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gewiß hat irgend ein alter Freund des Ober-
ſten oder meines Vaters, der den tückiſchen
Charakter der Maͤrquiſe kennt und meine ver-
blendete Liebe zu ihr wahrgenommen, mich auf
jene geheimnißvolle Weiſe warnen wollen ſprach
er nachſinnend bei ſich ſelbſt! Ich werde nicht
eher ruhen, als bis ich weiß, wer ſo treulich
über die Ehre meines Namens gewacht! Hab’
ich dieſen liebreichen treuen Hüter entdeckt und
ihm gedankt, dann wend! ich all der trügeriſchen
und verbrecheriſchen Pracht den Rücken, und
böte man mir gleich das halbe Reich als Lohn
meines Bleibens. Ehren und Ehrenſtellen durch
Schmach und Schande und Verbrechen zu er-
kaufen, will ich andern überlaſſen! Mir iſt als
umwehte mich hier ein tödtlicher Gifthauch, al8
dürft? ich nicht eher aufathmen, als bis die
treuen deutſchen Laute wieder an mein Ohr
ſchlagen, die Wälder der Heimath mir entgegen:
rauſchten und mein Schloß hoch über den fon-
nigen Höhen der Vogeſen mir im Abendſchein
entgegenglaͤnzt! Ja, friſch auf nach dem Elſaß!
rief er freudig begeiſtert aus; dort wird mein
Herz geſunden! — Glück zu! ſprach da eine
kräftige Stimme, und mit ausgebreiteten Ar-
men trat der alte Oberſt zur geöffneten Thür
herein. Heute Fomm’ ich froͤhlicher als vor ei-
nem Jahr! rief er, den vor Ueberraſchung und
Freude ganz verwirrten Adalbert an ſeine Bruſt
drückend; und wenn ich recht gehört habe, ſo
brauch' ich den Heimweg nach dem Elſaß nicht
allein zu machen! Iſt es denn wirklich kein
Traum, daß ich Sie in meinen Armen halte,
theuerſter Oberſt! jubelte Adalbert. Aber was
ſeh! ih! Sie ſind nicht in Reiſekleidern?! fuhr
er verwundert fort. Wären Sie vielleicht ... ..
— Schon länger hier? willſt Du fagen, er-
gänzte der alte Krieger lachend Adalberts Rede.
Allerdings bin ich das, und zwar ſchon ſeit
vier Wochen. — So ſind Sie alſo der un-
bekannte Freund, der mich auf eine ſo räthfel-
hafte Weiſe gewarnt hat? fragte Adalbert. —
Ich habe wenigſtens einen bedeutenden Antheit
an den Warnungen, welche Dir zugekommen
find, verſetzte der Oberſt. Es freut mich aber
aus Herzensgrund, daß Du ſelbſt die Mar-
quiſe entlarot haſt und daß meine Warnungen
nur dazu gedient haben, Deinen Verdacht gegen
dieſelbe zu erhöhen und zu beſtaͤtigen! Ich bin
vieileicht graufam gegen Dich gewefen; ich
hätte Dir maͤnche herbe Täuſchung ſparen kön-
nen, wenn iich Dir die ſchändlichen Pläne,
die man gegen Dich geſchmledet hatte, und
die mir ſchon laͤnge bekannt geweſen ſind,
geradezu entdeckt hHätte: aber nach dem Willen
Deines Vaͤters follteſt Du durch eigene Er-
fahrung das Treiben der franzöſtfchen Hofwelt
in ſeiner gaͤnzen Nichtswürdlgkeit und Erbärm-
lichkeit kennen lernen, damit Du dereinſt
freudiger zu der kleinen frledlichen Welt der
Heimath zuͤrückkehrteſt. — Eh' ich Dir jedoch
jene ntederträchtigen Ränke darlege, fuhr der
Oberſt nach einer Paufe fort, muß ich Dir
eine klelne Erläuterung zu meinem letzten Brief
geben, den ich beiläuftg gefagt, vorgeſtern hier
in Deinem eigenen Zimmer geſchrieben habe,
als Du Olch In einer Solree bet dem Grafen
v. Epernon befandeſt, damit Du nicht einen gar
zu ſchlechten Begriff von meiner Verwaltun-
Deiner Güter befommijt. Vor einem Biertel»
jahr ift allerdings ein betrügeriſcher Aufſeher
von Geroldseck mit den Papieren und Gel-
dern entwichen, die er in Händen hatte; Da
ihm aber ſeines zweideutigen Charakters wegen
außerſt wenig andertraut worden war, ſo konnte
er aug nur mit äußerſt wenigem davonlaufen.
Du wirſt lächeln, wenn ich Dir die verun-
treute Summe ſpäter in den Rechnungsbüchern
zeige. Daß ich dieſen Verluſt onſcheinend ſehr
groß darſtellte that ich aus guten Gründen,
obwohl ich denfelben eigentlich durchaus un-

heſtimmt ließ. — O, jeßt begreife ich Sie,
Oberſt! rief Adalbert. Sie wollten mich in


ſich die habſüchtige Marquiſe von mir abwende!
Ihr Brief hat ſeinen Zweck erreicht. Ich fandte
ihn der Marquiſe! fehen Sie hier die Wir-
kung deſſelben. ;

Mit dieſen Worten überreichte Adalbert dem
Obriſten das Billet, melches. er ſoeben aus
Verfailles erhalten hatte. — Den armen Land-
edelmann kann die Marquife natürlicherweiſe
nicht brauchen! erwiederte der Oberſt, nach-
dem er die Antwort der letztern geleſen, mit
höhniſchem Ton. Sie liebte einzig und allein
Deinen Reichthum; wenn ſie hört, daß ſich
verſelbe nur um einige Franken vermindert
hat, wird ſte dies Geſchreibſel hier vielleicht
noch bereuen und ſich ärgern, daß ſie ihre
Maske ſo vorſchnell abgeworfen hat. Der
ganze Bericht über das Treiben der Marquiſe
und ihrer Helfershelfer ließe ſich zwar in die
ſechs Worte zuſammenfaſſen: „alles iſt Lug
und Trug gewefen“ ; damit Du aber die Werks
ſtätten franzöſtſcher Hofkabalen genauer kennen
lernſt, will ich Dir in der Kürze auseinander-
ſetzen auf welche Weiſe man Dich um Ehre
und Vermögen zu bringen gedachte. Vor allein
muß ich Dir ſagen, daß der Graf v. Armen-
tieres Dich nur deßhalb ſo freundſchaftlich auf-
genommen hat, weil er ſich an Deinem Vater
rächen wollte, auf den er einen tödtlichen Haß
geworfen, weil derſelbe in ſeinen Bewerbungen
um Deine Mutter glücklicher geweſen war als
er und ihm außerdem bei Hofe in manchen
Dingen den Vorrang abgelaufen hatte! Als
Du in einem Deiner erſten Briefe die große
Freundſchaft des Grafen für Dich in begeiſter-
ten Ausdrücken prieſeſt, ſchüttelte Dein Vater
den Kopf und fagte: das iſt nichts als die
raffinirteſte Verſtellung von meinem alten Feind;
wir müſſen auf Mittel finnen, Adalbert vor
ſeiner Rache zu ſichern! Dieſe Worte Deines
Vaters veranlaͤßten mich denn auch vor einem
Jahr felbſt hierher zu reifen, um heimlich zu
erforſchen, was der Graf v. Armentieres gegen
Dich im Schild führe. Das Glück begünſtigte
mich wider Erwarten.

(Fortſetzung folgt.)

Vermiſchtes.
*(Dampfſchifffahrt von Cairo den.


welches die Reiſe Nilaufwärts nach Oberägyy-
ten maͤchte, derließ Cairo am Ehriſtabend 1851.
Die Geſeliſchaft beſtand mit Ausnahme Brof.
Griefingers und ſeiner Frau aus lauter Eng-
laͤndern und Amerikanern— Eine Beſchreibung
der Alterthümer, welche auf dieſer Fahrt beſucht
werden, ſoll nach einem Briefe unſeres Lands-
mannes nur ein blaſſes Bilo geben. Oer Ein-
druck der Königsgräber in Zheben, der groß-
artigen Baläfte, der Memnonsſäule, der An-
blick der üppigen grünen Ebene mit dem Hin-
tergrunde der Fahlen Berge, welche die Land-
ſchaft von Theben bilden, ſei ſo fremdartig, daß
man nur durch Staunen und Sehen einen Be-
griff davon bekommen könne. Der Aufenthalt
in Theben dauerte vier Tage, zwei im Hinauf-
weg für das linke und zwei im Rückweg für
das rechte NMilufer. Den Glanzpunkt der Reiſe
jedoch bildete die letzte Station, Aſſuan, mit
ſeiner Umgebung und der Inſel Philä. Bis
Aſſuan können die Dampfboote fahren; von
da wird durch die Wüſte an den Katarakten
yorbeigeritten, die Inſel Philä mit ihren Merk-
würdiakeiten, woruͤnter namentlich der Tempel
der Ifis, beſucht und dann auf einem großen
Voote die Kaͤtarakten heruntergefahren. Unter
den letzteren darf man ſich natürlich nicht eine
Reihe don Waſſerfällen vorftellen ; es ſind ſchräge,

ſehr reißende Strömungen zwiſchen ſchwarzen


Felsmaſſen, die ſich mit vielen Wirbeln eine
Strecke weit hinziehen! Das Boot hatte 15
Ruderer, die ungeheuer arbeiteten und nach
Landesſitte eben ſo ſtark dazu ſchrieen. Da
dieſe Leute jeden Stein im Waſſer kennen, ſo
iſt keine Gefahr dabei! Die Bewohner jener
Gegend unterſcheiden ſich von den Niederäghp-
tern durch ihre dunkle Hautfarbe und haͤlb-
wilde Lebensart. Das jüngere Volk geht nackt
mit Schürzchen aus Lederriemen.! Bet dem
ungewohnten Anblick des großen Schiffes gab
ſich die Freude und Verwunderung der Ufer-
bewohner durch poſſierliche Sprünge und Tänze
kund. Der Nil wird dort ziemlich ſchmat, die
Begetatlon eine andere! Zu der Dattelpalme
geſellt ſich die Domgalme mit ihrem üppigen
Wachsthume und rieſigen Fächern. Oberhalb
Philä verſchwindet das Grün der Ufer; die
Wüſte reicht von beiden Selten bis an den
Fluß, und nur ein ſchmaler Saum von Vege-
tation bleibt dicht am Waffer, So foll in
einförmiger Weiſe der Charakter von ganz Un:
ternubien ſein. Der Ausflug bis zurück nach
Cairo dauerte 20 Tage und koſtet Alles inbe-
So iſt, was
früher lange Zeit und großen Apparat koſtete,
einfach und leicht gemacht, und dte regelmäßige
Fahrt dieſer Dampfboote, welche auf vortteff-
liche Weiſe in engliſcher Manier eingerichtet
ſind, wird auſ's Neue den Strom der Reifen-
den nach jenem Wunderlande fuͤhren.

Die Mutter am Grabe ihres Kindes.

Wenn die Abendglocken hallen
Und das ſtille Thal entlang

Viele fromme Beter wallen,
Stillend ihres Herzens Drang,

Wanlt mit kummervollen Zügen
Eine Mutter nach dem Haine,
Wo Cybreſſenzweige wiegen,
Geiſtern gletch im Mondenſcheine.

Dort Intet ſie an einem Grabe,
Reich mit Immergrün geſchmückt;

Blumen bringt ſie mit als Gaͤbe,
Die ſie in die Erde drückt.

Thränen netzen rings die Blüthen
Und das Auge kummervoll

Sucht vergebens ſüßen Frieden,
Der die Bruſt erleichtern ſoll.

„Du mein Alles/ meine Freude,
Theures Kind in kühler Gruft,
Jetzt im Engels-Flügelkleide
In des Himmels reiner Luft,

„Sieh’ der Mutter ſtilles Grämen,
Sieh’ das Auge thränenfeucht, —
Nur ein Wort, o liebe Kleine,
Und das Herz wird wieder leicht!

„Sprich noch Ein Mal, kindlicheheiter:
»Gute Mutter, ltebſt du mich? «
Ruhig wandle Ich dann wetter,
Betend, gutes Kind, für di!

„— Und Du, Vater, über'n Sternen,
Segne Du mein theures Kind!
Schirme es in jenen Fernen,
Wo es ewig frühlings lind!

„Sende Du in Trauer-geiten
Süßen, milden Himmelsfrteden,

Troſt in kummervollen Leiden
Einer armen Lebensmüden!“ —

Und ſo kehrt fie immer wieder
Bet der Abendglocke Klang,

Bis dereinſt die Heil%gen Klänge
Riefen ſie zum letzten ©ang,

Wo der Sonne letzte Strahlen
Sandten milden Himmelsfrieden
Auf des Kindes Grabeshügel
Und die Gruft der Lebensmüden.

Hermann Ichulze

Verantwortlicher Nedaeteur: G.. Reichard.

Druck und Verlag von G. Retchard.
 
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