Schlnßſtein des neugegründeten Regierungs-
Gebäudes erwartet und auch bis daͤhin aͤlle
Nachtheile empfindet, die mit der Erwartung
jeder, ſelbſt der unbedeutendſten, Veraͤnde-
rung in den politiſchen Zuſtänden eines Lan-
des immer verbunden ſind, iſt leine Frage
mehr. Was ſollte alſo den Präſidenten der
Republik abhaͤlten, einen Entſchluß zu faſ-
jen, der gewiß auch ſeinen eigenen lang-
jährigen Hoffnungen nicht widerſirebt, wenn
6$ nicht eben die wichtige Rückſicht auf die
Exhaltung des allgemeinen Friedens wäre?
Ein anderer Grund iſt ſchlechterdings un-
denkbar. Dürfte man aber hieraͤus nicht
auch den Schluß ziehen, daß die franzoͤſiſche
Regierung wirklich keinẽ vorbedachten Kriegs:
gbſichten hegt, da es doch vielleicht nur der
Austufung des Kaiſerthums bedurft hätte,
um den günſtigſten aller Kriege, einen Ver-
theidigungsfrieg der National? Selbſtſtändig-
keit, herbeizuführen,
Paris, 22, April. Der verſtorbene Mar-
ſchall Gerard bat letztwillig verfügt, man
moͤge ihn ohne das uͤbliche Gepränge ſei-
nes Grades ganz einfach beſtatten und die
hierdurch erſparten Koſten nach feiner eige-
nen beſondern Anordnung zu milden Zwe-
cken verwenden.
Feuillet vn. -
Erlebniſſe
eines ſchlichten Handwerksmannes.
C(Schluß.) ;
Als das Gebet zu Ende war, klopfte ich
leiſe. Weine Mutter erſchrak. Ruhig trat
mein Vater ans Fenſter, oͤffnete und fraate :
Was ich wolle?
Ich bin ein Fremder hier, ſagte ich, und habe
einen Brief an Meiſter Zeppel.
Der hin ich, ſagte metn Vater und reichte
die Hand heraus, den Brief zu empfangen,
Woͤher iſt denn der Brief? fragte er.
Aus London, entgegnete ich, dort traf ich
Ihren Sohn. — Was? ſchrie mein Vater, und
erariff das Licht und rannte gegen die Thüre.
Schnell wurde geöffnet und ich hereingezogen
und begrüßt.
Alſo er kommt aus Indien, Herr? Mein
Gott, rief er aus, wie danke ich Oir! Und
die hellen Thränen rannen über das durchfurchte
Geſicht. Da war's aus mit meinem Halten,
rein aus.
Er iſt ſchon dal rief ich, mein Vater, meine
Mutter, kennet Ihr mich denn nicht?
Da ſtanden ſie ſtarr vor mir, fahen mich
an, wie Bildſäulen und wußten nicht, wie
ihnen geſchah.
Als ich ſie aber an mich preßte, als ſie des
Sohnes Herz ſchlagen fühlten, da kam die Selig-
keit auch in ihr Herz Solche Seenen ſind
nicht zu beſchreiben.
Ich ließ nun den Wagen kommen und zog
ein in das theure Vaterhaus, das ich ſo lange
- gemieden hatte. : ; 3 f
Aber die Nacht war an Fein Schlafen zu
denken. Wir ſaßen und plauderten und {h
wurde nicht müde zu fragen.
UAh, ma8 wird Hann Hen ſagen! ſagte oft
die Mutter, die ſich nicht ſättigen Fonnte am
Anblicke ihres lieben Sohnes. Wie reich iſt
ſo ein Mutterherz in ſeiner Liebe! Wie reich
war jetzt ſein Lohn, daß es den Sohn wieder
beſaß, den es ſo lange vermißt, der ſo weit
jenſeits des Weltmeeres gewefen, und aus allen
Gefahren gerettet, jetzt wieder heimgekehrt war.
Sie mußte mir nun viel erzählen von
Hanndhen.
Die Familie war eben recht ungläcklich ge-
worden, als der Vater geſtorben war; denn e8
fehlte am Nöthigſten, da gar kein Vermögen
da war. Die Mutter ſtarb Hin und das Elend
wuchs. Jetzt nahmen ſich wohlwollende Ber-
®
Seide ſpann.
Wie oft hatte ſie nach mir gefragt, mit der
3e8, der mütterlichen Sorgen, aber wie war
empfing! Den Shawl hatte ſie nicht tragen dürz
fen, well die Tante keinen gleichen befaß! So
plauderten wir und war ſchon Mitternacht längſt
vorüber Ich fühlte zwar keine Ermüdung,
wohl aber die alten Eltern; deßwegen ging ich
endlich zu Bette! Die Mutter hatle ein Stüb-
chen im zweiten Stockwerke für mich hergerich-
tet.
mand bis jetzt geſchlafen. Da war Agles neu,
nett, faußer, fogar luxurios; denn da ftanden
Heidelberger Rohrſtühle eine Commode, und ein
Spiegel, wie gewiß Faum ein zweiter {n Zie-
gelhauſen war.
Ich ſchlief nicht. Meine Zukunft lag in
mannichfachen Träumereien vor mir, bald ſo,
hald ſo geſtaltet. Ich entwarf einen Plan, um
ihn durch einen andern wieder zu verdrängen.
Endlich ſtand es in mir feſt, daß ich morgen an
Hannchen ſchreiben, ihr fagen mollte, ich
ſel e8 ſelbſt geweſen, der ihr im Gaͤtten von
Schwetzingen begegnet, und ihr Hand und Herz
antragen. Dieſen Brief ſollte die Mutter ſelbſt
nach Heidelberg tragen.
Die erſten Strahlen der Frühfonne fanden
mich ſchreibend, und ſchen um acht Uhr fuhr
die Mutter in dem Miethwagen, der übernachtet
hatte in Ziegelhauſen, nach Heidelberg.
Mit einer Unxuhe kaͤmpfend, die mich faſt
umbrachte, beſuchte ich einen alten Bekannten
in Ziegelhauſen Jetzt mar ich der Herr Zeppel
und wurde mit Ehrfurcht behandelt. Höchft
ergößlid war mir die große Verlegenheit des
alten Schulmeiſters, der ſich wohl jetzt erinnerte,
wie oft er mich doch gänzlich ſchuldlos durchs
gezeppelt hatte mit dem Farrenfhwanz, aber
wie ging ihm das Herz auf, als ich uneingedenk
jener Liebkoſungen ihm einen ſtattlichen Weer-
ſchaumkopf mit Silber beſchlagen, verehrte,
wie ihn faum ein Kirchenrath in Heidelberg
rauchen mochte. Jetzt pries er meine eminen-
ten Talente und erklärte, er habe es immer
geweiſſagt, daß aus dem Hännschen noͤch ein
rechter Hanns werden würde, und das ſei denn,
wie er ſehe, auch wahr geworden!
Meine Gedanken waren in Heidelberg! Als
wir wieder nach Hauſe kamen, ging ich allein
gen Heidelberg hHinab, der Mutter entgegen.
Endlich kam der Wagen. Die Mutter hielt
hoch einen Brief in die Hoͤhe als fie mich fah.
Mir pochte das Herz, als wollte es heraus-
brechen aus der engen Bruſt.
Ich riß das Siegel ab. Hannchen ſchrieb
zart und fein. Sie geſtand, daß ſie mir gut
fei und wohl meine Gattin werden wolle, wenn
ſie erſt die Ueberzeuguns habe, daß ſie mich
glücklich machen könnte. Ich aber kenne ſſit
nicht. Sie müſſe alſo zuerſt wünſchen, daͤß
ich ſte genauer kennen lerne u, f. w. Der
Brief war ſehr gut gehalten, und ſein Inhalt
beſonnen und würdig.
Jetzt war mein Plan gemacht. Ich ging
nach Heidelberg, um ein Haus zu miethen, wo
ich mit meinen Eltern und Hannchen wohnen
wollte, dann ging ich zu ihr.
Dieſesmal aͤnſtändig gekleidet, wie man ſich
in London trug
Wie ſtaunte mich ihre Tante an, die in mir
einen gewöhnlichen Handwerkoburſchen erwartet
hatte.
Hannchen ticat glühend herein. Als ich
ihre Hand faßte, fühlie ich ſte zittern; aber
als ich ſo harmlos von unſrer Fugend ſchwatzte,
ding ihr das Herz auf. Ihr Auge glänzte in
einem ſchönen Feuer und ihr gaͤnzes Wefen
ſrach die innigſte Zuneigung aus. Wie war
rungen der vielfach beſtandenen Gefahren!
Kurz, nach zweien Tagen hauchte ſie ein
das mich zum Gluͤcklichſten auf
Ich zog nun mit meinen Eltern nach Hei-
lius nicht kleinem Aerger. Nach einigen ver-
geblichen Verſuchen, einen reicheren B* ſtatt des
ärmeren Anbeters heranzuziehen, gab ſte alle
Hoffnung auf. — So viel ich konnte, beſchleu-
nigte ich unſre Vermählung, auch darum,
Hannſchen dem drückenden Verhaͤltniß zu ent-
heben, in welchem ſte lebte.
Da aber, al8 ſie mein Weib war, that ſich
der Himmel für mich auf. Erſt jetzt lernte ich
es verſtehen, was leben hieß.
Zwei Jahre floſſen in ungeſtörtem Gluͤcke
hin, da beſchenkte mich Hannchen mit einem
allerliebſten Zeppelchen und al8 wir e8
tauften und im frohen Kreiſe ſaßen, ging die
Thüre auf — und — Koͤhler und Lucy
traten herein.
Auch ſie ließen ſich bei uns niever und die
glücklichen Tage dauern immer fort! Möge ſte
Gott uns noch lange ſchenken!
Liebe in alter deit.
1
Um die achte Abendſtunde machte Frau Mar-
garethe die Thür der kleinen Stube auf, in
welcher {br Mann arbeitete, uud erſtaunt blieb
ſie an der Schwelle ftehen. — Der fleißige Kan-
zelliſt, der ſonſt nicht aufhören Fonnte, feine
Buchſtaben zu malen, und die zierliche Fraͤckur
ſchrift mit beſonderer Kunſtfertigkeit zu bilden
verſtand, faß diesmal nicht an dem alten ges
ſchnörkelten Schreibpult, auch brannte das Licht
mit einer langen Schnuppe melancholiſch in ſich
der durch die grünen, hellen Scheiben auf die
Dielen ſtel! — Im erſten Augenblicke fah ſte
den Mann gar nicht, und als fie ihn erblickte,
wagte ſie nicht ihn anzureden. Auf dem Bin-
ſenſtuhle ſaß er, dicht am Fenfter, die Hände
auf das Brett gelegt, halb gefaltet, halb an
ſein Kinn gedrückt, und fo ſtarrte er den Him-
mel an, al8 ſei da oben irgend Etwas und
rede mit ihm, denn ſeine Lippen bewegten ſich
beutlich, ohne daß Worte zu hören waren. —
Nach einigen Minuten trat die Frau leife
näher und legte die Hand auf feine Schulter,
Kopf ſchnell in die Höhe und ſſchien freudig
überraſcht, als er ſte ſah. — „Du biſt es,
Margarethe“, ſagte er, „o! ſchon gut, ich
komme. Wo iſt Eliſabeth?“ *
Sie hat das Abendbrod fertig,“ verſetzte
die Frau.
Und der Lieutenant?“ fragte der Kanzellift
raſch. „Iſt der Lieutenant auch da?“
„Nein“ ſagte Frau Margarethe mit ſicht⸗—
lichem Widerwillen.
nicht kommen.“
Die hohe hagere Geſtalt des Mannes richtete
ſich auf und ein Lächeln ſchlich über fein Ge-
ſicht. — „Sut,“ ſagte er, „fo laß uns eſſen,
was Gott beſcheert hat.“ — Er that einen
Schritt und nun konnte man ſehen, daß er ei-
nen Stelzfuß Huttez auch würde jeder errathen
haben, daß ein alter Soldat in dieſem langen,
geraden Körper ſtecke, der von den Jahren un-
gebeugt war. — Mit beiden Armen umfaßte
er ſeine Frau, nnd ſagte in einem Tone, der
zwiſchen Scherz und einer Art Mißtrauen
ſchwankte: „Warum ſiehſt Du mich ſo böſe an,
Margarethe? Mein 44 iſt abgethan; alle
Morgen haben meine armen alten Finger
Ruhe vor dem Gänfekiele, der mir jetzt f
ſchwerer wird, als ehemals mein Kurzgewehr.
Fortſetzung folgt.)
Druck und Verlag von G. Reichard.
— 6. Keidhard. —
Gebäudes erwartet und auch bis daͤhin aͤlle
Nachtheile empfindet, die mit der Erwartung
jeder, ſelbſt der unbedeutendſten, Veraͤnde-
rung in den politiſchen Zuſtänden eines Lan-
des immer verbunden ſind, iſt leine Frage
mehr. Was ſollte alſo den Präſidenten der
Republik abhaͤlten, einen Entſchluß zu faſ-
jen, der gewiß auch ſeinen eigenen lang-
jährigen Hoffnungen nicht widerſirebt, wenn
6$ nicht eben die wichtige Rückſicht auf die
Exhaltung des allgemeinen Friedens wäre?
Ein anderer Grund iſt ſchlechterdings un-
denkbar. Dürfte man aber hieraͤus nicht
auch den Schluß ziehen, daß die franzoͤſiſche
Regierung wirklich keinẽ vorbedachten Kriegs:
gbſichten hegt, da es doch vielleicht nur der
Austufung des Kaiſerthums bedurft hätte,
um den günſtigſten aller Kriege, einen Ver-
theidigungsfrieg der National? Selbſtſtändig-
keit, herbeizuführen,
Paris, 22, April. Der verſtorbene Mar-
ſchall Gerard bat letztwillig verfügt, man
moͤge ihn ohne das uͤbliche Gepränge ſei-
nes Grades ganz einfach beſtatten und die
hierdurch erſparten Koſten nach feiner eige-
nen beſondern Anordnung zu milden Zwe-
cken verwenden.
Feuillet vn. -
Erlebniſſe
eines ſchlichten Handwerksmannes.
C(Schluß.) ;
Als das Gebet zu Ende war, klopfte ich
leiſe. Weine Mutter erſchrak. Ruhig trat
mein Vater ans Fenſter, oͤffnete und fraate :
Was ich wolle?
Ich bin ein Fremder hier, ſagte ich, und habe
einen Brief an Meiſter Zeppel.
Der hin ich, ſagte metn Vater und reichte
die Hand heraus, den Brief zu empfangen,
Woͤher iſt denn der Brief? fragte er.
Aus London, entgegnete ich, dort traf ich
Ihren Sohn. — Was? ſchrie mein Vater, und
erariff das Licht und rannte gegen die Thüre.
Schnell wurde geöffnet und ich hereingezogen
und begrüßt.
Alſo er kommt aus Indien, Herr? Mein
Gott, rief er aus, wie danke ich Oir! Und
die hellen Thränen rannen über das durchfurchte
Geſicht. Da war's aus mit meinem Halten,
rein aus.
Er iſt ſchon dal rief ich, mein Vater, meine
Mutter, kennet Ihr mich denn nicht?
Da ſtanden ſie ſtarr vor mir, fahen mich
an, wie Bildſäulen und wußten nicht, wie
ihnen geſchah.
Als ich ſie aber an mich preßte, als ſie des
Sohnes Herz ſchlagen fühlten, da kam die Selig-
keit auch in ihr Herz Solche Seenen ſind
nicht zu beſchreiben.
Ich ließ nun den Wagen kommen und zog
ein in das theure Vaterhaus, das ich ſo lange
- gemieden hatte. : ; 3 f
Aber die Nacht war an Fein Schlafen zu
denken. Wir ſaßen und plauderten und {h
wurde nicht müde zu fragen.
UAh, ma8 wird Hann Hen ſagen! ſagte oft
die Mutter, die ſich nicht ſättigen Fonnte am
Anblicke ihres lieben Sohnes. Wie reich iſt
ſo ein Mutterherz in ſeiner Liebe! Wie reich
war jetzt ſein Lohn, daß es den Sohn wieder
beſaß, den es ſo lange vermißt, der ſo weit
jenſeits des Weltmeeres gewefen, und aus allen
Gefahren gerettet, jetzt wieder heimgekehrt war.
Sie mußte mir nun viel erzählen von
Hanndhen.
Die Familie war eben recht ungläcklich ge-
worden, als der Vater geſtorben war; denn e8
fehlte am Nöthigſten, da gar kein Vermögen
da war. Die Mutter ſtarb Hin und das Elend
wuchs. Jetzt nahmen ſich wohlwollende Ber-
®
Seide ſpann.
Wie oft hatte ſie nach mir gefragt, mit der
3e8, der mütterlichen Sorgen, aber wie war
empfing! Den Shawl hatte ſie nicht tragen dürz
fen, well die Tante keinen gleichen befaß! So
plauderten wir und war ſchon Mitternacht längſt
vorüber Ich fühlte zwar keine Ermüdung,
wohl aber die alten Eltern; deßwegen ging ich
endlich zu Bette! Die Mutter hatle ein Stüb-
chen im zweiten Stockwerke für mich hergerich-
tet.
mand bis jetzt geſchlafen. Da war Agles neu,
nett, faußer, fogar luxurios; denn da ftanden
Heidelberger Rohrſtühle eine Commode, und ein
Spiegel, wie gewiß Faum ein zweiter {n Zie-
gelhauſen war.
Ich ſchlief nicht. Meine Zukunft lag in
mannichfachen Träumereien vor mir, bald ſo,
hald ſo geſtaltet. Ich entwarf einen Plan, um
ihn durch einen andern wieder zu verdrängen.
Endlich ſtand es in mir feſt, daß ich morgen an
Hannchen ſchreiben, ihr fagen mollte, ich
ſel e8 ſelbſt geweſen, der ihr im Gaͤtten von
Schwetzingen begegnet, und ihr Hand und Herz
antragen. Dieſen Brief ſollte die Mutter ſelbſt
nach Heidelberg tragen.
Die erſten Strahlen der Frühfonne fanden
mich ſchreibend, und ſchen um acht Uhr fuhr
die Mutter in dem Miethwagen, der übernachtet
hatte in Ziegelhauſen, nach Heidelberg.
Mit einer Unxuhe kaͤmpfend, die mich faſt
umbrachte, beſuchte ich einen alten Bekannten
in Ziegelhauſen Jetzt mar ich der Herr Zeppel
und wurde mit Ehrfurcht behandelt. Höchft
ergößlid war mir die große Verlegenheit des
alten Schulmeiſters, der ſich wohl jetzt erinnerte,
wie oft er mich doch gänzlich ſchuldlos durchs
gezeppelt hatte mit dem Farrenfhwanz, aber
wie ging ihm das Herz auf, als ich uneingedenk
jener Liebkoſungen ihm einen ſtattlichen Weer-
ſchaumkopf mit Silber beſchlagen, verehrte,
wie ihn faum ein Kirchenrath in Heidelberg
rauchen mochte. Jetzt pries er meine eminen-
ten Talente und erklärte, er habe es immer
geweiſſagt, daß aus dem Hännschen noͤch ein
rechter Hanns werden würde, und das ſei denn,
wie er ſehe, auch wahr geworden!
Meine Gedanken waren in Heidelberg! Als
wir wieder nach Hauſe kamen, ging ich allein
gen Heidelberg hHinab, der Mutter entgegen.
Endlich kam der Wagen. Die Mutter hielt
hoch einen Brief in die Hoͤhe als fie mich fah.
Mir pochte das Herz, als wollte es heraus-
brechen aus der engen Bruſt.
Ich riß das Siegel ab. Hannchen ſchrieb
zart und fein. Sie geſtand, daß ſie mir gut
fei und wohl meine Gattin werden wolle, wenn
ſie erſt die Ueberzeuguns habe, daß ſie mich
glücklich machen könnte. Ich aber kenne ſſit
nicht. Sie müſſe alſo zuerſt wünſchen, daͤß
ich ſte genauer kennen lerne u, f. w. Der
Brief war ſehr gut gehalten, und ſein Inhalt
beſonnen und würdig.
Jetzt war mein Plan gemacht. Ich ging
nach Heidelberg, um ein Haus zu miethen, wo
ich mit meinen Eltern und Hannchen wohnen
wollte, dann ging ich zu ihr.
Dieſesmal aͤnſtändig gekleidet, wie man ſich
in London trug
Wie ſtaunte mich ihre Tante an, die in mir
einen gewöhnlichen Handwerkoburſchen erwartet
hatte.
Hannchen ticat glühend herein. Als ich
ihre Hand faßte, fühlie ich ſte zittern; aber
als ich ſo harmlos von unſrer Fugend ſchwatzte,
ding ihr das Herz auf. Ihr Auge glänzte in
einem ſchönen Feuer und ihr gaͤnzes Wefen
ſrach die innigſte Zuneigung aus. Wie war
rungen der vielfach beſtandenen Gefahren!
Kurz, nach zweien Tagen hauchte ſie ein
das mich zum Gluͤcklichſten auf
Ich zog nun mit meinen Eltern nach Hei-
lius nicht kleinem Aerger. Nach einigen ver-
geblichen Verſuchen, einen reicheren B* ſtatt des
ärmeren Anbeters heranzuziehen, gab ſte alle
Hoffnung auf. — So viel ich konnte, beſchleu-
nigte ich unſre Vermählung, auch darum,
Hannſchen dem drückenden Verhaͤltniß zu ent-
heben, in welchem ſte lebte.
Da aber, al8 ſie mein Weib war, that ſich
der Himmel für mich auf. Erſt jetzt lernte ich
es verſtehen, was leben hieß.
Zwei Jahre floſſen in ungeſtörtem Gluͤcke
hin, da beſchenkte mich Hannchen mit einem
allerliebſten Zeppelchen und al8 wir e8
tauften und im frohen Kreiſe ſaßen, ging die
Thüre auf — und — Koͤhler und Lucy
traten herein.
Auch ſie ließen ſich bei uns niever und die
glücklichen Tage dauern immer fort! Möge ſte
Gott uns noch lange ſchenken!
Liebe in alter deit.
1
Um die achte Abendſtunde machte Frau Mar-
garethe die Thür der kleinen Stube auf, in
welcher {br Mann arbeitete, uud erſtaunt blieb
ſie an der Schwelle ftehen. — Der fleißige Kan-
zelliſt, der ſonſt nicht aufhören Fonnte, feine
Buchſtaben zu malen, und die zierliche Fraͤckur
ſchrift mit beſonderer Kunſtfertigkeit zu bilden
verſtand, faß diesmal nicht an dem alten ges
ſchnörkelten Schreibpult, auch brannte das Licht
mit einer langen Schnuppe melancholiſch in ſich
der durch die grünen, hellen Scheiben auf die
Dielen ſtel! — Im erſten Augenblicke fah ſte
den Mann gar nicht, und als fie ihn erblickte,
wagte ſie nicht ihn anzureden. Auf dem Bin-
ſenſtuhle ſaß er, dicht am Fenfter, die Hände
auf das Brett gelegt, halb gefaltet, halb an
ſein Kinn gedrückt, und fo ſtarrte er den Him-
mel an, al8 ſei da oben irgend Etwas und
rede mit ihm, denn ſeine Lippen bewegten ſich
beutlich, ohne daß Worte zu hören waren. —
Nach einigen Minuten trat die Frau leife
näher und legte die Hand auf feine Schulter,
Kopf ſchnell in die Höhe und ſſchien freudig
überraſcht, als er ſte ſah. — „Du biſt es,
Margarethe“, ſagte er, „o! ſchon gut, ich
komme. Wo iſt Eliſabeth?“ *
Sie hat das Abendbrod fertig,“ verſetzte
die Frau.
Und der Lieutenant?“ fragte der Kanzellift
raſch. „Iſt der Lieutenant auch da?“
„Nein“ ſagte Frau Margarethe mit ſicht⸗—
lichem Widerwillen.
nicht kommen.“
Die hohe hagere Geſtalt des Mannes richtete
ſich auf und ein Lächeln ſchlich über fein Ge-
ſicht. — „Sut,“ ſagte er, „fo laß uns eſſen,
was Gott beſcheert hat.“ — Er that einen
Schritt und nun konnte man ſehen, daß er ei-
nen Stelzfuß Huttez auch würde jeder errathen
haben, daß ein alter Soldat in dieſem langen,
geraden Körper ſtecke, der von den Jahren un-
gebeugt war. — Mit beiden Armen umfaßte
er ſeine Frau, nnd ſagte in einem Tone, der
zwiſchen Scherz und einer Art Mißtrauen
ſchwankte: „Warum ſiehſt Du mich ſo böſe an,
Margarethe? Mein 44 iſt abgethan; alle
Morgen haben meine armen alten Finger
Ruhe vor dem Gänfekiele, der mir jetzt f
ſchwerer wird, als ehemals mein Kurzgewehr.
Fortſetzung folgt.)
Druck und Verlag von G. Reichard.
— 6. Keidhard. —