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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1455
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“ Beilage-Blätter




Freitaͤg, den 20. Auguſt

1852

Oeſterreichiſche Monarchie.


“ Dat den Marſchall Nadegky zum Ehren-
bürger ernannt, und eine Deputation nach
Verona gefendet, um dem Verehrten das
Diplom zu überreichen.

Frankreich
‚£ Paris, 17, Auguſt. Der /Moniteur-
verbffentlicht heute abermal eine lange Liſte


der Ehrenlegion, darunter viele Beamte


fagt, „fih in den Dezembertagen um das
Land verdient gemacht hHaben.“ Der Ju-
ſtizminiſter Abbatucct haͤt interimiſtiſch waͤh—
rend der Abweſenheit des Hrn Bineau das
Finanzminifterium übernommen. — Der
geſtrige Bal in St. Cloud, zu dem Über
3000 Perfonen geladen waren,. ftel ſehr
glaͤnzend aus, Thiers wird hier erwartet.

Straßburg, 16. Aug. Almälig, ſchreibt

die A, Yı 3., ommt man zu dem Bewußt-
ſein, welche hohe Bedeutung die neu evöff“
nete Bahn für„unfere Stadt, wie für Süd-
deutſchland überhaupt haben wird und muß.
Die Frequenz übertrifft alle Erwartungen.
Namentlich ſind Schnell und Poſtzüge über-
aus ſtaͤrk befetzt, jeden Abend treffen Eng-
laͤnder hier ein, die am Abend vorher Lon-
don verlaſſen hatten, Unfere Stadt wimmelt
jegt von Fremben aller Nationen,

Cagliari, 9. Auguſt. Die franzöſiſche
Slotte, beſtehend aus 6 Linienſchiffen und
3 Dampfern, iſt heute von der afrikaniſchen
Küße hier eingelaufen, —
England.

* Qpndon, 16. Aug. Daily News und
Chroniele geben heute das Zeichen zum Be-
ginn der AMgitation für fofortige Sinberufung
des Parlament$, — @e—r‘@xammer'btü:gt
in der Fiſchereienfrage noch immer die Auf-
faſſung Webſter's

Schweiz.

In Appenzelt iſt neulich der aͤlteſte Zeuge
Appenzeleriſcher Freiheit gefallen. Ein Dr-
‚Fan zerſtoͤrte nämlich die uralte faſt 20 Fuß
dicke Birke auf dem dortigen Landsgemeinde-
platz, wo die Bünde ſonſt ihre Tagfahrt
gehalten. ÖR 8904



Feuilteton.

Ein Schriftſteller als Comödiant.

M, Serdan, ein bekannter engl. Schrift-
fteller,. hat feine Selbſtbiographie eben erſchei-
nen kaſſen. Daͤrin erzählt er unter andern von
dein beruͤhmten Petet Pindar (Dr. Woleot)
eine ſeltſame Anekvote, wie er die fämmtlicdhen
‚großen Tondoner. Verleger „über den Loffel
harbirte” „ wie man zu ſagen pflegt! Dieſe
Verleger nämlich woliten ibm in Verein das
Verlagsrecht feiner Werke abkaufen und es wurde
zur Beſprechung eine Verſammlung anberaumt.
Der Schkiftſteller war kurz zuvor unwohl ges
wefen, die Buchhändler wußten aber nicht, wie
fehr gefährlich es un ihn ſtand Sie erſchra-
en alfo, al8 fiefähen, daß ſte mit einem


mit einem Fuße, fondern mit beiden im Grabe
fland! Peter ſah entfetzlich blaß und eingefaͤl—
len aus und wurde durch einen trockenen, hoh-
len Huſten gequält, der grauenhaft klang.
Welcher Haͤndel geſchloſſen werde, war ihm


mehr leben fönne, ziehe er vor, Daß man {hm
ein‘ für alle Mal eine anſehnliche Summe zahle,
über die er verfügen Fönne; Ddie Buchhändler
daͤgegen zogen die Zahlung einer IJahresrente
vor, da er ſſich ja, wie fie meinten, Dald wie-
der erholen und noch lange in Wohlſtand leben
würde! Veter warf dagegen ein, daß eine
Rente für ihn gar Feinen Werth haben könne,
doch willigte er endlich ein, um Ddie Sache zum
Abſchtüß zu bringen, freilih erſt na langem
Feilfhen und nach ſchrecklichem Huften, der {hn
beinahe erflicte, eine Mente anzunehmen;, die
mehr naͤch feinem nahen Verfcheiden , al8 nach
dem eigentllchen Werthe Deffen, was er ver-
Faufte, berechnet alfo fehr hoch war! Der
Verirag wuͤrde aufgefeßt und unterzeichnet;
kaum aber hatte Peter Pindar ihn in der
Tafche, . fo wifhte er die Kreide von ſeinem
Sefichte, ftellte den hohlen Grabeshuſten ein,
wünſchte den Herten Verlegern wohl zu leben
und tanzte laͤchend über die gelungene Comödle
vor den verbluͤfften Buchhändlern durch die
Thüre hinaus! — Diefer Vorfall erinnert uns
lebhaft un die Krüde, mit der Sixtus V. die
dreifache Krone erftritt. Damals Hatten Die
GCardinaäle, welche gewählt zu werden nicht er-
warten dürften, den Entſchluß gefaßt, ihre Stim-
men dem Hinfälligſten zu geben und jeder dachte
dabei im Stillen, nach des Neugewählten bal-
digem Toͤd endlich felbſt Papſt zu werden! Der
ſchlaue Sirtus nun, welcher duͤrch fein Diplo-
maͤtiſchts Taͤlent vom Sohn eines armen Schweine-
hirten bis zur Cardinalswürde emporgeſtiegen

einer. Krücke hinkend ing Conclave (ven Saal
der Wahlzeflen), und ſchien faſt noch vor Been-
Ddigung des Wauhlactes mit Tod abgehen zu wol-
len. Natürlich gaben die Cardinäle dem ſchein-
bar Verlorenen ihte Stimmen, Nach Verkün-
digung dieſes Ergebniſſes warf Sixtus die Krücke
weit von ſich hinmweg, richtete ſich kerzengerade
auf, und herrſchte — zum Schrecken Aller, die
ihn gewählt‘ —- viele Fahre hindurch al8 ein

feines Andenkens dürfen wir dies nicht ver-
ſchweigen ſſtrengere Kirchenzucht, als vor
ihm nlaucher Paͤpſt, der nicht auf Krücken zum
Thron emporgeftiegen war

Die Eroberung von Coulouſe.
(Fortſetzung)

Verzelht gnädiger Herr,” entgegnete Roah,
„wenn wir dem Woͤrte unſeres Biſchofs Feinen
Glauben fhenkfen , Ddenn er ift für uns immer
eine Ouelle des Unglücks gewefen. Dann ‚aber
hat auch nicht ein Mißverftänonif , fondern
der Verrath Simon’$ von Montfort den ge-
ſtrigen Kampf herbeigeführt; denn Simon hat
ſich verratheriſcher Weife einer Menge frieb-
licher Bürger . bemächtigt, Ddie _ weiter nichts
wollten, al8 feine Armee beſehen! Was mich
betrifft, ſo halte ich jede Uebereinkunft, ja fogar
jede Unterbandlung fo lange für unmöglich,
bis uns Montfort Alle die wieder herausgibt,
welche er heute hinterliſtigerweiſe in fein Mar-
bonner Schloß eingekerkert hat.“

Wenn Iht ſte haben wollt, fa geht nach
den Thurme Billeneuve, er gehört dem Biſchof.
und iſt neutrales @ebiet, Dork follt Shrftes in
Empfang nebmen.“ \

Es fet,“ fagte der edle Almerth von. Nar
Bonne, „ wil mit meiner Familie hingehen,
deun fie. hHaben; mir meine Tochter und ihren
Gemahl Dom Yara' denommen ,' ſie haben mir
meinen Soͤhn 'Philipp genommen, . und {
glaube nicht, daß ein„edler Ruter die gefangen



Halten kann, die er weder Gefämpft, noch Beftegt
hat. Wer aus der Ritter oder Bürgerfhaft
will mich begleiten?“ — 2

Almerich von Narbonne genoß eines bedeu-
tenden Anſehens und verdankte e8 feiner Tapfers
keit eben fo fehr, wie feiner Rehlichkeit! Nie-
mandert kam der Gedanke ein, dah ihnen an
ſeiner Seite die geringfte Gefahr drohen könnte,
und mehrere der edelſten Mitter, wie der veich:
ſten Bürger erboten ſich zu feiner Begleitung,

„Kommft Du nicht mit, Dayid Rvaiy,“
fragte Almerich, „Du der Erfte in der stadt?“

Ic fomme dem Foulques und Montfort
nicht zu nahe, und wenn unfer Hetr Jefuͤs
Chriſtus mit mir ginge, Zwiſchen Louloufe
und Montfort if kein Frieden, Fein Vergleich
mehr wöglich! Alle Die er gefangen genom-
men, kommen mir wie die in einem Schlaͤcht-
hofe zuſammen geſperrten Schaafe vor und
Ihr könnt ihnen Lebewohl fagen; aber zu
dumm iſt e8, ihre Zahl noch vermehren zu
wollen.“

Dich hat Gott mit ſeinem Fluche getroffen,
David Roaix, denn nicht8 als Verrath und
Verbrechen ſtehſt Du Uberall.“

„Sagt vielmehr, daß Gott Cuch mit Blind-
heit geſchlagen hat, weil Ihr deun nicht ſehen
wollt, daß Ihr von dem nicht8 al8 Vernich-
tung zu ermarten habt Darf Jemand von
un8, duͤrft felbft Shr, edler Almerich von Narz
Bonne, auf Adıtung vor Curer Perfon rechnen,
wenn fogar der tapfere Bicomte von 5895'(„8
in einer ähnlichen Falle ulıkant 2“ x

„Mein Wort und meine Bürgfchaft ,“ ver-
ſetzte der Abt.

Auch Roger hHatte Never’8 Wort, das galt
ſo viel al8 das Mort aller Briefler der Welt,
und doch hat e8 ihm nicht8 geholfen. -

„Da fieht man,” ftel der Juriſt Robett ein,
„da fieht man, wie der Untergang einer ganzen
Stadt durch die Blasphemieen und den unfin:
nigen Widerſtand Einzelner ordentlich heranf-
beſchworen mwird. Kommt nach Villeneuve,
Bürger und Barone, Vort follt ihr den Biſchöf
feben, und wenn fein Wort Euch nicht rühtt,
wenn ſeine Borfchläge Euch verdächtig erfchei-
nen, dann kehrt wieder In die Stadt zuruͤck,
dann könnt Ihr {n wenigen Stunden immer
noͤch augführen, waͤs Ihr jetzt thun wollt“

Auf Euer Wort, Herr Abt, gehen wir
hin Lantwortete Almerich von Narbonne und
heffen! Mentfort werde die Bürgfchaft. derer
* die immer feine tteuen Stützen gewefen
ind.

„Glaubt mir ,“ entgegnete der Abt von St.
Sernin, „et wagt es nicht, unferm Willen
entgegen zu Handeln, und wenn er e8 thäte,
würde die Kirche ein Wortk gegen ihn ertönen
laffen‘, dem er bald unterliegen müßte.” *

Bei dieſen Worten brach Almerich mit Allen,
die ſich Ihm, zum Theil aus Mißgunſt gegen
David Roair's Anſehen, angeſchloſſen haͤttet,
auf und ging nach Villeneube

Nach den geſtrigen Vorgaͤngen i e8 kaum
zu glauben, daß die provengalifhen Ritter
nicht noh vor den Thoren umkehrten, daß Ne
die neue Falle nicht merkten und ſich nicht et-
liaſt wieder in die Stadt flüchteten, aber ver
Biſchof überrafhte ie mit einem neuen Oaufkel»
{piele. So wie er den Zug ver Mitter unter
dem Bortritte Des Abtes st Sernin und Ddes
Juriſten Robert herankommen fah, eilte er
ionen weinend und jammerub entgegen. Ein
Geiſtlicher mit vinem Sack voll Aſche folgte
im, aus Ddiefem nahn er ganze Hande voll
und beſtreute ſich damit, fel auf die Kniee,
Hob die Hande gen Himmel und betete unter
lautem Geſchrel! „Mein Herz iſt betrübt, mein
 
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