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N 120.

Freitag, den 1. Oetober

1852

Frankreich.

Aus Paris, 25. Septbr., verſichert ein-
Correſpondet der „Köln. Ztg.“ wiederholt,
daß das Laiſerreich noch vor Ablauf des
Monats October proclamirt werden wird.
Nach einer mir eben zugehenden Nachricht
beſchäftigt man ſich ſogar eifrig mit einem
Piane, der es möglich machen würde, daß
L. Napoleon berelis als Kaiſer in Paris


bei der Kuͤckkehr des Präſidenten und gehen
ihm bis Tours entgegen. Dort erſuchen ſie
, Napoleon, ein Decret zu erlaſſen, welches
ſie zu einer außerordentlichen Sitzung zu-
ſammenberuft. Dieſe Sitzung findet dann
ſofort in Tours ſtatt und seEance tenante
erlaſſen ſie den Senatsbeſchluß, dex L. Na-
poleon zum erblichen Kaiſer der Republik
von Frankreich erklärt, worauf er dann als
Kaiſer in Varis einzieht. Das iſt der Plan,
für deſſen Ausführung in dieſem Augenblick
bei den Mitgliedern des Senats geworben


wenn nicht, waͤs allerdings möglich, aber
unwahrſcheinlich erſcheint, ein Veto des
Prinz/ Präſidenten ſelbſt daran hindert.
Paͤris, 26. Sept. Den Vertretern der
fremden Höfe ſoll dieſer Tage der Miniſter
der auswärtigen Angelegenheiten die be-
ruhigendſten Verſicherungen binſichtlich der
neuen Differenz mit Belgien gegeben haben.
— Großes Aufſehen macht die Kunde, daß
den Directoren des „Pays“ die eine zeit-
lang verweigerte Ermächtigung ertheilt wor-
den ift, ihrem Blatte den Titel „Iournal
de V’Empire“ zu geben! Unter den andern
Regierungsorganen hat dieſe dem „Pays“
bewilligte Gunſt große CEmpfindlichkeit erweckt.
Paris, 27. Sept. Das Complott, deſſen
mörderiſchen Plan die Wachſamkeit der Po-
lizei gluͤcklichet Weiſe durchkteuzt hat, ſcheint
ſich nach Toulon zu verzweigen, denn auch
dort ſollen Verhaftungen vorgenommen wor-
den ſein. Die Zahl der in Marfeide In
Haft gebrachten Individuen beträgt 12 bis
13 und ſollen ſich darunter ein Äpotheker
und ein Schloffer befinden. Wahrſcheinlich


mente des Verbrechens. Ob der Staatsge-
richtshof dieſen Proceß fuͤhren wird, oder
ob die Angeſchuldigten einfach vor den Aſ-
ſiſenhof werden verwieſen werden, weiß man
noch nicht. Geſtern haben nur „Pays“,
„Paͤtrie“ „Preſfe? und „Union“ ſich über
das beabſichtigte Attentat Ausgelprochen und
daſſelbe, wie ſich von ſelbſt verſteht, in ge-
bührender Weiſe verurtheilt; die „Preffe
fnüpft daran einige Betrachtungen über die
Ergebniſſe einer uͤnterdrückten Popularität,
Fruͤher, ſagt ſie, hätten viele Leute Ver-
Frechen ſolcher Art den Aufhetzungen der
Preffe auf die Rechnung geſchrieben; ſeit
fechs Monaten ſei aber die Preſſe ftumm
und nichts deſto weniger ſei von der Phan-
taſie des Wahnſinns ein Verbrechen beplant
und vorbereitet worden, welches, WeNN eS
gelungen waͤre, in ſeinen verhängnißvollen
Folgen alle früher ausgeführten Sdhand-
thaten dieſer Art würde hinter ſich gelaſſen
haben. Die /Union“ beklagt in einigen
Zeilen den Zuſtand einer Geſellſchaft, in
deren Mitte ſolche Mordplane geſchmiedet
werden können. Es iſt allerdings ein un-
erhörtes, ein räthſelhaftes Exempel, den
Mord nicht nur deſſen, der den Staat und

die Geſellſchaft auf ſeinen Schultern trägt,
ſondern auch noch von Hunderten anderer
Opfer, wie es im Plane des eben entdeck-
ten Complotts lag, zu beſchließen und vor-
zubereitenz aber eben daſelbſt thut man Un-
recht, für das Vorhaben ſolcher Wahnſin-
nigen und Hirnverrückten die ganze Ge-
ſellſchaft verantwortlich machen zu wollen.
Von den heutigen Blättern kommt nur das
„Pays“ noch einmal auf das verbrecheriſche
Complott zurück. — Die vorigen Blaͤtter
enthalten ſich heute des Commentars über
das in Marſeille entdeckte Complott, das
nach der Meinung des Or. Veron im „Cone-
ſtitutionnel“ nur ein neuer Anlaß zur Be-
ſchleunigung des Kaiſerreichs iſt.

X Paris, 28. Sept. Die letzte Depe-
ſche über Louis Napoleons Reiſe lautet:
„Der Prinz iſt in Toulon unter unermeß-
lichem Jubel eingezogen. Die Escadre hat
ihn mit Kanonendonner und mit dem ein-
ſtimmigen Rufet „Es lede der Kaiſer!“
empfangen. Die ganze Stadt wiederholte
den Ruf. Der Prinz befindet ſich wohl.
Die Revue beginnt in einer Stunde! Der
Enthuſiasmus der Bevölkerung iſt unbe-
ſchreiblich.“ — Der „Moniteur“ veröffent-
licht wieder 14 neue Adreſſen verſchiedener
Gemeinden und Wünſche von Bezirks-
räthen auf die Wiederherſtellung des Kai-
ſerreichs. Sie ſind öffentlich angeſchlagen.
Außerdem bringt der halbamtliche Theil des
Moniteur“ einen Artikel, welcher das Ver-
fahren der Regierung in der Angelegenheit
der Zollerhöhung auf belgiſche Kohlen und
Roheiſen rechtfertigen foll. Die belgiſchen
Blaͤtter haben ſich bemüht, daſſelbe als
einen Zollkrieg darzuſtellen, den das mäch-
lige Frankreich dem ſchwachen Belgien er-
klärt habe. Der „Moniteur“ ſtellt die Sache
ſo dar, daß die franzöſiſche Regierung ge-
gen die Anforderung des belgiſchen Cabi-
nets Repreſſalien geübt habe, die ihr nicht
nur zuſtanden, ſondern die von der Rücks
ſicht aͤuf die inländiſchen Intereſſenten be-
dingt wurden.

Paris, 28. Sept. Folgende Adreſſe
wird gegenwärtig in mehreren Gemeinden
des Bezirks von Autun unierzeichnet: „Mon-
ſeigneur! Sie ſind thatſächlich Kaiſer; Frank-
reich will, daß Sie es Rechtens ſeien. Die
Krone gehört Ihnen als dem Würdigſten
ſie zu tragen: geſtatten Sie dem Lande, die
Inſtitutionen zu befeſtigen, auf denen ſeine
Zukunft ruht. Die gefammte Nation richtet
folgende Worte an Sie, welche der Paͤbſt
Zacharias zu Pipin dem Kleinen gerichtet
hat, welcher auch ein Dynaſtiegründer war:
„Die höchſte Gewalt ſei beſtätigt und fort-
gepflanzt, da wo ſie beruht.“

Feuilleton.

Zu Wellingtons Eharakteriſtit.

Der Herzog von Wellington war ein
ganz beſonders eifriger Zeitungsleſer, und nichts
entging ſeiner Aufmerkſamkeit, kaum je eine
Anzeige unter den vielen, mit denen die eng-
liſchen Journale geſegnet ſind. Fand er dann
irgend etwas Neues, Stahlfedern u. dgle mit
irgend einer angerühmten Verbeſſerung ausge-
ſtattet, ſo ſchickte er gleich danach und unter-
zog den Gegenſtand einer Prüfung. Seine
geiſtige Thaͤtigkeit war durch ſein Alter wenig
unterbrochen. Treu ſeiner oft geäußerten Ma-

/


es ſelbſt — verließ er ſich nie auf Andere,
ſondern las und ſtudirte ſelbſt, wenn er ſich
über einen Gegenſtand unterrichten wollte. Er
hatte Ausdauer genug, alle Berichte des Kriegs-
Miniſteriums zu unterſuchen! er hatte wie fel-
ten ein Anderer Geduld, den Debatten im
Oberhauſe ſtundenlang mit vorgebeugtem Kopfe
zu lauſchen, was ihm, da er harthörig war,
nicht wenig Anſtrengung gekoſtet haben niag.
Noch in den letzten Wochen vor ſeinem Tode
war er damit beſchäftigt, den voluminöſen
Lommiſſtons⸗Bericht über die Verwaltung der
Orforder Univerſität durchzuſtudiren, um ſich
ein eigenes Urtheil bilden zu koͤnnen. Er war
überaus mäßig und in ſeiner Lebensweiſe fol-
datiſch einfach. In ſeiner Umgebung lebte nur
Ein Menſch, der ihm hartnäckig Bewunderung
verſagte, und dieſer Eine war ſein Koch, ein
Franzoſe. Dieſer beklagte ſich oft, daß ihm
ſein Herr keine Gelegenheit gab, ſeine Kunſt
zu zeigen. Der Herzog mar ſtupid genug,
gewöhnlichen Rinderbraten und barbaͤriſchen
Pudding den zarteſten fraͤnzöſiſchen Cotelets und
den phantaſiereichſten Ragouts vorzuziehen.
Mein Herr, pflegte der vernachläffigte Koͤch-
künſtler zu jammern, mag ein tüchtiger Gene-
ral ſein, aber — koch' ich ihm ein gutes Oi-
ner, ſagt er: „das war gut“ und ſetze ich
ihm ein ſchlechtes vor, ſagt er auch: „das war
gut“. Solchen Naturen fehlt noch viel zum
Heldenthume. Einfach wie ſeine Koſt war
ſein Bett. Es beſtand aus einer ſchmalen
Roßhaar-Matratze und einem einzigen kleinen
harten, mit Leder überzogenen Kiſſen, das er
überall mit ſich führte, Bekannt ift e8, daß
einmal einer ſeiner Freunde ſich verwunderte,
wie der Herzog nur in einem Bette zu fchla-
fen vermoͤge, das nicht breit genug fei, daß
er ſich darauf umwenden könne „Wenn man
ſich auf feinem Bette umwendet bemerkte der
Herzog, viſt's Zeit zum Aufſtehen.“ Sr war
Sommer und Winter um halb ſteben Uhr
Morgens auf den Beinen, verrichtete die Opera-
ton des Raſtrens noch an ſeinem Todestage
eigenhändig, ſchrieb eine feſte, leſerliche Hauͤd
und hatte ein ungeſchwächtes Gedaͤchtutß! Viele
hielten ihn für einen durckaus ſchlechten Oeko-
nomen, Viele für einen Geizhals. Er war
keines von beiden. Seine Güter, die er
von der Dankbarkeit der engliſchen Nation zum
Geſchenke erhalten hatte, wurden jederzeit mu-
ſterhaft verwaltet; feine Rechnungen wurden
am Ende jeder Woche ausgeglichen ; fein Haus-
halt war militäriſch-püneſtich geordnet. Dabei
that er viel Gutes ohne Oſtenlation und ein
beſonderes Rocktäſchchen war voll von neuge-
prägten Schillingen für die Straßenjungen, die
ihn und ſeine glänzenden Schillinge ganz be-
ſonders in Ehren hielten.

Ein Toaſt in Dahomeß.

Als Bouét dem König von Dahomey (in
Afrika), Guezo, vorgeſtelit wurde, forderte die-
ſer ihn auf, auf die Gefundheit des Koͤnigs
von Frankreich — denn als ſolcher gilt ihm.
der jetzige Präſtdent der franzoͤſiſchen Republik
und man läßt ihn aus guten Gründen in die-
ſem Wahn — ein Glas mit ihm zu leeren.
Bouct zeigte ſich ſogleich bereit vazu, ſowie
aber Seine Majeſtät das Glas an die Lippen
ſetzte eutſtand ein furchtbarer Tumult um ihn
her und namentlich unter den Amazonen (weib-
lichen Soldaten); ſeine vornemſten Frauen ſtürz-
ten auf ihn zu, umgaben ihn mit einem gros
ßen ſeidenen Schleier und alle Krieger, Krie-

gerinnen und Volk warfen ſich auf die Erde
 
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