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für die Wiederherſtellung der Ordnung in
Frankreich vollführt! indem er die gefaͤhr-
lichen Parteien nicht nur für die Ruhe fei-
nes Landes, ſondern auch im Intereſſe der
Velt niedergezwungen hobe Es ſcheine
jedoch aus dem zweiten Theile jener Note
hervorzugehen, daß die Höfe von Preußen
und Rußiand gegen ein erbliches Kai-
ſer thum proͤteſliren würden, ſich dabei auf
die Verträge vom Jahre 1814 und 1815
früßend, welche wie ſie fagen, Napoleon
Bonaparte für immer von der Regierung
Frankreichs ausgeſchloſſen haben; die Iie-
dereinſetzung der Napoleoniſchen Dynaſtie
und der erblichen Rechte des Kaiſerkeiches
würden demzufolge niemals ihre Zuſtim-
mung erlangen.. Die Antworten der Höfe
von Preußen und Rußland, wird weiter be-
merkt, ſeien dem Fürſten Schwarzenberg
nicht mitgetheilt, ſondern vom Baron von
Meyendorff und dem Grafen v. Arnim nur
vorgeleſen worden. Die Note des öſterrei-
chiſchen Miniſterpräſidenten ſei am 29. Ja-
nuar von Wien abgegangen, die Erwide-
rung auf dieſelbe Ende Februar eingelaufen.

Feuilleton.

Liebe in alter Beit,
Fortſetzung)

Ach! erwiederte die Frau Fagend, „ift es
nicht ein Unglück, daß Du nie die Zeit ver-
‚ geffen kaunſt, wo Du Soldat warſt?“

Kann der Reiter vergeſſen! daß er ein Roß
Hatte ,“ ſagte der Kanzelliſt mürriſch, „kann ein
Mädchen den Mann vergeſſen, den ſie liebte,
oder ein Muſikant die Noten?“

„Du ſollſt es aber vergeffen,‘“ erwiederte
Margarethe eifrig. „Ich weiß recht gut noch
die Zeit, mo ich Dich kennen lernte, Du
warſt Sergeant gewefen.” ;

Bis zum Freiberger Gefecht ,/ ftel der Kan-
zelliſt ein. — „Den ganzen Krıleg, wie ein
tapferer Soldat ves großen Königs gefochten,
und in der letzten lumpigen Bataille verlangt
der Satan noch den Fuß. Das iſt mein Aerger.“

Es hatte auch ſein Oute8 , ſagte die Frau.
„Denn dafür wurdeſt Du Kanzelliſt beim Krtegs-
collegium und haſt nun Dein gutes Brod! Aber
ſeit dieſer Lieutenant uns ins Haus gekommen
ift, iſt der böfe Feind eingezogen.“

„Still!! flüſterte der Kanzelliſt erſchrocken
und hielt Margaretha den Mund zu. „Wenn
er es hörte!“ ;

„Mag er e8 doch hHören,“ erwiederte fie un-
erſchrocken, wie Frauen find, denen die Zunge
auf dem rechten Fleck fibt; „mag er es taufend-
mal hören, ſo hört er immer wieder die Waͤhr-

‚ heit. — Seit der Großſprecher Dich ausge⸗—
wittert hat, und immer wieder die alten ver-
ſauerten Geſchichtchen von ſeinen und Deinen

Heldenthaten auftiſcht, unfer Abendbrod ver-

ſchlingt und unſer gutes Bier, Deinen Tabak

raucht bis man ſich ſelbſt nicht mehr ſehen
fann, und dabei ſchreit und lacht, daß man e8
zehn Häuſer weit hört, ſeit der Zeit biſt Du
ganz und gar ein anderer Menſch geworden. —

Sonſt warſt Du freundlich und fleißig, wie ein

Seidenwurm, ich mußte Dir faſt mit Gewalt

die Feder aus der Hand nehmen; jetzt iſt Oir
alle Arbeit zuwider; Du ſttzeſt und grübelſt

und biſt ein Ducknäufer geworden, als haͤtteſt

Du ein böſes Gewiſſen.“

Eine ſonderbare Empfindung von Beſtürzung
und Schrecken fchien den Kanzelliſten zu durch-
laufen. Was weiſt Du von meinem Ge-
wiffen, Weib?“ ſchrie er zornig, daß die Frau
ploͤtzlich verſtummte. Dann mard er felbft ſtill
und die Nöthe, welche ſein alterndes Geſicht
übexzogen hatte, verfchwand gor einer grau-
gelben Färbung. „Schwaze nicht fo dummes
Zeug, Margarethe,“ fuhr er beſänftigter fort,
„und bringe mich nicht auf. Ad! was find die!


es haben wollen; jeder Menſch foll ihnen ge-
fallen und wenn er andern gefaͤllt find ſie um
ſo boshafter mit der böſen Zunge! — Gönne


nen möchte, was Du gern haſt! Lieutenant


Federn des Kanzelliſten davonſtoben! Dann fa
er ſich um, blickte auf den blaſſen Mann, der
mit weit offenen Augen ihn anfah, dann auf
vie Frau, welche leife eine Verwünſchung mur-
melte, und nun ſchrie er mit ſeiner wilven


zuſammen manchen heißen Tag erlebt, wmanchen
blutigen,“ fagte er mit hohler Stimme. „Nun
find wir beide älter geworden, und was koͤn—
nen mir mehr, al8 ſprechen von dem, was wir
waren.“

„Nein, Joſeph,“ rief ſie eifrig, „das iſt es
nicht, ich weiß e8, Du kaͤnnſt den Lieutenant
ſo wenig leiden, wie ich! Ich ſehe e& ja noch-
wie er zuerſt bei uns hereintrat und Du weiß
wurdeſt wie eine Leiche, Das iſt es nicht, aber
Du fürchteſt Dich vor ihm. Wie könnteſt
Du auch den Menſchen leiden,“ ſagte ſte eif-
viger. — „Du haft ein gute8 weiches Gerz,
Du llebſt die ganze Welt und er haͤßt ſte und
flucht wie ein Schelm.“

In dem Augenblicke hörte man draußen eine
rauhe Stimme. — „Sergeant, mo biſt Du?
— Sergeant, ins Teufels Namen! ſteckt der
Kerl ſchen wieder bei ſeinem Gänſekiele? Mil
lionen Element! laß mich nicht ſo lange warten.“

„Da iſt er,” ſagte der Kanzelliſt mit beben-
der Lippe, indem er ſich an dem Tifch feſt
hielt.

„Faß ein Herz,“ flüſterte Margarethe; „fage
ihm, Du dankeſt für ſeine Bekauͤntſchaft, oder
wenn Du nicht willſt, ſo laß mich machen. —

Der Kanzelliſt riß die Frau mit einem krampf-
haften Ruck zurüd, — „Um Gottes Barmbher-
zigkeit! fagte ev, „geb' nicht, e8 iſt mein
Unglück.“

Margarethe fah ihn erſtaunt an. „Der boͤſe
Feind hat e8 Dir angethan,“- murmelte ſte,
und ich glaube faſt, er iſt es felbft, der da
draußen umherbrüllt.“

Jetzt ſchlug eine Hand feſt auf die Thür,
ein Kopf ſteckte ſich herein, und dann ſchob
ſich ein Körper nach, der in der That Frau
Margarethens Beſorgniſſe rechtfertigen konnte,
fo ungeſchlacht und abentheuerlich war er an-
zuſehen! — Ein kleiner dreieckiger Hut von
einer verbogenen Silbertreſſe eingefaßt, faß auf
einer alten Perrücke, die mit glänzend weißem
Puder reich bedeckt war, und wo diefer auf:
hörte, begann ein Geſicht, roth aufgedunfen, und
mit ſo wunderbar grotesken Zügen, als fet e8
eine Faſtnachtomaske! — Eine rieſenhafte bläu:
lichglühende Nafe, weit herabhängende Backen und
kleine feurige Augen, die unter dicken weißen
Braunen hervorblitzten, paßten ſeltſam zu dem
großen Munde voll blinkender Zähne. Der hohe
vorgebeugte Körper des Mannes mar von einem
blauen alten Meitermantel umhüllt, und die maͤch-
tige Hand, welche ſich daruntex hervorſtreckte,
trug ein Bambusrohr mit einem Elfenbeinknopfe,
das er drohend gegen den Kanzelliſten ausſtreckte.
Es war ein wunderliches Gemiſch von Jugend
und Alter, von Kraft und Schwäche in dieſem
Manne. Seine ſchnelle ſtarke Sprache und fein
feurig rollendes Auge zeugten von Lebendig-
keit der Leidenſchaften, fein hinfälliger Schritt
von dem Gewicht der Jahre.

Alter Sergeant,“ ſagte er;, als er den Kan-
zelliſten fah, und fein Geſicht nahm einen Aus-
druck von Spott und Mißtrauen an, „fteckt
hier mit der Frau zufanımen und laßt den gu:
ten Freund draußen frieren und hungern“ —

„Borwärts mit Cuch, Frau Margarethe,
ſeht nach dem Abendbrod. Hoͤrt, Spangenberg,
mir iſt heut zu Muthe, wie in der Naͤcht naͤch
der Schlacht bet Zorgau, f0 hungrig und dur-
ftig, fo luſtig und ingrimmig, Mit meinen
Zähnen koͤnnte ich die ganze Welt zerreißen, und
wenn ich ſie verſchlungen hätte, wäre ich doch
nicht falt

Dabei laͤchte er laut und ſchlug mit dem

Margarethe? Seid Ihr noch nicht in der Küche,
Frau? Soll denn dag arme Lieschen ganz al-
lein ihre Liederchen fingen von dem Grafen-
fohne, der nicht kommen will, um fie zu holen,
und von den Schätzen im Verge Samfam, der
ſich doch niemals vor ihr aufthun witd? —-
Was ſetzt ihr dem Maͤdchen für vertrackte Ge-
ſchichten in den Kopf?! Was laßt ihr das kleine
Ding leſen und ſchreiben lehren, damit ſie
Liebesbriefe zuſammenſchmieden kann; was werft
Ihr das Geld zum Fenſter hinaus für einen
alten Kaſten von Klavier, wo die Klimperei
und Singerei nun von Morgen bis in die Nacht
geht?! — Kochen, waſchen, ſticken, ſpinnen,
das lehrt ſte, aber ich rieche die angebrannte
Suppe bis hieher, — und hütet Euch, Frau
Margarethe, hütet Cuch, daß Ihr nicht etwa
den Nagel zu tief in ihren Kopf Ddrückt. 68s
paßt nicht und es darf nicht fein, daß ein Gras-
hakıı ein Eichbaum, oder ein Sperling eine
Nachtigall werden möchte, ” ;
Fortſetzung folgt.)

Ein Albumfpruch, *)

Wie oft auf einem bden Leichenſteine
Ein Name häll den Wandersmann zurück/
So ſoll auf dieſen Blatte hier der meine
Raſch feffeln Deinen träumerifchen Blie.

Wirßt Du/ von mir gefrennt, ihn einſtens Iefen —
Ach nur zu ſchuell eilt diefer Tag herbei —
Betrachle midy als Einen, der gewefen, -
Und den?, daß hier mein Herz begraben fet.

‚ *) Diefer Gedenkfpruch, gewiß einer ver fchönften, wercher
je einer Dame gewidmet wurde, ift von Lord BYron.

Buntes.

.. Was für yatriotifche Stucke während der
Schredfenszeit in Paris aufgeführt wurden, zeigt
folgender Theaterzettel aug fener Zeit:
Auf Befehl und zum Vergnügen des fouves -
ränen Vollesl
Die Schauſpieler des Theaters der Reyublik
werden Heufe, an der erflen Sansculottike, “
auffüdren: Das füngfe Geriht der.
Könige, von Sylvain Marechak. Hierauf:
Die Che des Kapyazınevs u
(DMan ſieht wie feine Gelegenheit verfäumt wurde,
dem „fouveränen, Volk“ zu (Ameicheln, und es im
Rauſche zu erhalten.) 3 *
‚. Pugnant, der berühmte, wohl der erſte Vid«
liniſt feiner Zeit hat u, a. eine Cantate „Werther“
comyonirt; ald dieſelhe am Kaffeler Hofe aufgeführt
wurde, geriefh er beim Dirigiten fo in Eifer, daß
er den Nock auszog, und an der Stelle, wo er
den Zod Werkhers zu ſchildern Verfucht, unerwartet
und zum großen Schred feiner Zuhörer eine Difkole.
aus der Taſche 20g und ſie Logfeuerte. *
Eine Familie in Willemont in Commun Tillet
(Zuremburg), aus 3 Perfonen beftehend, zählt 278
SZahre; der Bater ift 102, die Mutter 100, die
Zochter 76 Jaͤhre alt. *
Es iſt doch eine ſchöne Sache um die Orthos
graphie! Eine Schauſpielerin fchrieb Schillerg
„Bürgfchaft“ qus dem Gevdächtntß nieder und zwar
die erſte Zeile gleich fo: „Zu Dio nieß dem Thiera
rannen ſchlich Meervog“. (Wie würde d Schiller
über eine ſolche „Neberfeßung“ gefreut haben!)
Zwei Berliner Stußer ſtrltten fih, weffen
Schneiver dem Einen oder dem Andern zu meiftent
Danke verpflichtet fei. Denken Sie fich,“ fagte der
Eine, „mein Schneider hat ſeine Toͤchter allein von
meinen Rechnungen ausgeftattet 1“ — Voch lange
nicht$ 1“ erwivderte der Andere. „Der Meine hat


ſchuldig bin !“

.. Cin Weinhändler bot füngft Weine zum Berkaufe
an, - Die er aus den beflen „Quellen“ bezogen,
(Sehr zweideutigh *

Verantwortlicher Redacteur: G. Neich ard.

Druck und Verlag von G. Re ich ard.
 
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