagno zum Miniſter der
Juſtiz mitgetheilt. Die neue Sitzung wird
am 4, Maͤrz eröffnet werden.

Frankreich.

X VParis, 2, März. Es haben im Gan-
3eN von 330,000 Wählern des Seinede-
eartements ungefähr 215,000 geftimmt und-
ſich 115,000 der Abſtimmung qänzlich ent-
halten oder weiße Stimmzettel abgegeben.
Für die Regierungscandidaͤten haben ge-
dgen 130,000, für die republikaniſchen Can-
‘ bidaten 73,627, und die orleaniſtifchen 9374
Vähler geſtimmt. Bei den Parifer Wah-
En muß man außer der Erfhwerung der
Oppofitiongeandivaturen im Algemeinen
Nicht überfehen, daß mehrere der Oppofi.
Honscandidaten, wie Lamoriciere, Garnon,
Eugen Sue und Dupont de EEure ſich faft
Unmittelbar vor der Abſtimmung zurücge-
80gen haben. — Das Ergebnif: der Ab-
Rimmung von Paris und Umgebung am
— war: 197,091 Sa, 96,514
Lein, 96,839 Entbaltungen. — Die theil-
Weiie ſchon bekannten Abſtimmungsergeb-
Ille aus den Departemenis Tauten der Ne-
Blerung günſtig; wenigſtens finden wir in
der Patrie eine MReibe Übrigens noch nicht
Banz geſchloſſener Abſtimmüngen, wonach
le Regierungscandidaten eine bedeulende

ehrheit der abgegebenen Stimmen errun:
gen haben.

„Schon feit einigen Tagen iſt das Ge-
zicht verbreitet, eine Antwort ſei auf den
Proteſt der Teſtamentsvollſtrecker Ludwig


zöſiſchen Juriſten ausgearbeitet worden und
werde bald veröffenſiicht werden. Galig-


Theil dieſer Vertheidigungsſchrift, die 37
Quartſeiten umfaßt und in 2 Abſchnitte,
die rechtliche Ausführung und einen politi!
ſchen Theil zerfällt.

Straßburg, 3. Maͤrz. Im Bezirk Za-
bern wurde Herr Couleaux zum Abgeord-
neten gewäblt. Unſer niederrheiniſches De-
partement wird alſo in dem nächften gefeß:
gebenden Körper durch die HH. Alfred Ne-
nouard de Buſſieres, Hallez:Claparede, Cou-
leaux und Becquet, alle 4 mintſterieü, ver-
treten ſein. Im oberrheiniſchen Departe-
ment iſt außer Hrn. Lefebure aͤuch noch Hr.
Heſſo von Reinach gewählt worden.

Belgien.

Brüſſel,?. März. Ich habe Ihnen
heute eine Nachricht von großer Wichtigkeit


namlich die Ernennung eines Souschef
d’Etat maſor. Dieſe Function wird gewöhn-


Berwickelungen in den Angelegenheiten be-
fürchtet, mit Einem Worte, wenn die Ruhe
des Landes von außen bedrobt wird. Der
Herr Baron Chazal, ein Mann von unbe-
fireitbarer Faͤhigkeit und einer feltenen Ge-
gicklichleit in feinem militariſchen Fache,


voſten ernannt zu werden. Das f, Deceret
iſt ſchon unterzeichnet, und man erwartet
nur noch die Veröffentlichung im „Moni-

en X S Köln. 3:)
Türkei.


man, welcher die Frage wegen des heili-
gen Grabes 2c. in Jerufalein ordnet, be-
ſtimmt, 1) daß ſo wohl römiſch⸗katholiſche
als griechiſche Ehriſten die Bethlehem- und
Gethſemanekapelle inne haben follen; 2)
daß die römiſchzkatholiſchen Chriſten an fe-
gen Orten Kirchen und Seminarien unge-
ſtört erbauen und errichten und hierzu das
nöthige Terrain ankaufen können; 5) die
griechiſchen Chriſten haben die Erlauͤbniß,
einmal im Jahre auf dem Oelberge die
Meſſe zu leſen. W

Feuillet ou.

Ein deutſcher Edelmann.
(Gortſetzung)

Als Adalbert zwei volle Wochen nach ſeiner
Rückfehr eines Abends um die Dämmerungs-
zeit vor dem Hotel der Marquiſe vorüberfuhr,
bemerkte er, daß die Fenſter ihrer Zimmer hell
erleuchtet waren. Die Freude, die Geliebte
nach fo langer Trennung wiederzufehen, ließ
ihn im erſten Augenblick alles vergeffen, waͤs
ſeine Seele während ihrer Abwefenheit beſchäf-
tigt und bekümmert hatte, Raſch eilte er ins
Haus und flog die Stufen der breiten Treppe
Inan, welche zu ihren Gemächern führte, —
Sa, tauſendmai willkommen, liebſter Graf!
rief die Marquiſe, die eben auf den Vorſaal
heraustrat, ais jener oben anlangte eilte ihm
freudig entgegen und begrüßte {bn mit unge-
wöhnlicher Zärtlichkeit. Wie habe ich mich nach
Ihnen geſehnt! fuhr ſte fort, indeln ſie Adal-
berts Hand ergriff und ihn in ihr ſogenanntes
indiſches Cabinet!führte, welches mit den ſel-
enſten und koſtbaͤrſten Luxuoͤgegenſtänden des
Orients ausgeſtattet war. Golt fei Dank, daß

\

das unertraͤgliche Landleben nun ein Ende hat!
— I0 habe mich nicht minder nach SIhnen
gefehnt, erwiderte Adalbert; meine Sehnfucht ”
hat mich ſogar verleitet, Sie in Ia Villette auf-
zufuchen, Marquiſe — obwohl meine Hoff-
nung, Sie dort in Ihrer idylliſchen Ruhe zu
überraſchen ſchmerzlich getäufcht wurde, fügte
er mit vorwurfsvollem Ton Hinzu, indem feine
Blicke unwillkürlich durch das Prächtige Gemach
irrten, deſſen verfhwenderifhe Pracht fo grell
gegen die öde Villa und das elende Dorf ab-
ſtach. — Wie? Sie find in la Villette geweſen,
(teber Graf? fragte die Marquife in fichtlicher
Beſtürzung. — Ih wollte, ich haͤtte den Drt
nimmer gefehen! verfebte Adalbert feufzend. —
Ja, denken Sie nur, Graf, wie es mir ge-
gangen ift! rief jene mit miedergewonnener
Taſſung in ſcherzendem Ton! Als ich vor drei
Wochen kaum die Hälfte des Weges nach la
Villette zurücgelegt hatte, Fommt mir die Oräz
fin . VBernour in geſtrecktem ®alopp entge-
gengefahren und bittet mihH, fle nach Fontaine-
bleau zu begleiten, in deſſen Nähe ihr Bruder
ein ſchoͤnes Gut befttzt! Da ich einzis und allein
um der Gräfin willen die Reiſe unternommen
hatte und dieſelbe mir fagte, daß uns dort eine
Länzende Geſellſchaft erwarte und daß Tag für ,
Tag große Jagden und brillante Feſte ftattz
finden mürden, fo ließ ich mich bereden und
fuhr. mit ir nach Fontainebleau. Haͤtte ich
ahnen fünnen, daß ſte mich in Ia Billette aufs
fuchen mürden, lieber Graf, fo mürde ich Sie
gewiß von der Aenderung meines Pians benach-
richtigt haben. — Seit welcher Zeit find Sie
denn nicht auf Ihrem Gut geweſen, Marquiſe?


Die Marquiſe ſchaute ihm eine Welle for-
ſchend in das jugendliche ſchöne Antlitz, deffen
ernſter Ausdruck die Gedanken und Gefühle
vexrieth, welche ſeine Seele bewegten, und er-
wiederte nach einigem Beſtunen! Es mögen
etwa zwet Jahre fein, als ich zum Teßtenmal
in (a Villette war. — Zwei Sahre! wiederholte
Adalbert mit nachdenklicher Miene wie für fid;
in zwei Jahren kann allerdings maͤnches ander8
werden! Ich wünfchte, Sie waͤren nach Ia
Billette ſtatt nach Fontainebleau gefahten, Mar-
quife, fuhr-er mit lauterer Stimme fort; Stie
würden gewiß nicht fo froͤhlich hier in Diefem
Ptunkgemach fißen Fönnen! Und darauf er-
zählte er ihr alle8, was er in Ia Villette ge-
ſehen und gehoͤrt, und forderte ſte mit eindring-
lichen Worten auf, den unglücklichen Dorfbe-
wohnern die ſchleunigſte und kräftigſte Hülfe
angedeihen zu laffen. — Sie erzählen mir va
ja gaͤnz entfeßliche Dinge! rief vie Marquife
wie vom tiefften Schmerz und Mitleid er
griffen. Bei meiner letzten Anweſenheit war
das Dorf noch in dem blühendften Zuftand und
feine Bewohner äußerſt zufrieden und glüclich,
An der Verwilderung des Gaͤrtens und an ven
Verfall des Hauſes bin ich infofern ſchuld, als
ch beides einem Pächter überlaffen, ver ein
gewiſſenlaſer Menſch gewefen iſt und nur feinen
eigenen Vortheil im Auge gehabt hat —- allein, -
daß alles fo furchtbar veröbet fein würde, hätte
ich mir nimmer träumen laſſen! — Aber da-
mit Sie fehen, daß e8 mir mit meiner Hülfe-
Ernft , fo will ich noch diefen Abend meiz
nen alten Francois mit zwei Drittheilen mei:
nes baaren Geldporraths an die armen Leute
abfenden. Mit dieſen Worten eilte ſie zu ihrer
Schatulle, fhloß ſie auf und fuhr zu YAdalz
bert gewendet fort: Thun fie mir den Gefal-
fen, (ieber S©raf, und nedmen fie felbft das
Geld heraus, ich werde mwährend der Zeit einen
Brief an den Pfarrer ſchreiben und ihn bitten,
die Summe unter die Dürftigen zu veriheilen.

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